Bringt Reiseanbieter ins Netz, wie damals Airbnb die Vermieter, Axel Schmiegelow

Axel Schmiegelow hat schon im Netz gearbeitet, da war Facebook noch ein Netzwerk für Studenten. In den 90ern gründete er mit Jörg Rheinboldt (der startete Alando mit den Samwer-Brüdern) die Digital-Agentur Denkwerk, leitete das Videoportal Sevenload und bringt seit 2012 mit iTravel das klassische Reisebüro ins Netz. Die Kölner Firma bietet ihren Kunden Individualreisen und Erlebnistouren wie etwa einen Ballonaufstieg über Angkor Wat oder Wandern durch den Regenwald. Die Beratung erfolgt am Telefon oder per Live-Chat.

Damit konkurriert Schmiegelows Unternehmen unter anderem mit Fineway oder Tourlane. Letzteres konnte vor kurzem den bekannten Investor Sequoia von sich überzeugen. iTravel setze aber deutlich mehr um, so Schmiegelow. Zuletzt war das ein Buchungsumsatz von 18 Millionen Euro. Wir haben den 46-jährigen Gründer zum Markt für Individualreisen befragt.

Herr Schmiegelow, es gibt unzählige Reiseangebote im Netz. Warum haben Sie vor Jahren ein Weiteres gegründet?

Das lag an der Frustration, wie engstirnig die klassische Touristik den Kunden gesehen hat. Sie teilt den Markt auf in reiche Kunden, die Luxusreisen machen, normale Kunden mit normalen Reisen und arme Kunden, die ein Hotel auf Mallorca buchen. Aber das ist zu primitiv.

Wie sieht die Realität aus?

Kunden wollen Auswahl und sind getrieben von Erlebnissen. Sie wollen auch mehr Flexibilität, um etwa ein paar Tage in einem Fünf-Sterne-Hotel auch mal mit einem Roadtrip oder Trekking zu verbinden, um Land und Leute kennenzulernen.

Sie bieten Individualreisen an. Wie individuell kann so eine Reise aus dem Netz sein?

Wirklich individuelle Reisen kann man nur anbieten, wenn man ein eigenes Buchungssystem hat und die lokalen Reiseveranstalter vor Ort anbindet. Das aufzubauen ist schwer, wir haben drei Jahre an unserem System gearbeitet, bevor wir auf Wachstum gegangen sind.

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Ihr Produkt sah früher anders aus: Kunden konnten Reisen in einer App per Drag and Drop komplett selbst zusammenbauen. Jetzt bieten Sie vorgefertigte und anpassbare Reisen sowie einen menschlichen Berater. Warum?

Investoren und Techies fanden unsere ursprüngliche Idee super. Aber die Kunden hatten Angst, dabei Fehler zu machen. Sie fühlen sich sicherer, wenn sie einen menschlichen Kontakt haben.

Den bieten Sie jetzt beispielsweise mit einem Experten am Telefon. Das ist nicht sehr digital.

Am Anfang haben die Kunden sehr viel telefoniert. Aber inzwischen ist das Medium der Wahl der Live-Chat. Kunden über 35 schreiben auch noch E-Mails.

Warum nimmt die Kommunikation per Chat zu?

Im Chat können Kunden sich am leichtesten artikulieren. Und die Kommunikation muss nicht besonders höflich oder ausführlich sein.

Bei Ihren Konkurrenten von Fineway sprechen Kunden mit einer Künstlichen Intelligenz, bei Tourlane mit menschlichen Beratern. Wie ist das bei Ihnen?

Wir bieten eine Mischung daraus. Kunden wollen nicht mit einem Roboter sprechen. Wir setzen bei uns KI ein, um den Buchungsprozess für unsere Berater effizienter zu gestalten. Etwa bei der Vorauswahl der Reisekomponenten für den Kunden.

 

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Was tut Ihre Künstliche Intelligenz genau?

Sie überprüft etwa, ob die Reisekomponenten, die wir dem Kunden anbieten, auch seinen Vorstellungen entsprechen. Wir stimmen dazu die Profile der Kunden und die Profile der Reise aufeinander ab und berücksichtigen dabei Informationen wie die Mediennutzung des Kunden, seine Reaktionen auf Reisevorschläge oder vergangene Reisen. Das vergleichen wir automatisiert mit unseren gesammelten Erfahrungswerten und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, dass Vorschläge zu unseren Kunden passen.

Wie kommen Sie an die Reisen, die Sie anbieten?

Die Reisen beziehen wir direkt aus dem jeweiligen Land. Wir haben eine eigene Produktabteilung, die nichts anderes macht als das Scouting der Reisen, den Einkauf oder die Verträge. Das Beziehungsmanagement zu den lokalen Anbietern – wie das Testen von Hotels – ist anfänglich ganz traditionell. Hinzu kommt, dass wir das, was diese Anbieter vorher per Fax gemacht haben, jetzt digital abbilden. Wir machen also die digitale Transformation für die letzte Meile der Touristik und bringen sie und ihr Buchungssystem ins Netz.

Wie überzeugt man Investoren davon? Dieser Prozess, Reiseanbieter ins Internet zu bringen, lässt sich ja nicht einfach automatisieren.

Das stimmt, aber am Ende läuft die Buchung dann automatisiert ab. Das hat Airbnb genauso gemacht. Sie haben Vermietern gezeigt, wie sie ihr Inventar ins Netz stellen und buchbar machen können. Wir machen das gleiche, für lokale Touren in Fernreiseländern.

Haben Sie Investoren also damit überzeugt, dass Airbnb funktioniert?

Investoren haben schon verstanden, was wir tun und wie es Wert schafft. Aber sie haben auch gesehen, dass es sehr aufwendig ist, die Software zu bauen und die Anbieter zu akquirieren. Das war bei den ersten Finanzierungsrunden eine Herausforderung. Inzwischen ist das leichter.

Schreibt Ihr Unternehmen schwarze Zahlen?

Wir verdienen seit 2015 mit jeder Buchung Geld. Insgesamt ist der operative touristische Betrieb seit dem vergangenen Geschäftsjahr, das im März endete, profitabel. Wir müssen also nicht mehr teuer ins Marketing investieren, um unwirtschaftliche Kundenakquisitionen zu decken. Das haben wir einigen Wettbewerbern voraus.

Sie hatten 2018 insgesamt 15.000 Buchungen. Wie viel Umsatz haben Sie damit gemacht? Wie hoch ist Ihre Marge, die bei Wettbewerbern bei bis zu 20 Prozent liegt?

Wir liegen bei der Marge im Schnitt bei 18 Prozent. Das ist für eine Online-Touristik-Buchung ziemlich gut – vor allem inklusive Flug. Der Warenkorb liegt bei uns je nach Segment bei durchschnittlich 2.800 bis 5.000 Euro. Im vergangenen Wirtschaftsjahr haben wir rund 18 Millionen Euro Buchungsumsatz gemacht.

Sie wollen damit mehr Umsatz gemacht haben als Ihre Wettbewerber. Woher wissen Sie das und auf welche Zahlen beziehen Sie sich?

In der Presse wurde kolportiert, dass Tourlane, unser Wettbewerber mit den höchsten Zahlen, einen Binnenumsatz von vier Millionen Euro hat. Da liegen wir definitiv deutlich drüber. Im Grunde ist das aber unwichtig, am Ende zählt nur, wer die profitabelste Wachstumsdynamik hat und wer die Wertschöpfungskette am besten abbildet.

Was ist also Ihr größter Wachstumtreiber: die Qualität und Anzahl der Reisen?

Das ist sehr wichtig, besonders in einem sehr volatilen Markt. Ein Ereignis – schlechtes Wetter, ein Attentat oder eine Krankheit wie Ebola – kann plötzlich eine ganze Urlaubsregion dichtmachen. Das ist ein Grundproblem der Touristik. Der Markt ist zudem sehr illoyal, deshalb muss man an einzigartigen Produkten arbeiten. Wer Hotels bietet, die es überall zu buchen gibt, hat keinen Vorteil, außer einen günstigen Preis. Das wäre kein nachhaltiges Wachstum. Wir setzen deshalb auf exklusive Reisen. Außerdem müssen Reisen nachhaltig sein, um der wachsenden Einsicht in die schädlichen Nebenwirkungen von Tourismus gerecht zu werden. Hier liegt für uns auch ein Schwerpunkt.

Durch Ihre Rolle als CEO reisen Sie wahrscheinlich häufig. Tun Sie das auch privat?

Ich reise super gerne und lerne neue Destinationen kennen. 2014 haben wir mit iTravel etwa Myanmar ins Programm genommen, kurz nachdem das Land für die Touristik geöffnet wurde. Das fand ich super spannend, zu erleben, wie sich das Land öffnet und verändert. Ich könnte ständig unterwegs sein, als nächstes steht Guyana auf dem Programm.

Sie testen also tatsächlich die Reisen Ihres Unternehmens?

Natürlich. Wenn man mit Leidenschaft ein Produkt für den Kunden machen will, dann muss man dafür eine eigene Anschauung haben. Dann muss man selbst fühlen, was der Kunde erlebt.

Bild: itravel