Zu wissen, was die Kollegen verdienen, macht nicht unbedingt zufriedener.
Zu wissen, was die Kollegen verdienen, macht nicht unbedingt zufriedener.

Gehälter sind ein Tabuthema. Noch immer steht in vielen Arbeitsverträgen die – meist widerrechtliche – Klausel, dass die Höhe des eigenen Verdiensts nicht den Kollegen verraten werden darf. Daran scheint sich der Großteil der Arbeitnehmer zu halten: Nur jeder Fünfte weiß in Deutschland über das Gehalt der Kollegen Bescheid, wie das Institut Yougov in einer Umfrage im Februar dieses Jahres ermittelte. Dabei wünscht sich die Hälfte aller Befragten, das Gehalt der Kollegen zu kennen – unter anderem, um sich besser auf Gehaltsverhandlungen vorbereiten zu können.

Hohe Transparenz senkt das Gehaltsniveau

Die US-amerikanische BWL-Professorin Zoë Cullen hat jetzt herausgefunden: Eine hohe Gehaltstransparenz sorgt nicht automatisch für höhere Gehälter. Das Gegenteil ist der Fall: „Wir stellen fest, dass Gehältertransparenz die Löhne um sieben bis 25 Prozent drückt“, heißt es in der Studie der Harvard-Dozentin, über die das Handelsblatt berichtete.

Werden Gehälter nicht transparent kommuniziert, können Unternehmen hohen Gehaltsforderungen besonders geeigneter Bewerber leicht nachkommen – die übrigen Angestellten erfahren schließlich nichts von der überdurchschnittlichen Bezahlung. Ist es aber andersherum, könnte der hohe Lohn des neuen Kollegen dazu führen, dass der Rest des Teams ebenfalls mehr Geld fordert. Das Resultat, so die Studie: Ist die Transparenz über Gehälter hoch, zahlen Arbeitgeber keine überdurchschnittlichen Löhne mehr. Das gesamte Lohnniveau sinkt.  

Demnach wirkt sich eine hohe Gehaltstransparenz auch nicht zwangsläufig positiv auf den Verdienst von Frauen aus. Zwar ist der „Gender Pay Gap“ in Unternehmen, die sehr transparent mit Gehältern umgehen, geringer. Frauen verdienen dann aber nicht unbedingt mehr, sondern Männer weniger.

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Unterdurchschnittlicher Verdienst demotiviert

Um zu testen, wie sich Gehaltstransparenz auf die Arbeitnehmer auswirkt, befragte Cullen 2.000 Angestellte einer asiatischen Bank. Sie sollten zunächst schätzen, wie hoch das Durchschnittsgehalt im Unternehmen war – und lagen dabei im Schnitt zwölf Prozent zu hoch oder zu tief. Anschließend verrieten die Forscher den Testpersonen die tatsächliche Höhe des Durchschnittsgehaltes. Diejenigen, die dann herausfanden, dass sie unterdurchschnittlich verdienten, strengten sich von nun an weniger an – je niedriger das Gehalt, desto tiefer die Motivation. Auch der Wunsch, den Arbeitgeber zu wechseln, wuchs.

Eine weitere Erkenntnis der Studie: Hohe Managergehälter demotivieren die Arbeitnehmer nicht – sie spornen sie an. Die Motivation, befördert zu werden, steigt scheinbar, je mehr Geld auf der neuen Stufe der Karriereleiter winkt.

Bild: Getty Images / John Holcroft