Die Hamburger Zwillinge Alessio (32) und Ricardo Bruni (32, r.) verdienen Geld, indem sie erfolgreiche Amazon-Shops kaufen und optimieren.

Es ist die wohl größte Seed-Finanzierungsrunde in Europa: 55 Millionen Euro (65 Millionen Dollar) haben die Hamburger Brüder Riccardo und Alessio Bruni für ihr Startup Heroes aufgenommen. Für eine erste Runde ist das bemerkenswert viel Geld. Vor allem, weil die Firma erst seit Juni existiert und bereits profitabel wirtschaften soll. Ein Teil der neuen Finanzmittel stammt allerdings aus einem Kredit – wie viel genau, wollen die Gründer auf Nachfrage von Gründerszene nicht sagen. Ein Branchenkenner schätzt diesen Anteil auf etwa 40 Millionen Euro.

Angeführt wird die Finanzierung von Fuel Ventures aus Großbritannien, 360 Capital aus Frankreich und dem US-VC Upper90. Zudem sind Business Angels an Bord, darunter Matt Robinson und Carlos Gonzales vom Londoner Fintech Gocardless.

Neu-Investor Upper90 ist bereits bei Thrasio investiert, einem Konkurrenten von Heroes. Denn beide Unternehmen verfolgen das gleiche Ziel: Amazon-Seller aufkaufen, optimieren und die Umsätze dann vervielfachen.

Amazon-Seller verkaufen ihr Business und werden reich

Im Gegensatz zum US-Vorbild, das innerhalb kürzester Zeit zum Einhorn wurde, ist Heroes auf den europäischen beziehungsweise deutschen Amazon-Markt fokussiert. Deutschland ist in Europa der stärkste Treiber für den Milliardenkonzern von Jeff Bezos.

Für die beiden Brüder – sie sind eineiige Zwillinge – scheint die Gründung des Amazon-Seller-Aufkäufers die logische Fortführung ihrer bisherigen Laufbahn zu sein. Riccardo Bruni war zuvor unter anderem bei EQT Ventures und Merrill Lynch bei Investments und im M&A-Bereich tätig. Alessio Bruni leitete zuvor die Retail-Abteilung von Lazada. Das Unternehmen war Rocket Internets erfolgreicher Versuch, einen Amazon-Klon nach Südostasien zu bringen. Lazada wurde 2017 an Alibaba zu einer Drei-Milliarden-Bewertung verkauft.

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In ihrem neuen Unternehmen kombinieren die Bruni-Brüder nun beides: M&A und Amazon-Expertise. Sie sprechen erfolgreiche Amazon-Verkäufer an und akquirieren deren Shops, die anschließend in die Heroes-Gruppe überführt und dort weitergeführt werden.

Einige der Verkäufer dürften dadurch reich werden, denn Heroes kauft nur profitable Amazon-Shops, die mindestens eine Million Euro Umsatz machen und eine Marge von 20 Prozent oder mehr vorweisen. Die Verkäuferprofile reichen vom Ehepaar in Pension bis hin zum Investmentbanker, der mehrere Amazon-Geschäfte in seiner Freizeit betreibt.

Wahre Gründer und langweilige Brands

Im Gespräch mit Gründerszene bezeichnet Riccardo Bruni sie als „wahre Gründer“, die ohne Venture Capital erfolgreiche Shops aufbauen. Vor denen habe er „größten Respekt“.

Die Marken der Verkäufer sollten dabei keinen Trends folgen. „Das sind schon fast langweilige Brands, weil sie auch in zehn oder 20 Jahren noch existieren werden“, sagt Bruni.

Wichtig für Verkaufsgespräche sei der persönliche Kontakt. Deshalb soll demnächst eine deutsche Präsenz entstehen. Heroes selbst sitzt in London, die Brüder leben dort seit über zehn Jahren, sind aber gebürtige Hamburger und dort auch aufgewachsen.

Das direkte Gespräch in Deutschland vor Ort helfe, da viele der potenziellen Exit-Kandidaten vorab nicht mit dem Gedanken gespielt hätten, ihr Business zu verkaufen. Hier sei es deshalb wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen.

100 Firmen will Heroes bis 2024 kaufen

Das scheint bisher gut zu funktionieren: Zwei Unternehmen sind bisher voll bei Heroes integriert. Zwei weitere sollen im November folgen. In den nächsten vier Jahren will Bruni mit seinem Unternehmen bis zu 100 Firmen übernommen haben, sagt er.

Ist das Unternehmen gekauft, kümmert sich das Team – mittlerweile arbeiten zwölf Personen für das Londoner Startup – um die Integration und Optimierung, ersetzt etwa alte Produktfotos, setzt die Brand neu auf oder internationalisiert sie.

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Die meisten der Produkte, die die Amazon-Shops verkaufen, stammen derzeit aus China. Heroes schaue sich aber auch andere Herstellerländer an, etwa Indien, Taiwan, Vietnam, Türkei oder Russland. Dabei seien besonders Produkte spannend, die über das ganze Jahr hinweg angeboten werden können, sagt Bruni. Etwa aus den Kategorien Haus- und Küchenware, Garten, Sport, Freizeit, Beauty oder Personal Health. Nicht so spannend sei hingegen Elektronik. Hier seien die Margen zu gering.

Mit einem ähnlichen Ansatz arbeitet auch ein deutscher Konkurrent von Heroes: die Razor Group. Das Unternehmen von Tushar Ahluwalia und Jonas Diezun, das ebenfalls erfolgreiche Amazon-Seller aufkauft und kürzlich mehrere Millionen einnahm, setzt ebenfalls auf ein diversifiziertes Portfolio und meidet saisonale Produkte. Beide sowie weitere Konkurrenten, die das Thrasio-Modell verfolgen, schauen zudem auf ähnliche Exit-Kandidaten auf dem Amazon-Marktplatz – der Markt bleibt also spannend. Und vielleicht steht bald die Konsolidierung an.

Bild: Heroes