Christian Graf Brockdorff wurde im November als vorläufiger Insolvenzverwalter für Lesara bestellt.

Was passiert gerade beim lädierten Billig-Modehändler Lesara? Seit etwa drei Wochen durchläuft das Startup ein Regelinsolvenzverfahren. Bis Ende Januar hat das Team nun Zeit, wieder zahlungsfähig zu werden – danach werden die staatlichen Insolvenzgelder gestrichen. Zuletzt gaben sich die Gründer Roman Kirsch, Robin Müller und Matthias Wilrich betont optimistisch. Man sei „zuversichtlich, dass eine Sanierungslösung gelingen wird“, hieß es damals vom vorläufigen Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff. Er verwaltete vorher unter anderem die Insolvenz des Umzugsunternehmens Move24.

Wir haben bei dem Verwalter nachgefragt, womit Kunden jetzt rechnen müssen, die auf ihre Bestellungen warten, wie die Stimmung bei den Lesara-Mitarbeitern ist und wie die Verhandlungen mit Geldgebern laufen.

Herr Graf Brockdorff, vor einem Monat musste der Berliner Modehändler Lesara überraschend Insolvenz anmelden. Seitdem beschweren sich viele Kunden im Internet, dass bestellte Waren nicht ankommen. Wie ist der Stand?

Die Lesara-Kunden werden wieder pünktlich beliefert. Dass es in einer Insolvenzsituation zu Anfang Unterbrechungen gibt, ist ganz normal. Es war auch nur ein kleiner Teil der Kunden betroffen. Dem Restrukturierungs-Team aus Insolvenzverwaltung und Management ist es binnen weniger Tage gelungen, das operative Geschäft zu stabilisieren. Wir haben unter anderem ein Massedarlehen in erheblicher Höhe aufgenommen, um die erforderlichen Sicherheiten zu bieten. Seitdem kommen die Lieferungen wieder pünktlich an.

Wie lange kann Lesara das Geschäft noch betreiben?

Die Lager für das Weihnachtsgeschäft sind gut gefüllt. Bis Ende Januar haben wir genügend Ware, erst dann brauchen wir neues Geld, um neue Waren einzukaufen. Der Geschäftsbetrieb von Lesara läuft also in vollem Umfang weiter.

Die laufenden Kosten des Unternehmens sind hoch. Wie viel Geld verbrennt Lesara aktuell?

Wir erwirtschaften momentan Überschüsse, denn die Mitarbeiter werden bis Ende Januar über das Insolvenzgeld bezahlt.

Nach der Insolvenzanmeldung ist es für die Unternehmen wichtig, schnell zu handeln, weil sonst viele Mitarbeiter die Firma verlassen. Wie ist die Situation bei Lesara?

Die meisten Mitarbeiter stehen in dieser schweren Phase zum Unternehmen. Von Kündigungen in größerem Ausmaß ist mir nichts bekannt. Es kommt natürlich vor, dass einzelne Mitarbeiter in so einer Situation gehen. Das Team, das wir brauchen, ist aber da.

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Gleich nach der Insolvenzanmeldung gab es Hinweise, dass chinesische Lieferanten nicht bezahlt wurden. Wie viele offene Forderungen gibt es noch?

Die Waren sind weitestgehend bezahlt, und Rechnungen für neue Waren werden ebenfalls beglichen.

Wie laufen die Verhandlungen mit potentiellen Geldgebern?

Das Interesse potenzieller Investoren ist vorhanden. Bisher haben rund zehn mögliche Käufer Interesse an einer Beteiligung an Lesara bekundet. Darunter sind sowohl strategische als auch Finanzinvestoren, sowohl Neu- als auch Bestandsinvestoren.

Für viele in der Startupszene kam die Insolvenz von Lesara überraschend, selbst für einige der Gesellschafter. Was war der Grund dafür?

Soweit ich weiß, haben Investoren in Aussicht gestellte Mittel nicht an die Lesara AG gezahlt. Als Roman Kirsch gemerkt hat, dass nicht mehr genügend Mittel für die Begleichung der laufenden Rechnungen verfügbar waren, hat er – so wie gesetzlich vorgesehen – Insolvenz angemeldet. Der Aufsichtsrat wurde meines Wissens nach über den Insolvenzantrag informiert.

Es muss ja einen Grund gehabt haben, warum sie nicht mehr investieren wollten. Nach unseren Informationen gab es Spannungen zwischen Investoren und dem Lesara-Management.

Die Frage nach den Insolvenzursachen und anderen Sachverhalten, die in der Vergangenheit liegen, haben aus Sicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters zurzeit keine Priorität. Jetzt geht es zunächst einmal darum, das Unternehmen weiter zu stabilisieren und neue Investoren zu finden. Um die Vergangenheit kümmere ich mich anschließend.

Aus dem Umfeld des Unternehmens ist zu hören, dass Vorstand Roman Kirsch bei der vergangenen Finanzierungsrunde einen Teil seiner Anteile verkauft habe. Das bringt Unmut bei einigen Investoren, die meinen, er hätte Anfang des Jahres die Krise vorhersehen können.

Diese Frage ist nicht meine Sache, und ich werde sie deshalb auch nicht beantworten.

Das neue Logistikzentrum in Erfurt war für das junge Unternehmen eine große Investition. Wie läuft es mit diesem Vorhaben?

Mit dem Logistikzentrum ging es ja gerade erst los. Es gab wohl am Anfang Probleme mit der Logistiktechnik. Aber das sind alles Kinderkrankheiten, die bei einem solchen Großprojekt ganz normal sind. Die Auslieferungsprozesse funktionieren jetzt gut.

Für das Logistikzentrum waren Fördermittel des Landes zugesagt. In einem Interview sagte der Wirtschaftsminister von Thüringen, es sei erst wenig Geld geflossen. Steht Lesara die Millionen-Förderung denn zur Verfügung?

Wir haben beim Land Thüringen erreicht, dass die Förderbescheide nicht widerrufen wurden. Die Fördermittel werden vielmehr ins nächste Jahr verschoben. Die zuständigen Ministerien haben signalisiert, die Förderung bei einer Sanierung fortzuführen.

Lesara hat außerdem von der Sparkasse einen Kredit erhalten. Wie sieht es damit aus?

Wir sind gerade dabei, die Frage der gewährten Kredite gemeinsam mit der Sparkasse aufzuarbeiten.

Das Unternehmen hat erst Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet und wenige Tage später doch eine Planinsolvenz beantragt. Was ist der Grund?

Um einen stabilen Geschäftsbetrieb fortzuführen und parallel Investoren zu finden, müssen Entscheidungen schnell gefällt werden können. Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung hat das Management zwar mehr Handlungsspielraum. Allerdings kennen sich die Gläubiger mit der Eigenverwaltung nicht so gut aus und bevorzugen deshalb die Unterschrift eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Dies bietet den Lieferanten mehr Rechtssicherheit. Zudem sind wir bei unserem sehr ambitionierten Zeitplan schneller handlungsfähig.

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Bild: Möller PR