Mit schwerem Gerät oder Lötstation ins Homeoffice? Keine Option für Hardware-Startups.

Ein Beitrag von Robert Kopka, Geschäftsführer der Luke Roberts GmbH. Das Startup entwickelt und produziert smarte Lampen für Privatwohnungen und Büros.

Hardware-Startups hatten es schon immer schwer, an Kapital zu kommen. Diese Situation wurde durch die Corona-Krise noch verstärkt. Aufgrund der internationalen Lieferketten und des hohen Kapitalbedarfs trifft es sie besonders hart. Viele Investoren suchen deshalb lieber nach Plattform- oder reinen Software-Startups, da diese zu niedrigeren Kosten skalieren können.

Bei Hardware-Startups gibt es auf dem Weg zu stabilen Umsätzen viele Hürden: von der Entwicklung bis zur Produktion, Zertifizierung und Logistik. Bis zum ersten zahlenden Kunden vergehen oft Jahre. Denn die Hardware muss funktionieren, es gibt kein Update auf Knopfdruck, falls eine Funktion vergessen oder falsch umgesetzt wurde. Die Produktion erfordert ein sehr hohes Umlaufvermögen, oft hunderttausende Euro, die an die Hersteller gehen. Dieses Kapital muss anfangs von Investoren zur Verfügung gestellt werden.

Nachfrage aufzeigen und Kosten sparen

In der aktuellen Lage ist es noch wichtiger, zeigen zu können, dass das Produkt an eine ausreichend große Anzahl an Kunden verkauft werden kann, auch wenn es noch nicht produziert ist. Ein guter Product-Market Fit hilft bei den Verhandlungen mit Investoren. Das kann zum Beispiel über eine Crowdfunding-Kampagne oder einen Vorverkauf auf der eigenen Webseite erfolgen.

Startups ohne Finanzierung hingegen müssen Kosten sparen, die Finanzierungssituation dürfte noch bis Anfang 2021 angespannt bleiben. Meist bedeutet das die Verkleinerung des Teams und verschobene Investitionen. Es steht vielen Hardware-Startups ein Leben auf Sparflamme bevor, die langfristigen Auswirkungen davon sind noch nicht absehbar.

Im Schichtbetrieb arbeiten

Ist die Finanzierung gesichert, muss alles daran gesetzt werden, die Mitarbeiter trotz Unsicherheiten, Beschränkungen oder Erkrankungen motiviert und produktiv zu halten. Bei Software-Startups können meist alle Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten. Das ist bei Hardware-Startups kaum möglich.

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Das erforderliche Equipment wie Messgeräte, Lötstationen oder Fertigungsstraßen können nicht einfach am Esstisch aufgebaut werden oder sind aufgrund der Kosten oft nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Damit ein Teil der Mitarbeiter im Büro die Produktion aufrechterhalten kann, haben sich ein Schichtbetrieb und klare Sicherheitsanweisungen bewährt. Die Mitarbeiter werden dabei in mindestens zwei Teams aufgeteilt, die niemals gemeinsam vor Ort sind. Sollte jemand aus einem Team erkranken, kann das zweite Team übernehmen. Außerdem ist auf ausreichenden Abstand, Desinfektionsmittel und Masken zu achten.

Vertrauen der Lieferanten aufrechterhalten

Da die meisten Produkte auf Bauteile unterschiedlicher Lieferanten angewiesen sind, ist das gerade eine besondere Herausforderung. Denn viele Lieferanten arbeiten derzeit mit reduzierter Mannschaft, was zu langen Reaktionszeiten und Überforderung in der Bewältigung der Logistik führt. Startups, die auf Lieferungen aus Asien angewiesen sind, müssen sich aufgrund der reduzierten Flugkapazitäten auf lange Lieferzeiten, viele Telefonate mit dem Logistikunternehmen und erhöhten Frachtkosten einstellen.

Wichtig ist es, durch regelmäßigen und ehrlichen Austausch das erarbeitete Vertrauen beim Lieferanten aufrechtzuerhalten. Vertraglich festgelegte Strafzahlungen bei Verzögerungen oder Ausfällen sind in der aktuellen Situation kaum hilfreich und können auch unter normalen Umständen in vielen Ländern kaum durchgesetzt werden.

Bestandskunden bessere Konditionen bieten

Auch der Verkauf der Produkte kann eine Herausforderung darstellen. B2B-Produkte sind derzeit oft Ladenhüter, weil viele Firmenkunden in Zeiten großer Unsicherheit kaum Investitionen tätigen. Startups müssen den Kontakt zu Bestandskunden unbedingt aufrechterhalten und Kunden etwa mit besseren Zahlungskonditionen entgegenkommen. Wer es schafft, hier in Vorleistung zu gehen, kann mittel- und langfristig sehr starke Kundenbeziehungen aufbauen.

Geschäftsmodelle die eine wiederkehrende Umsatzkomponente wie Lizenzkosten haben sind klar im Vorteil, weil die Hardware mit großzügigeren Discounts an die Kunden verkauft werden kann.

B2C-Produkte sind im Gegensatz dazu oft leichter zu verkaufen, da die Kunden mehr Zeit zuhause und im Onlinehandel verbringen. Firmen, die stark auf den Verkauf via Internet gesetzt haben, können jetzt besser durch die Krise kommen. Auch in den nächsten Monaten werden viele Kunden, um eine Infektion zu vermeiden, bevorzugt online einkaufen.

Auf Direktvertrieb setzen

Je besser ein Unternehmen seine Kunden kennt und je direkter es diese erreichen kann, desto besser kommt es derzeit durch die Krise. So hat der US-amerikanische Action-Kamera-Hersteller Gopro etwa angekündigt, mehr auf Direktvertrieb zu setzen, um die Umsatzeinbußen durch seine Händler zu kompensieren. Der Smart-Speaker-Hersteller Sonos hat seine Kunden über seine App darüber informiert, dass es gerade Sonderaktionen für Lautsprecher auf der firmeneigenen Webseite gibt.

Derartige Aktionen, die sich direkt an die Nutzer richten, hat es vor der Krise nur selten gegeben. Zu wichtig waren die Händler, die die Produkte für den Kunden in die Regale stellen. Die aktuelle Krise wird bei vielen Firmen zu einem Umdenken führen und die Abhängigkeit von Zwischenhändlern wird überdacht werden. Je stärker die eigene Community und je direkter der Zugang zu ihr ist – sei es über Social Media, Newsletter oder die eigene App – desto kleiner ist die Abhängigkeit von Händlern.

Bild: Getty Images / Kelvin Murray