Ohlala-Gründerin Pia Poppenreiter

Im Juni dieses Jahres kündigte Ohlala-Gründerin Pia Poppenreiter an, sie wolle bei einem ICO 100 Millionen Euro einnehmen. Mit dem Geld solle ihre App weiter wachsen.

Poppenreiter betreibt mit Ohlala eine Plattform, auf der Männer Frauen finden, die sich gegen Bezahlung mit ihnen treffen möchten. „Paid Dating“ heißt diese Branche. Im Herbst solle die Token-Ausgabe beginnen, sagte Poppenreiter damals gegenüber Gründerszene – das wäre genau jetzt. Seitdem hat sich die Gründerin nicht mehr zu dem Thema geäußert.

Auf Nachfrage von Gründerszene sagte Poppenreiter nun, es werde erst einmal keinen öffentlichen Token-Sale bei Ohlala geben. „So gerne ich 100 Millionen Euro gleich morgen auf meinem Firmenkonto hätte: In den letzten Monaten habe ich realisiert, dass das nicht dem größeren Ziel dienen würde, einen nachhaltigen, globalen Mitspieler in der Paid-Dating-Industrie aufzubauen“, so die Gründerin schriftlich gegenüber Gründerszene.

In dem Schreiben wird deutlich: Selbst unter Startups, die sich ausführlich mit dem Thema ICO befassen, ist die Unsicherheit groß: Was bringt ein ICO eigentlich – und was sind die konkreten Vorteile gegenüber einer normalen Finanzierungsrunde?

Keine Verwendung für die Blockchain

Einen ICO habe man aus drei Gründen durchführen wollen, so Poppenreiter: um die Community am Unternehmen zu beteiligen, eine Stiftung zum Thema sexuelle Aufklärung zu gründen und Probleme des Produktes zu lösen. 

„In diesem Sommer habe ich realisiert, dass wir für Ohlala noch keinen legitimen Nutzen für die Blockchain haben“, schreibt die Gründerin. Man habe darüber nachgedacht, Nutzer ihre Dates mit „Smart Contracts“ besiegeln zu lassen. Aus ethischer Sicht sei das aber doch keine gute Idee: Die Nutzer müssten schließlich die Chance haben, ein Date auch kurzfristig abzusagen oder zu verlassen. „Sie müssen sagen können ,Nein, ich möchte nicht‘ – zu jeder Zeit.“ Nach Angaben der Gründerin hat Ohlala derzeit 110.000 Nutzer, davon sind 32.000 weiblich.  

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Neben Smart Contracts habe Ohlala die Ausgabe von Utility-Token in Betracht gezogen. Mit diesen Token könnten die Nutzer dann innerhalb der App bezahlen. Für Ohlala sei das allerdings nicht praktikabel, so Poppenreiter: Die User seien nicht zwangsläufig mit Kryptowährungen vertraut und könnten daher abspringen, wenn Token das neue Bezahlmittel auf der Plattform wären. „Als ich zuletzt auf einer Krypto-Konferenz war, fand ich heraus, dass keiner der Teilnehmer sein Ticket mit einer Kryptowährung bezahlt hatte. Wenn nicht einmal die Leute, die in dieser Branche arbeiten, in Kryptowährungen zahlen, sind wir noch weit entfernt davon, dass Nicht-Techies es tun.“

Als Alternative zum Utility-Token habe das Ohlala-Team die Ausgabe von Security-Token erwogen. Jeder, der deinen solchen Token erwerbe, hätte dann einen Anteil an Ohlala. „Aber dann stellt sich die Frage: Warum nutzen wir keinen normalen IPO?“, so Poppenreiter.

Genereller Abwärtstrend bei ICOs? 

Das Ohlala-Team scheint nicht das einzige zu sein, das derzeit von einem ICO absieht. Die weltweite ICO-Investmentsumme sank im Jahresverlauf drastisch: Im Januar nahmen Unternehmen insgesamt 2,4 Milliarden Dollar über Initial Coin Offerings ein, im September waren es weniger als 300 Millionen. ICOs können für die Anleger enorme Verlustgeschäfte sein: Wer sich etwa am ICO des Frankfurter Fintechs Savedroid beteiligte, verlor bis heute 93 Prozent seines Geldes. 

Poppenreiter sagt, auch die Art und Weise, wie andere Unternehmen ICOs durchführten, habe sie davon abgehalten, selbst einen zu machen. „So sehr Transparenz und Dezentralisierung in der Krypto-Szene auch zelebriert werden – ich habe in der Praxis bisher wenig davon gesehen.“ Sie habe im vergangenen Jahr das Gefühl gehabt, dass Leuten mit ICOs eher das Geld aus der Tasche gezogen worden sei, als dass sie tatsächlich Anteile an den Unternehmen bekommen hätten.  

Und wie geht es jetzt weiter?

Derzeit bereite man eine Finanzierungsrunde mit „Aspekten aus der VC-Welt und der Kryptoszene“ vor, sagt Poppenreiter. Das langfristige Ziel sei nach wie vor, 100 Millionen Euro einzusammeln. 

Im nächsten Jahr möchte die Gründerin mit Ohlala in drei europäische Länder expandieren, unter anderem stehe Österreich auf dem Plan. Des Weiteren wolle man Gespräche mit Apple aufnehmen, damit die Ohlala-App im Appstore gelistet wird. Derzeit ist das nicht der Fall, weil Apple keine Sex-Apps in seinem Store aufnimmt. Statt eine Stiftung zu gründen, investiere man Geld in eine Podcast-Serie zum Thema Sex und unterstütze Initiativen für sexuelle Aufklärung und Freiheit. Nebenbei ist Poppenreiter mit Schreiben beschäftigt: 2019 will sie ein Buch über ihre Erfahrungen bei der Gründung von Ohlala herausbringen.  

Bild: Pia Poppenreiter