Kolibri-Chef Daniel Stammler im Büro des Berliner Erfolgsstartups

Dieser Artikel erschien zuerst am 8. Februar 2019. Seit heute ist bekannt, dass Kolibri Games an Ubisoft aus Düsseldorf verkauft wurde. Aus diesem Anlass haben wir den Artikel für Euch noch einmal auf unsere Startseite gehoben. Aktuelle Zahlen zum Umsatz gibt Kolibri Games auf Nachfrage von Gründerszene nicht heraus. Das Unternehmen beschäftigt heute 100 Mitarbeiter und das Spiel „Idle Miner Tycoon“ verzeichnet mittlerweile 104 Millionen Downloads. 

Millionen Menschen nehmen in der Bahn, an der Bushaltestelle oder auf der Toilette eine virtuelle Identität an: Die einer Comicfigur mit gelbem Bauarbeiterhelm, die eine Mine in einer virtuellen Berglandschaft besitzt und damit möglichst viel Geld scheffeln will. „Idle Miner Tycoon“ nennt sich dieses Smartphone-Spiel, das Janosch Sadowski und Daniel Stammler vor drei Jahren erfunden und mit ihrem Startup Fluffy Fairy Games auf den Markt gebracht haben.

Offenbar trafen sie damit einen Nerv. Zehn Millionen Nutzer verzeichnet Idle Miner Tycoon nach Angaben der Gründer monatlich, 70 Millionen Mal wurde das Spiel schon weltweit heruntergeladen. Bei dem zweiten Spiel der Firma, Idle Factory Tycoon, das Ende 2017 herauskam, sind es sieben Millionen. Für Sadowski und Stammler bedeutet jeder Nutzer bares Geld, denn dieser zahlt etwa für Spiele-Items und virtuelle Währung. 38 Millionen Euro setzte das Startup 2018 damit um, 2019 soll es „signifikant mehr“ werden, sagt Stammler. „Verdoppeln wäre schön.“

Profitabel sei das Geschäft seit Tag eins, sagen die Gründer, die noch keinen Cent Wagniskapital eingesammelt haben. Vergangenes Jahr äußerten sie gegenüber Gründerszene, sie setzten pro Tag bis zu 100.000 Euro um, die Hälfte davon sei Profit. Ganz so offen kommunizieren sie ihre Zahlen bei einem erneuten Gespräch in ihrem Berliner Büro nicht mehr. Die 2018 genannten Summen hätten sich „nicht ganz verdoppelt, aber fast“.

Der alte Startup-Name war zu witzig

Aus dem Startup mit dem Namen Fluffy Fairy Games ist innerhalb des vergangenen Jahres eine erwachsene Firma namens Kolibri geworden. „Fluffy Fairy Games war ein witziger Name für die Anfangszeit, aber er war weit weg von dem, was wir machen“, sagt Sadowski. „Ein Kolibri ist ja der kleine, agile, schnelle Vogel. Wir finden, das repräsentiert uns besser.“

Im schwarz gestrichenen Eingangsbereich des Büros prangt der neue Firmenname in großen, pinkfarbenen Lettern. Wer nach draußen blickt, kann nahezu ganz Berlin sehen: Das Kolibri-Office befindet sich im 16. Stock des ehemaligen Postbank-Hochhauses im Stadtteil Kreuzberg. In der Hauptstadt ist das Gebäude bekannt, weil Unternehmer Christoph Gröner hier Eigentumswohnungen einbauen wollte, dafür aber keine Erlaubnis vom Senat bekam. Stattdessen sitzen derzeit Unternehmen in dem 23-Geschosser, neben Kolibri etwa auch Sky. 

Die schwarz gestrichene Lobby des Kolibri-Büros mit Blick auf Berlin.
Die schwarz gestrichene Lobby des Kolibri-Büros mit Blick über Berlin.

Sadowski und Stammler suchen allerdings bereits neue Räumlichkeiten. 2021 müssen sie aus dem Postbank-Turm raus, dann soll hier saniert werden. „Als gute Schwaben bereiten wir uns natürlich jetzt schon vor“, sagt Stammler schmunzelnd. Außerdem wird es langsam zu eng: 95 Leute arbeiten derzeit für Kolibri, vergangenen Sommer waren es 60. „Mit dem Wachstum der Firma läuft auf einmal jemand morgens über den Gang, den wir noch nicht kennen, weil er von jemand anderem eingestellt wurde“, sagt Sadowski.

Obstbar, Teneriffa-Reisen – und ein Büro für alle 

Die Gründer bemühen sich, gute Arbeitgeber zu sein, das betonen sie mehrfach. So bieten sie ihrem Team Fortbildungen an und verreisen jährlich, vergangenes Jahr ging es gemeinsam nach Teneriffa. Jeden Morgen gibt es im Büro eine Bar mit geschnittenem Obst und Snacks, außerdem gekühlte Getränke und eine Leseecke. Gewöhnungsbedürftig dürfte vielen allerdings das Großraumbüro erscheinen, in dem alle knapp 100 Mitarbeiter gemeinsam sitzen – in absolutem Schweigen. Wer sprechen will, muss in einen Meetingraum wechseln. „Im Großraumbüro herrscht Bibliotheks-Flair, dadurch kann man sich extrem gut konzentrieren“, begründet Stammler die Entscheidung gegen kleinere Büros. Er und Sadowski arbeiten seit Tag eins im selben Raum, sie starteten Fluffy Fairy Games in ihrer gemeinsamen WG. Inzwischen wohnen beide mit ihren Partnerinnen zusammen in getrennten Wohnungen. „Das gehört wohl zur Professionalisierung dazu“, sagt Stammler – und schaut dabei ein bisschen wehmütig.

Bisher geht es mit dem Geschäft ausschließlich aufwärts – mehr Mitarbeiter, mehr Nutzer, mehr Umsatz. Ein Erfolg für die Gründer und die Startupszene. Doch Millionen mit Smartphone-Spielen zu scheffeln, ist durchaus kritisch zu betrachten. Die Nutzer sind oftmals noch Teenager oder Kinder, und sind die Kontodaten einmal hinterlegt, geben sie mit wenigen Klicks schnell Hunderte Euro für virtuelle Güter aus. Nur, um in dem Handy-Spiel voran zu kommen. Die Kolibri-Gründer sagen, das sei bei ihren Apps kein Problem. „Unsere Spiele sind aber auch nicht auf stundenlanges Daddeln ausgelegt“, meint Stammler. Der Suchtfaktor soll deswegen gering sein. Beschwere sich doch jemand, dass er oder sein Kind die Spiele-Items nur aus Versehen gekauft habe, gebe man ihm das Geld zurück. Außerdem biete Kolibri keine Gewaltspiele an, sondern „seichteres Entertainment“.

Ein Exit ist noch keine Option 

Stolz sind die Gründer auf das, was sie bisher erreicht haben, gesättigt aber noch längst nicht. „Wenn wir uns mit den Großen vergleichen wollen, Candy Crush zum Beispiel, haben wir noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns“, sagt Sadowski. Für 2019 haben sie sich vorgenommen, jede Woche ein Update für beide Spiele anzubieten. Ein drittes Spiel sei in Planung; dass es 2019 auf den Markt kommt, sei aber nicht sicher.

Schon jetzt hätten Kaufinteressenten bei ihnen angeklopft. Bisher lehnten sie alles ab. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, an dem wir eigenständig nichts mehr erreichen können“, meint Stammler. Er rechnet damit, noch lange Erfolg mit der Firma zu haben. Smartphone-Spiele kämen schon nicht so bald aus der Mode, schließlich hätten die Menschen schon immer gern gespielt. „Und wenn es Handys irgendwann nicht mehr gibt, wechseln wir eben auf ein neues Medium.“

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Bild: Kolibri