Rasmus Rothe und Adrian Locher, die Gründer der Merantix AG, wollen 2021 in Berlin einen KI-Campus eröffnen. Bild: Merantix/Viktor Strasse
Rasmus Rothe (l.) und Adrian Locher, die Gründer der Merantix AG, wollen 2021 in Berlin einen KI-Campus eröffnen.

„Berlin hat alle Zutaten, die eine KI-Community braucht: Startups, Investoren, Forschung und Politik“, sagt Rasmus Rothe, Gründer des Venture Studios Merantix, das KI-Startups aufbaut. Nur eines fehlte bislang: ein Zuhause für die Community. Das wollen Rothe und sein Mitgründer Adrian Locher ändern. Sie planen, im Frühjahr 2021 auf 5.400 Quadratmetern am Nordbahnhof einen KI-Campus eröffnen. Die Bauarbeiten laufen auf Hochtouren. „Herz des Campus wird ein 700 Quadratmeter großer Connection Space für Meetings, Gedankenaustausch und auch die wichtigen spontanen Treffen in der Küche oder an der Kaffee-Bar“, sagt Adrian Locher.

Eigentlich suchte das schnell wachsende Startup Merantix nur ein größeres Büro, das sechste innerhalb von vier Jahren seit der Gründung. „Dann haben wir etwas gefunden, das zehn Mal so groß ist. Und so ist die Idee mit dem Campus entstanden“, erinnert sich Rothe.

Schon vier KI-Firmen gegründet

Merantix hat bereits mehrere KI-Unternehmen ausgegründet, die Brustkrebs-Screening-Plattform Vara, dann die Data-Management-Plattform für autonomes Fahren, Siasearch.  „Gerade haben wir zwei neue Firmen gegründet: Cambrium im Bereich synthetische Biologie und die Plattform Kausa, die Business Analytics automatisiert“, sagt Rothe. „Bei Cambrium geht es darum, Proteine zu entwerfen, welche als Bausteine zur Kreation von Biomaterialien mit neuartigen Eigenschaften verwendet werden können.“ Zusätzlich sind die Merantix Labs für das Projektgeschäft mit Konzernen zuständig.

„Wir schaffen es, solche Technologien zu entwickeln, weil es uns gelingt, multidisziplinäre Teams aufzubauen, die dann eine Lösung finden. Bei KI-Themen kommt immer eine Vielzahl von Disziplinen zusammen“, erläutert Locher das Venture-Studio-Modell. „Es funktioniert für uns sehr gut und stellt aus unserer Sicht auch die Zukunft für Deeptech-Investments in frühen Phasen dar.“

Teilen von Knowhow im Mittelpunkt

Der neue Campus könnte dieses Modell beschleunigen. „Er ist für uns die logische Verlängerung des Ökosystems der Merantix-Gruppe“, sagt Adrian Locher. „Es geht uns um das Teilen von Knowhow.“ Dadurch könnten die eigenen Ventures besser aufgebaut werden. „Diese Idee treiben wir mit dem Campus weiter, indem wir ihn für Startups, Machine-Learning-Teams in Konzernen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Forscher und Investoren öffnen“, ergänzt Rasmus Rothe. Auf keinen Fall wolle man als Coworking-Space verstanden werden, grenzt Rothe sein Angebot von anderen Angeboten ab. „Unser Fokus ist die Technologie.“

„Wir glauben an den Dialog sowohl bei technischen als auch bei Business-Themen“, umschreibt Adrian Locher das Campus-Konzept. „Wir wollen den offenen inhaltlicher Austausch mit anderen Startups, Mittelständlern und Großunternehmen, die mit dem Thema KI zu tun haben, ermöglichen und Gelegenheiten bieten, um miteinander Geschäfte zu machen“, sagt Rothe. 

Beifall für das Projekt gibt es aus der Politik: „Initiativen wie der AI Campus sind ideal, um all diese Akteure an einem physischen Ort zusammenzuführen und durch gemeinsame Projekte noch sichtbarer zu machen“, erklärte der Berliner Wirtschaftsstaatssekretär Christian Rickerts. Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SprinD), sagte: „Disruptive Lösungen entstehen dort, wo aktuellste Forschung auf kundenzentrierte Anwendungen treffen. Der AI Campus ist ein idealer Ort, um genau das zu ermöglichen und AI made in Europe dadurch voranzubringen.“

Merantix baut Community auf

Die Idee ist, dass Unternehmen sich für zwei oder drei Jahre auf dem Campus einmieten. „Jeder Mieter soll etwas beitragen, die Community entwickeln und auch die Möglichkeit haben, interne und externe Events zu veranstalten“, beschreibt Locher das Konzept. Zum Beispiel soll auf dem Campus die „Paper Discussion Group“, in der Merantix-Mitarbeiter Forschungsergebnisse diskutieren, öffentlich tagen. „Wenn jeder Mieter zwei oder drei Mal im Jahr etwas beisteuert, dann gibt es jede Woche neue interessante Inputs und viel Austausch.“

Momentan stellen die Gründer ihre Mieter zusammen. „In den vergangenen Wochen haben wir mit vielen Unternehmen in unserem Netzwerk gesprochen“, sagt Rothe.  Namen wollen die Gründer noch nicht nennen. „Wir sprechen mit allen KI-Startups in Berlin, mit zehn der 30 DAX-Unternehmen, mit einigen amerikanischen Tech-Companies und mit Mittelständlern.“

Büros im KI-Campus zum Selbstkostenpreis

Der KI-Campus ist für die Merantix-Gründer kein Geschäftsmodell. „Wir vermieten die Räume zum Selbstkostenpreis“, versichert Rothe, der zu den Initiatoren des KI-Bundesverbandes zählt und dessen Vorstand angehört. In Berlin sei alles sehr dezentral. Es gebe viele KI-Startups in der Stadt, viele Investoren und das KI-Forschungscluster Bifold der TU Berlin, das Berlin Institute for Foundations of Learning and Data. „Auch Google, Amazon und Zalando haben hier KI-Teams“. Vorteilhaft sei auch die Nähe zu Regierung und Ministerien als Regulatoren. Andere Städte hätten weniger Venture Capital, weniger Seriengründer, seien weiter vom Regulator entfernt und weniger englischsprachig als Berlin.

„In Deutschland und Europa haben wir eine hervorragende KI-Forschung und damit die besten Voraussetzungen für eine Umsetzung von KI. Was nicht so gut gelingt, ist der KI-Transfer – also Forschungsergebnisse anzuwenden. Dafür ist ein physischer Hub ein gutes Konzept, weil es so viele Stakeholder braucht“, sagt Adrian Locher. „Zwar arbeiten wir auch remote, weil wir konzentriert programmieren müssen. Wenn man aber etwas Neues aufbaut, hilft es, sich persönlich zu treffen.“ Dafür soll der neue Campus ein Platz sein.

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Bild: Merantix/Viktor Strasse