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Brüder und Holidu Co-Founder: Michael (links) und Johannes Siebers.
Brüder und Co-Founder: Michael (links) und Johannes Siebers.

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Aus der Tourismusbranche kamen zuletzt fast nur Hiobsbotschaften: Tui kommt trotz Staatskredit kaum durch, Lufthansa entlässt Zehntausende, Fluggastrecht-Startups stehen vor dem Aus. Und beim Berliner Jungunternehmen Getyourguide kämpft man derzeit „ums Überleben“.

Umso überraschender kam diese Woche die Erfolgsmeldung des Ferienhaus-Buchungsportals Holidu. Das Münchner Startup erzielte im Mai, mitten in der Krise, erstmals seit der Gründung 2014 Gewinn. Im Juli stieg die Anzahl der Buchungen nach Angaben des Unternehmens gegenüber dem Vorjahr um das 2,6-Fache. Übernachtungen im Wert von 130 Millionen Euro buchten Nutzerinnen und Nutzer innerhalb dieses Monats.

Je mehr Buchungen, desto besser für Holidu: Das Startup bietet eine Suchmaschine und Buchungsplattform für Ferienwohnungen an. Sucht jemand etwa nach Unterkünften auf Mallorca, vergleicht die Software Angebote von Booking.com, Airbnb, Fewo-direkt und weiteren Anbietern und zeigt dem Nutzer den günstigsten Preis an. Pro Buchung kassiert Holidu von den Ferienhausanbietern eine Provision. Ein weiteres Standbein des Startups ist die Plattform Bookiply, über die Gastgeber ihre Unterkünfte auf mehreren Portalen gleichzeitig inserieren und ihre Buchungen verwalten können. Auch hier fallen für die Vermieter pro Buchung Gebühren an.

Das I-Tüpfelchen: Kees Koolen, Mitgründer von Booking.com und ehemaliger COO von Uber, steckte vier Millionen Euro in Holidu. Der Unternehmer sitzt seit vier Jahren im Beirat des Startups, jetzt investierte er sein Privatvermögen. „Wir haben das Ziel, eine sehr große Firma aufzubauen. Jemanden dabeizuhaben, der Booking.com zu einer 50-Milliarden-Bewertung gebracht hat, ist unheimlich wertvoll“, so CEO Johannes Siebers im Video-Telefonat mit Gründerszene. Er baut Holidu gemeinsam mit seinem Bruder und Mitgründer Michael Siebers auf. Dass auch ihre Firma ein Unicorn wird, halten die beiden nicht für abwegig.

Alle zwei Monate treffen sich die Gründer mit Beiratsmitglied Koolen. „Er ist ein Visionär, ein sehr mutiger Typ“, sagt Johannes Siebers. „Wenn er ein Ziel hat, und sei es noch so riesig, läuft er mit einem sehr langen Atem dorthin.“ Das „Daily Business“ interessiere Koolen wenig, ergänzt Michael Siebers. „Aber wenn es schwierig wird, ist er da.“

„Die Corona-Krise ist eine andere Art von Schock“

Insbesondere in den vergangenen Monaten sei der Investor eine „große Stütze“ gewesen. Denn so gut die Zahlen seit Mitte Mai auch sind – als die Krise begann, stand Holidu wie alle anderen Firmen in der Reisebranche ohne Umsätze da. Fast niemand buchte im Lockdown eine Ferienwohnung, somit erhielt das Startup auch kaum Provisionserlöse. Schlimmer noch: Wenn Nutzer ihre Buchungen stornieren, muss Holidu die Provision wieder abtreten. Und das geschah im März und April en masse.

„Das war eine beängstigende Situation“, sagt Johannes Siebers. „Es gab in der Vergangenheit schon Wirtschaftskrisen und es gibt Anleitungen, wie man darauf reagiert. Aber so eine Epidemie gab es noch nie. Das ist eine andere Art von Krise, eine andere Art von Schock“, beschreibt es sein Bruder. Gemeinsam mit ihrem Management-Team setzten sie sich zusammen, entwickelten Pläne für verschieden schlimme Szenarien. Beispielsweise auch für den Fall, dass bis Jahresende gar keine Umsätze mehr hätten erzielt werden können. Ende März präsentierten sie diese Strategien allen 220 Mitarbeitern. „Ab da war es viel leichter. Alle wussten, in welche Richtung wir jetzt gehen und dass wir da irgendwann wieder rauskommen.“

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Die erste Maßnahme: Die geplanten 100 Neueinstellungen auf Eis legen. Die zweite: „Zwei Monate Winterschlaf“, wie es Johannes Siebers ausdrückt. Damit meint er Kurzarbeit 95 Prozent mit einem Großteil der Belegschaft. Nur Kundenservice und IT arbeiteten noch in Teilen. Davon, dass es bei den zwei Monaten bleiben würde, waren die Gründer überzeugt: „Wir hatten die These, dass der Markt zurückkommen wird. Und genauso ist es dann gekommen.“

Serveranzahl verdoppelt, um Traffic standzuhalten

Investor Kees Koolen war es, der als Erster die positiven Vorzeichen erkannte. In Österreich und Holland war der Betrieb von Ferienwohnungen wieder erlaubt. Er sah kommen, dass Deutschland und weitere europäische Länder folgen würden. Da habe Koolen zu den Siebers-Brüdern gesagt: „You know what to do: full gas.“

Das Team bereitete die Technik auf einen Ansturm vor, der dann auch eintraf. „Am 15. Mai verkündete die Regierung, dass das Gastgewerbe ab dem 29. Mai wieder öffnen darf. Noch an dem Abend sind die Buchungen explodiert“, sagt Johannes Siebers. Frankreich, Spanien, Italien, Portugal und England folgten. „Zum Teil mussten wir unsere Serveranzahl jedes Wochenende verdoppeln, um dem Traffic standzuhalten“, so Michael Siebers.


Die Besucherzahlen der deutschen Website von Holidu. Die Höhepunkte seien zwar jedes Jahr im Januar und Juli, sagen die Gründer. Doch dieses Jahr sei der Anstieg extrem gewesen. (Screenshot: Similarweb.de) 

Die Vorteile für Holidu: Ferienwohnungen sind eine recht sichere Möglichkeit, während einer Pandemie zu reisen. Vor allem an Orten, die per Auto erreichbar sind. Man habe klar beobachten können, dass Deutsche in diesem Sommer in Deutschland reisten, Holländer in Holland und Briten in Großbritannien. Und da Holidu seine Plattform in 21 Ländern anbietet, konnte das Startup die Inlandsreisenden weltweit abgreifen. Auch bei Wettbewerbern auf dem Ferienhaus-Markt, etwa dem Startup Hometogo, stiegen die Traffic-Zahlen laut des Analysediensts Similarweb zwischen Mai und Juli massiv an. 

Entspannt dank 40-Millionen-Puffer

Insgesamt habe der gute Sommer das schlechte Frühjahr ausgleichen können, sagen die Holidu-Gründer. Umsätze kommunizieren sie nicht, die letzten veröffentlichten Zahlen sind aus 2018 (Umsatz: 14,9 Millionen Euro, Verlust: minus 6,9 Millionen Euro). Insgesamt werde man 2020 trotz Corona-Krise wachsen und siebenstellige Gewinne einfahren.

Doch die weltweiten Corona-Infektionszahlen steigen derzeit in Rekordtempo. Weitere Lockdowns sind nicht auszuschließen. Was dann? Die Siebers sehen es entspannt. „Der Markt wird sicher noch eine Weile volatil bleiben. Insgesamt sind wir aber zuversichtlich, dass das Reisen in Ferienwohnungen sehr gefragt bleiben wird.“ Für Gelassenheit sorgt wohl auch der große finanziellen Puffer: Voriges Jahr sammelte Holidu 40 Millionen Euro ein. Insgesamt ist das Startup mit 65 Millionen Euro finanziert. 

Hier könnt ihr euch den Artikel anhören:

 

 

Die Gründer wollen jetzt weiter am Wachstum ihres Startups arbeiten. Die ersten Neueinstellungen haben sie schon getätigt – und 17 weitere Stellen sind noch ausgeschrieben.

 

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Bild: Holidu
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