A16z-Partnerin Margit Wennmachers

Sie gilt als eine der wichtigsten Strippenzieherinnen des Silicon Valleys. Margit Wennmachers ist Partnerin bei Andreessen Horowitz (A16z) und führt die Marketinganstrengungen des bekannten VCs. Bevor sie in die höchste Tech-Riege aufstieg, führte sie ihre eigene Agentur The Outcast Agency durch mehrere Krisen bis zum Exit. Der Weg, den sie hinter sich hat, ist weit: Geboren wurde Wennmachers 1965 in einem Kaff nördlich von Aachen, als Tochter eines Schweinebauern.

Bereits in ihren Semesterferien hatte sie es nach Köln gezogen, wo sie Teilzeitjobs annahm. Schließlich holte sie ein Bekannter zu Ardent Computers in Köln: Von der Assistentin arbeitete sie sich bis zum Marketing Lead Europa hoch. „Dort habe ich auch meinen ersten Mann getroffen, wodurch ich eine Green Card erhalten habe. Das war schön.“ Und es brachte sie schließlich ins Valley, wo sie bis heute geblieben ist.

Wir trafen Wennmachers im A16z-Büro auf der Sand Hill Road im kalifornischen Palo Alto und sprachen mit ihr über ihre Gründung, A16z und das Image des Silicon Valley.

Margit, warum hast du eine Agentur gegründet?

Ich glaube, das ist genetisch veranlagt. Entweder willst du gründen oder nicht. Entweder willst du deinen eigenen Abdruck hinterlassen und selbst etwas aufbauen oder nicht. Es waren sehr belohnende Erfahrungen, denn es ist viel intensiver, wenn du das Ganze selbst trägst. Es bringt viel Spaß und Druck.

Hattest du Angst vor der Aufgabe?

Normalerweise hast du ja verschiedene Gefühle gleichzeitig und es ist die Frage, welches am Ende gewinnt. Ich denke, mein Kerntalent ist es, dass ich Dinge übersetzen kann. Damit meine ich nicht nur Sprachen, sondern vor allem die Übersetzung einer Sache von einem Publikum zum anderen. Außerdem fand die Tech-Szene spannend und liebe die Leute darin. Als dann 1995 der Betreiber des ersten Browsers Netscape an die Börse ging, gab es eine große Welle von Unternehmensgründungen, die ihre Geschäfte mit dem Internet aufbauen wollten. 1997 haben meine Mitgründerin Caryn Marooney und ich dann mit The Outcast Agency die passende Tech-Agentur gegründet.

Wie lief der Start?

Also, wir haben aus meinem Apartment heraus gegründet, das so groß war wie eine Briefmarke. Und in Caryns Zimmer in Berkley mit ihrem Hund, der nichts beigetragen hat (lacht). Der Pitch an unseren ersten Kunden ging etwa so: „Wenn wir euch nicht glücklich machen, dann existieren wir nicht. Denn ihr seid unser einziger Klient.“ Das Unternehmen, der Spesensoftware-Anbieter Extensity, war dann wirklich großzügig – und gab uns eine Chance.

Ihr seid auch durch einige Tech-Krisen gegangen.

Oh ja. Als die Blase 2008 geplatzt ist, mussten wir zwei Runden Entlassungen mitmachen. Das war sehr schmerzhaft. Wir hatten Outcast zwar 2005 bereits verkauft, aber das hatten wir nicht getan, um zu gehen. Den Job wollten wir trotzdem weiter machen. Unsere Kunden waren Amazon, Salesforce und so weiter, das war total interessante Arbeit.

Die Krisen habt ihr trotzdem überlebt. Was habt ihr richtig gemacht?

Wir waren gut darin, die richtigen Kunden auszuwählen. Wir haben vor allem darauf geachtet: Ist es jemand, der seine Branche anführt? Wird das Unternehmen die Branche umwälzen? Kann der CEO sein Unternehmen aufbauen und zum Erfolg führen? Wichtig war außerdem, ob wir etwas Sinnvolles zum Geschäft beitragen können – denn sonst ist es schwierig, für seine Arbeit Geld zu verlangen.

Interessante Kunden anzuziehen, hilft dann natürlich, Mitarbeiter zu halten. Denn sie wollen auf den spannenden Accounts arbeiten. Als Amazon das Kindle gelauncht hat, haben wir das beispielsweise begleitet. Heute ist das Recruiting viel schwieriger geworden, gerade für Agenturen, da sie mit den Startups mithalten müssen, die ihren Mitarbeitern Aktienoptionen bieten können.

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Warum habt ihr euch überhaupt dazu entschieden, Outcast zu verkaufen?

Entweder verkaufst du, oder du führst dein Unternehmen bis in alle Ewigkeiten und vererbst es deinen Kindern – wobei ich die längste Zeit kein Kind hatte. Meine Tochter ist elf. Jedenfalls war ich auf dem Trip, dass ich es für immer hätte machen können. Aber wir bekamen über die Jahre verschiedene Angebote von größeren Agenturen, da Outcast als führende Tech-Agentur galt. Und Tech wurde immer wichtiger. Viele Interessenten waren allerdings nur an unserer Klientenliste interessiert, was wiederum nicht unsere Vision war.

Jemand, der anders getickt hat, war Tim Dyson von Next15. Er wollte ein Netzwerk verschiedener Agenturen aufbauen. Das hat uns angesprochen, denn wir konnten unsere Agentur weiter nach unseren Vorstellungen leiten und gleichzeitig etwas Geld verdienen. Als wir dann 2005 verkauft haben, hatten wir etwa 100 Mitarbeiter und auch bereits die Dotcom-Blase überlebt. Es war die Idee meiner Mitgründerin, um etwas Geld für schlechte Tage beiseitelegen zu können.

Gerade rechtzeitig vor der nächsten Krise.

Naja, wir mussten uns schon noch unser Earn-out verdienen, Sister. (lacht) Tatsächlich aber war die Krise 2008 hart. Wir mussten zwei Runden Entlassungen machen, haben aber am Ende auch das überlebt.

Dann hast du Marc Andreessen und Ben Horowitz kennengelernt.

Genau, ich habe Ben und Marc direkt vor der Krise getroffen. Sie haben mich über meine Kunden und Pläne ausgefragt und ich wusste nicht, was ich davon halten soll. Ein paar Monate später traf ich sie wieder und da legten sie ihr Vorhaben offen: Sie wollten eine VC-Firma gründen und 300 Millionen US-Dollar raisen. Ich war skeptisch: Es war mitten in der Finanzkrise und zu zweit wollten sie 300 Millionen einsammeln? Marc sagte: „Lass uns doch bitte Erfolg annehmen, ok?“ Und tatsächlich haben sie es geschafft, in nur drei Monaten – Anfang 2009, auf der Höhe der Krise.

Wie bist du dann zu ihrem VC gekommen?

Ben und Marc wurden Kunden bei Outcast und ich habe sie vertreten. Wir haben sie auf das Titelbild von Fortune gebracht. Ein Jahr später versuchten sie dann, mich abzuwerben. Ich war zunächst ablehnend. Doch ich hatte bereits 14 Jahre lang bei Outcast gearbeitet. Ich liebte es, aber ich wusste auch, wie es geht. Aus dem Nichts eine Top-VC-Firma zu erschaffen – da war nicht klar, dass das auch funktioniert. Es sah also nach einer sehr interessanten Herausforderung aus. Und die beiden haben nicht den typischen „Oh, ich gehe Golf spielen“-VC-Lifestyle gelebt. Sie haben einfach immer gearbeitet. Ich hatte also den Eindruck, dass das etwas werden könnte.

Hinzu kam: Caryn und ich hatten bereits nach einer Person gesucht, die die alltäglichen Managementaufgaben übernehmen könnte, da wir das schon so lange gemacht haben. Es gab eine tolle Kandidatin, die gerade ihr drittes Kind bekommen hatte und bereit für eine neue Herausforderung war. Hätte sie nicht zugesagt, bezweifle ich, dass ich gegangen wäre.

Die meisten hätten nicht einmal eine Frau in Erwägung gezogen, die gerade ihr drittes Kind bekommen hat.

Ich glaube, du hast recht. Und ich glaube, das ist eine große Schande.

Du wurdest schon für Marcs Sekretärin gehalten. Passiert das oft?

Das war bei dem Besuch einer deutschen Delegation mit Philipp Rösler. Ein Teilnehmer sagte: „Es ist so schön, dass Herr Andreessen seine Sekretärin zu solchen Events mitbringt.“ (lacht) Ich denke, solche Vorkommnisse nimmt man am besten mit Humor, auch wenn solche Annahmen sicherlich nicht so schnell getroffen würden, wenn ich ein Mann wäre.

Denkst du, das Silicon Valley hat ein Image-Problem entwickelt?

Es gibt faire und unfaire Kritik. Das Silicon Valley ist ein wichtiges Machtzentrum geworden. Das stört andere, weil sie nicht mehr die Nummer eins sind. Die Tech-Firmen sind groß, sie beschäftigen viele Mitarbeiter und deswegen werden sie ganz genau beobachtet. Das ist in Ordnung, aber was sehr unfair ist, ist, dass Krisen bei Theranos oder Uber genommen werden und als beispielhaft für die Branche dargestellt werden. Ich bin seit 1991 im Silicon Valley und ich habe viele beschissene Dinge und schreckliches Verhalten gesehen, aber auch viele Erfolge und Beiträge. 90 Prozent der Menschen, die hier arbeiten, gehen jeden Tag ins Büro und wollen bei etwas mithelfen, das größer ist als sie selbst. Und sie arbeiten sehr hart daran. Und dann gibt es natürlich ein paar schlechte Akteure, die abstrahlen. Aber ich bin ein großer Fan davon, diese Leute loszuwerden.

A16z-Partnerin Margit Wennmachers

Unternehmen im Valley zeigen sich visionär und fortschrittlich. Wenn man dann aber hier herumläuft, sieht man viele gesellschaftliche Probleme und Armut. Es wirkt, als würden die Techies nicht mitbekommen, wen sie alles zurücklassen.

Ich weiß nicht, ob das ein faires Statement ist. Salesforce-Gründer Marc Benioffs Engagement beispielsweise ist unglaublich. Er hat ein ganzes Kinderkrankenhaus bauen lassen. Da soll mal jemand eine 20 Jahre alte Firma finden, die das auch gemacht hat. Beteiligen sich alle? Nein. Aber es haben auch noch nicht alle ihr Geld wieder reingeholt. Sie machen Umsätze, aber sie sind zum Beispiel noch nicht an der Börse.

Und es gibt bei dem Thema eine kognitive Dissonanz: Einerseits sagen die Leute: ,Oh, ihr behauptet, ihr wollt die Welt verändern, aber ihr entwickelt nur alberne Spielzeuge.‘ Andererseits sind wir offenbar so wichtig, dass wir jedes Problem, das der Menschheit bekannt ist, lösen sollen. Das passt nicht zusammen.

Was das Image angeht: Es würde dem Silicon Valley sicherlich helfen, seine Forderungen und Ansagen mit mehr Freundlichkeit auszusprechen. Ich werde da mein Bestes tun, um dazu beizutragen.

Schaust du dir noch die deutsche Tech-Szene an?

Ja, manchmal. Das Problem ist, dass viele Gründer in geografischen Grenzen denken. Das darfst du aber bei Technologie nicht. Wenn es wirklich groß werden soll, dann musst du weltweit denken. Als ich vor Jahren mal auf der DLD-Konferenz war, sagte ein Gründer mir, er wollte etwas für den deutschen Markt bauen. Das ist der Markt! (Sie tippt auf ihr Smartphone.) Du hast keine Wahl. Aber ich glaube, das hat sich sehr verändert.

Sollten deutsche Startups Andreessen Horowitz ansprechen?

Auf jeden Fall! Wir sind Open for Business. Wir haben keine Präferenzen, was das Herkunftsland, Geschlecht der Gründer oder sonst etwas angeht.

Wie unterscheidet ihr euch von anderen VCs auf der Sand Hill Road?

Wir sind ganz anders organisiert. Unser Unternehmen hat mit etwa 150 Mitarbeitern sehr viele für einen VC. A16z hat zehn General Partners, die Startups auswählen und investieren. Bei einem typischen VC bekommt ein Gründer nur einen GP – den, der das Investment leitet – und das, worin er gut ist: Produktstrategie, Recruiting, oder Ähnliches. Wir aber haben überlegt, in welchen Bereichen wir unseren Portfoliounternehmen helfen wollen und ein Expertenteam zusammengestellt, das sich auf dem Laufenden hält.

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Was bringt das genau?

Die Idee dahinter ist: Die Gründer bleiben die Entscheider über das Produkt und die Strategie. Sie bringen ja meist den technischen Hintergrund mit. Was sie nicht haben, sind bestimmte Fähigkeiten, um ein CEO zu sein: Kundennetzwerke kennen, alle wichtigen Rechtsanwaltskanzleien, solche Sachen. Und da helfen wir. Produkt-Genie zu sein, das kannst du wahrscheinlich nicht lernen. Ein Unternehmen zu führen, schon eher.

Du bist nun seit 7,5 Jahren bei A16z. Wird es wieder Zeit, zu wechseln?

Weißt du, es macht so viel Spaß, im Zentrum von Silicon Valley zu sein. Du triffst die besten Unternehmer, die dir ihre besten Ideen erzählen. Das hält dich jung, interessiert und neugierig. Damit zu konkurrieren, ist sehr schwierig.

In deinem Wikipedia-Eintrag steht, dass du versuchst, wieder einen deutschen Pass zu bekommen.

Das steht auf Wikipedia? Wie ist es denn dahin gekommen?

Das weiß ich nicht. Aber warum?

Weil meine Familie in Deutschland ist und meine Tochter einen deutschen Pass hat. Jetzt ist sie erst elf, aber wenn sie sich irgendwann mal dazu entscheiden sollte, nach Europa zu gehen, dann will ich in der Lage sein, mitzukommen. Ich habe jetzt die Hälfte meines Lebens in den USA und die Hälfte in Deutschland gelebt. Wer weiß, was kommt.

Du bist auf einer Farm in der Nähe von Aachen aufgewachsen. Wie hat sich das auf dein Leben ausgewirkt?

Ich habe noch nie jemanden getroffen, der auf einer Farm aufgewachsen ist und keine starke Arbeitsmoral hat. Tiere müssen jeden Tag essen, da gibt es keine Feiertage und keinen Urlaub. Ich erinnere mich daran, dass meine Mitgründerin eines Tages meinte: Sie und ihr Mann wollten sich irgendwann eine Ranch in Wyoming kaufen. Und ich sagte nur: Honey… Menschen romantisieren die Vorstellung, eine Farm zu haben. Das ist die schlimmste Karriere auf dem Planeten!

Heute lebst du von deinem Netzwerk.

Dabei bin ich introvertiert. Ich habe noch acht Meetings, heute Abend werde ich mit niemandem mehr reden wollen. Aber ich mag aber das Gefühl, von Nutzen zu sein und anderen Menschen unsere Arbeit zu erklären, für die das vielleicht wertvoll sein kann. Das ist eine wichtige Funktion, die ein sehr techiger Nerd nicht übernehmen würde. Wenn ich Networking höre, dann denke ich an eine Abendveranstaltung mit Menschen, die ein Glas Wein in der Hand halten. So etwas mache ich nicht. Ich will nach Hause zu meinem Kind und mit ihr zu Abend essen.

Bild: Outcast