Zwei Mal tut es jeder Mensch am Tag: Lügen. Denn kleine Unwahrheiten machen das Zusammenleben einfacher, geschmeidiger. Was ist schon dabei? Auch unter Gründern wird oft gelogen. Dann sagen sie Sätze wie: „Wir schauen nicht auf die Konkurrenz.“

Selbst mit Zahlen nehmen es die jungen Unternehmer zuweilen nicht so genau, sondern blasen etwa ihre Umsätze auf oder erfinden Kennzahlen gar komplett dazu, wie unsere Analyse der vergangenen Woche zeigte. Unter den Beispielen befinden sich Vorzeige-Startups wie Lesara oder WeWork.

Warum Gründer das tun, lässt sich leicht erklären. Jeden Tag müssen sie einem enormen Druck widerstehen. Investoren und Öffentlichkeit wollen gute Zahlen sehen. Und es steht immer die Frage im Raum: Funktioniert die Startup-Idee überhaupt?

Das Kalkül hinter der unsauberen Kommunikation: Mit guten Zahlen gibt es mehr Öffentlichkeit, mit mehr Öffentlichkeit mehr Kunden und mit mehr Kunden am Ende mehr Investorengelder. Aus einem Startup mit aufgeblasenen Zahlen entsteht ein Unternehmen, das langfristig Erfolg hat und wirklich grandiose Zahlen vorweisen kann. Soweit die Theorie.

Ein Fehltritt bleibt am Unternehmen heften 

Doch gerade im Rückblick zeigt sich, dass diese Strategie oft nach hinten losgeht. Denn wenn Investoren wirklich Geld in ein Startup stecken, erhalten sie Einblick in alle Zahlen und die tatsächlichen Ergebnisse. Jeder Geldgeber wird vorsichtig sein, wenn die in der Öffentlichkeit präsentierten Werte so viel besser sind als die tatsächlichen. Diverse Finanzierungsrunden seien bereits wegen aufgebauschter Kennzahlen geplatzt, hört man hinter vorgehaltener Hand.

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Für die Kunden haben die Kennzahlen keinen unmittelbaren Effekt. Bei einem E-Commerce-Shop ist es wichtiger, dass die Auswahl, der Preis und der Service stimmen und in einem sozialen Netzwerk müssen möglichst alle Freunde angemeldet sein. Da ist es egal, welche Geschäftszahlen nach außen kommuniziert werden.

Für die Medien macht es dann aber schon einen Unterschied, ob das Startup zwei Million Umsatz macht – oder 20. Unternehmen mit größerem wirtschaftlichen Erfolg finden auch mehr Beachtung. Das Problem: Kommt die Unsauberheit einmal heraus, etwa durch Zahlen aus dem Bundesanzeiger, ist das Vertrauen der Berichterstatter weg. Sie werden künftig alle Aussagen noch kritischer hinterfragen. Auch bleibt eine bestimmtes Image für längere Zeit am Unternehmen und dessen Spitze heften, wie bei den Movinga-Gründern, die Wachstumszahlen manipuliert hatten

Langfristig gewinnt derjenige, der es in guten Zeiten mit der Kommunikation und den vollmundigen Ankündigungen nicht übertreibt. Und bei Stagnation, mittelmäßigen Zahlen oder Problemen trotzdem souverän bleibt – auch und gerade bei der Kommunikation nach außen. Denn das Bild, das mit einer ehrlichen Botschaft ausgesendet wird, ist viel stärker: Da sitzt jemand am Steuer, der auch in harten Zeiten weiß, was zu tun ist – und nicht ein schlechtes Ergebnis schönreden muss.

Bild: Getty Images / broadcastertr; Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war das Berliner Startup Friendsurance aufgeführt, in einer Reihe mit Lesara und Wework. Es wurde der Vorwurf erhoben, dass es das Unternehmen mit Zahlen nicht „so genau“ nehme. Dieser Vorwurf ist irreführend. Friendsurance hatte eine Grafik der Umsätze veröffentlicht – ohne Legende oder Skala, wie es in unser Analyse dargelegt wurde. Diese Kritik nimmt das Startup an.