Da kann Bayern noch so schön sein; wenn der nächste Supermarkt erst in München ist, will niemand auf dem Land wohnen.
Da kann Bayern noch so schön sein – wenn der nächste Supermarkt erst in München ist, will niemand auf dem Land wohnen.

Johann Neugirg unterstützt ihn: „Die ganzen Geschäfte und Wirtshäuser haben zugemacht. Ich fände es gut, wenn er das Dorfleben bereichern würde.“ Theresa Heindl hat konkrete Anforderungen an ihn: „Ich fände es interessant, wenn er ein oder zwei Mal in der Woche kommt und in der Ortsmitte hält, damit man kurze Wege hat.“ Und auch Werner Prucker, Bürgermeister von der Gemeinde Reuth, ist von seiner  Sinnhaftigkeit überzeugt: „Man muss die Kartoffeln nicht erst nach Nürnberg fahren, um sie dann über den Markt in Erbendorf wieder zurückzubringen.“ 

Die Rede ist hier, auf dem Dorfplatz von Reuth, von einem mobilen Dorfladen. Die Zitate stammen aus einer Umfrage, die das Forschungsinstitut Fraunhofer auf dem Bürgerfest in dem oberbayerischen Dorf 2017 durchgeführt hat. Und tatsächlich könnten die Wünsche der dortigen Bürger bald Realität werden. Denn ab August soll ein zum Tante-Emma-Laden umfunktionierter Lkw die Nahversorgung in dem ländlichen Gebiet östlich von Bayreuth verbessern. 

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In einem Pilotprojekt will die Abteilung Supply-Chain-Services (SCS) des Fraunhofer Institut in 16 bayerischen Gemeinden eine digitale Plattform anbieten, auf der die Anwohner Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs aus der Region bestellen können. Die Gemeinden im Landkreis Tirschenreuth hatten sich zur sogenannten Steinwald-Allianz zusammengeschlossen und diese Idee entwickelt. In einer App sollen sie bald den aktuellen Standort des Lkw, die nächsten Abholstationen und ihre Bestellungen einsehen können. Und auch die Erzeuger vor Ort sollen von dem System profitieren. Sie können ihre Waren zum Lager des digitalen Dorfladens bringen oder sogar abholen lassen und ihre Produkte so vertreiben.

Der Lkw fährt nach einem festen Routenplan und kommt, ganz wie von Frau Heindl gewünscht, zwei Mal pro Woche in jedes der rund 25 teilnehmenden Dörfer. Die Kunden können ihre online bestelle Ware über Paydirekt zahlen, doch auch Spontankäufe am Lkw sind bar oder mit Karte möglich. 

Zunächst soll die Logistik für die Bestellungen der rund 40.000 Menschen im Liefergebiet noch von den Landwirten und Ladeninhabern selbst gesteuert werden. In Zukunft setzt Fraunhofer SCS aber auf Künstliche Intelligenz (KI), wie die Lebensmittelzeitung berichtet. Bis Januar wollen die Forscher aus Nürnberg demnach einen Algorithmus entwickeln, der die Bedarfe der Kunden berechnen kann. Zudem soll der Lkw mit Sensorentechnik von Fraunhofer ausgestattet werden, um die Einhaltung der Kühlkette besser zu gewährleisten. 

Projekte wie diese sind nötig, weil sich die Nahversorgung in vielen ländlichen Gebieten in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Wegen mangelnder Umsätze meiden große Handelsketten abgelegene Ortschaften. Eine Spirale aus dem Wegzug jüngerer Generationen, dem Wachstum urbaner Regionen und der Überalterung ländlicher Gebiete führt häufig dazu, dass Metzger, Bäcker oder kleine Supermärkte schließen müssen und Dörfer plötzlich ohne Einkaufsmöglichkeiten dastehen. Die Verbraucherzentrale des Landes Brandenburg hatte Anfang des Jahres die Angebote von damals aktiven Lieferdiensten zur Versorgung ländlicher Gebiete getestet und war zu dem Schluss gekommen, dass sie „keine alltagstaugliche Alternative“ darstellten. 

 

Bild: Getty Images / Arterra / Contributor