War 2017 in Shopping-Laune: Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Die deutschen Automobilhersteller (OEMs) und -zulieferer setzen stark auf Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle – und kaufen dafür neue Unternehmensanteile hinzu, statt digitales Knowhow im eigenen Haus aufzubauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Berylls Strategy Advisors. Für die Untersuchung hat die Münchner Unternehmensberatung rund 250 Fusionen und Übernahmen der Automobilwelt innerhalb Deutschlands, Österreich und der Schweiz ausgewertet.

2017 haben die drei großen Autohersteller Daimler, BMW und Volkswagen demnach insgesamt 132 Millionen Euro für Firmen aus dem Geschäftsfeld „Mobility Operations“ ausgegeben, weitere 91 Millionen für Engineering-Dienstleister und Software-Spezialisten. Darüber hinaus finanzieren sie Startups über ihre eigenen Venture-Capital-Fonds.

Daimler ist im Vergleich mit anderen OEMs laut Berylls führend bei Akquisitionen von Digitalfirmen und „investierte entlang der gesamten Mobilitätswertschöpfungskette.“ Die Stuttgarter haben im vergangenen Jahr Zukäufe in Höhe von rund 650 Millionen Euro in diesen Bereichen getätigt – so viel wie kein anderer deutscher Autobauer, heißt es in der Studie. Das meiste Geld floss demnach in AutoGravity, eine Vergleichsplattform für den Kauf und die Finanzierung von Autos, gefolgt von der Investition in das US-Ladenetzwerk ChargePoint und den französischen Fahrdienstvermittler Chauffeur Privée.

Deutsche Autobauer setzen unterschiedliche  Schwerpunkte

BMW konzentrierte sich laut der Untersuchung bei seinen Zukäufen indes auf die Themen Elektromobilität und automatisiertes Fahren. Der Münchner Autobauer beteiligte sich unter anderem mit GM und Toyota an Nauto, einem US-Startup, das mit Künstlicher Intelligenz den Straßenverkehr sicherer machen will. Daneben gab iVentures dem US-amerikanischen E-Bushersteller Proterra im Sommer dieses Jahres eine Finanzspritze, die genaue Höhe wurde nicht genannt.

Volkswagen steckte laut Berylls-Studie das meiste Geld in Mobility Operations, insbesondere in die eigene Unternehmenstochter Moia. Die Volkswagenmarke Audi übernahm zudem das Car-Rental-Startup Silvercars. An der Übernahme des auf Robotaxis und autonomes Fahren spezialisierten US-Unternehmen Auroa scheiterten die Wolfsburger dagegen, eine Kooperation besteht aber weiterhin.

Laut Berylls spielen die OEMs allerdings nur eine untergeordnete Rolle beim Fusions- und Übernahme-Geschehen. Insgesamt haben sie nur einen Anteil von acht Prozent an dem Markt. Die größte Käufergruppe seien mit 38 Prozent die Automobilzulieferer. Die drei großen deutschen Player Continental, Bosch und ZF übernahmen 2017 insgesamt neun Firmen aus den Bereichen E-Mobility, autonomes Fahren und digitale Geschäftsmodelle, darunter Experten für IT-Sicherheit, Big-Data-Analytics, Lidar Technology und Satelliten-Positionierungsdienste.

Überhitzt der Markt?

Die Anzahl der Firmenübernahmen im Mobility-Sektor werde 2018 und 2019 weiter steigen, prognostiziert Berylls. „Die liquiden Mittel der potenziellen Käufer sind hoch, die Finanzierungskosten nach wie vor sehr niedrig
und der Druck zu wachsen ist vor allem bei den Zulieferern ungebrochen stark“, kommentiert Jan Dannenberg, Partner bei Berylls Strategy Advisors. Er fügt hinzu: „Die Nachfrage nach attraktiven Übernahmekandidaten – nicht nur in der digitalen Welt – ist deutlich höher als das Angebot.“ Entsprechend erwarte er weiter steigende Preise. Gleichzeitig warnt er vor einer Überhitzung des Marktes: Vor allem OEMs und Zulieferer lechzten nach Innovationen, „jedoch (…) finden sie oft nicht die entsprechend ausgereiften Lösungen und Geschäftsmodelle, die sie dringend brauchen, um das Innovationstempo, das auch die Tech-Industrie vorgibt, halten zu können.“ Also würden sie weiter jagen – und weiter kaufen.

Bild: Getty Images / ERIC PIERMONT