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Wunderlist ist eine App für To-Do-Listen, die Microsoft für einen dreistelligen Millionenbetrag gekauft hat. Das Berliner Startup hat seine Mitarbeiter beteiligt.
Wunderlist ist eine App für To-Do-Listen, die Microsoft für einen dreistelligen Millionenbetrag gekauft hat. Das Berliner Startup hat seine Mitarbeiter an dem Exit-Erlös beteiligt.

Ein Fachbeitrag von Nikolas Samios, Gründer der Cooperativa Venture Group. Dieser Artikel erschien zuerst am 24. April 2019. Wir haben ihn aus Anlass der aktuellen Debatte um Mitarbeiterbeteiligungen erneut veröffentlicht.

Im Silicon Valley ist es selbstverständlich, in Europa gibt es wegen steuerrechtlicher Probleme zwischen den einzelnen Ländern derzeit eine Diskussion über die Frage: Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter zu Anteilseignern machen und sie somit an einem späteren Erfolg beteiligen? Denn das ist ein wirkungsvolles Instrument, um talentierte Angestellte zu finden. Doch wie lassen sich Mitarbeiter-Beteiligungs-Programme unter den geltenden deutschen Steuervorschriften am effektivsten gestalten?

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Mitarbeiter lassen sich auf unterschiedlichen Wegen am Erfolg eines Unternehmens beteiligen. Sie können zum Beispiel Tantieme, Sonderzahlungen, Aktienoptionen oder einen Anteil des Umsatzes bekommen. Der in der Startup-Welt übliche Weg ist es, die Mitarbeiter mit Unternehmensanteilen direkt partizipieren zu lassen, mit sogenannten Employee Stock Ownership Plans (ESOP).

Anteile statt Beratergehälter – Mitarbeiterbeteiligung ist für Startups essentiell

Gerade im zunehmenden Wettbewerb um gute Führungskräfte ist eine Beteiligung der Mitarbeiter an Erlösen eines Unternehmensverkaufs (Exit) unabdingbar. Weiterhin können durch die variable Vergütung, die an einen Exit gekoppelt ist, kurzfristig die Kosten gesenkt werden. Erfahrenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits etwas Geld auf dem Sparbuch haben, können dabei abwägen, ob sie statt 30.000 Euro mehr Jahresgehalt nicht lieber wirtschaftlich 0,25 Prozent an einer gerade mit zwölf Millionen Euro bewerteten Gesellschaft erhalten möchten.

Startups, die oft wenig Geld zur Verfügung haben, verlagern das Auszahlen von höheren Gehältern auf das Ausschütten von Exit-Erlösen zum Ende des Unternehmens-Lebenszyklus. Natürlich dienen die Beteiligungs-Programme auch als gute Möglichkeit, um Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und so einen Wechsel im Kernteam zu vermeiden. Sie haben darüber hinaus auch einen emotionalen Wert, da sich Mitarbeiter idealerweise als Mitunternehmer fühlen und entsprechend verhalten.

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Employee Stock Ownership Plans sind also in vielen Fällen sinnvoll, nur gestaltet sich ihre Einführung – anders als in den USA – in Deutschland und Europa als schwierig. Daher hat der Wagniskapitalgeber Index Ventures in Kooperation mit führenden europäischen Unternehmern die politische Initiative Not Optional gegründet.

Trotzdem ist es bereits heute möglich, Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Der Fachbeitrag zeigt, wie es funktioniert, mit folgenden Themen:

  • Mitarbeiter-Beteiligungs-Programme in der Praxis
  • der Unterschied zwischen ESOP, VSOP und Phantom Shares
  • Zahlen zum Einsatz von ESOP in deutschen Startups
  • Beispielverträge

Die steuerliche Situation in Deutschland hat stellt die Herausforderung an Unternehmen, dass die Ausgabe von Firmenanteilen an einen Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt der Einräumung ein Steuerereignis darstellt (Sachlohn).

Konkret heißt das: Im Januar 2019 erhält ein Mitarbeiter ein Prozent an einer Beispielgesellschaft – sagen wir: Horizontal Media GmbH – zu nominal einem Euro pro Anteil, um ihn am weiteren Wertzuwachs zu beteiligen. In diesem Fall wird ein Steuerprüfer diesen Vorgang als Einräumung eines sogenannten geldwerten Vorteils in Höhe von einem Prozent heranziehen. Mit einer Drittbewertung der Wagniskapitalgeber von beispielsweise zwölf Millionen Euro sind das 120.000 Euro. Diese 120.000 Euro sind dann als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu versteuern, was je nach Steuersatz vereinfacht einer Last von 60.000 Euro entsprechen kann.

Aus einem gut gemeinten Motivationspaket wird so also schnell eine bittere Pille, denn die 60.000 Euro sind zeitnah zu zahlen und nicht erst zum Exit-Zeitpunkt, zu dem ja erst Geld fließt, aus dem der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin die Steuerlast in der Regel erstmalig tragen könnte.

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Allerdings hat diese Sofortversteuerung auch einen Vorteil: Sollte der Unternehmenswert und damit auch der Wert der Anteile weiter steigern, stellt der Verkaufserlös bei einem Exit im Regelfall keinen Arbeitslohn mehr dar, sondern unterliegt den steuerlichen Regeln, die anfallen, wenn man Anteile an Kapitalgesellschaften verkauft. Die zusätzlichen Wertsteigerungen sind daher später nur mit einem Steuersatz von rund 27 Prozent zu versteuern und nicht wie beim Arbeitslohn mit bis zu rund 50 Prozent.

Ist die Bewertung bei Einräumung der Anteile noch überschaubar, kann es somit von Vorteil sein, auf dieser noch überschaubaren Bewertungsbasis das sogenannte Steuerereignis herbeizuführen und die Steuern zu zahlen. Trotzdem ist es oft das Konstruktionsziel der Beteiligungs-Programme, jede Liquiditätsbelastung zum Zeitpunkt der Einräumung zu vermeiden, somit also auf eine sogenannte Endbesteuerung hinzuwirken.

In dem Praxisbeispiel gehen wir von einem Startup aus, das lediglich in Deutschland ansässige Mitarbeiter beschäftigt und sich entsprechend keine Gedanken um das Steuerrecht anderer Staaten machen muss. Dies vereinfacht den Fall. 

Wie umgeht man eine sofortige Besteuerung bei Mitarbeiterbeteiligungs-Programmen?

Eine sofortige Besteuerung kann dadurch verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer zunächst nur eine Option auf den Erwerb von Anteilen eingeräumt wird. Im Regelfall führt erst die Ausübung der Option – meist der Exit – zur Entstehung des geldwerten Vorteils (in Höhe der Differenz zwischen dem vorher festgelegten Ausübungspreis und dem höheren Verkehrswert der Anteile).

Mit der Option kann somit das Versteuerungsereignis in die Zukunft geschoben werden, also zum Beispiel kurz vor oder nach dem Exit, denn zu diesem Zeitpunkt fließt Geld, aus dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Steuerlast begleichen können. Einer der gängigen Ansätze ist es, die Option so auszugestalten, dass der Optionsberechtigte (der Mitarbeiter) sie erst zum Zeitpunkt des (von ihm ja nicht steuerbaren) Exits ausüben kann.

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Diese Variante hat aber auch einen erheblichen Nachteil: Der geldwerte Vorteil wird berechnet, sobald die Option ausgeübt wird (meist der Verkauf). Bei steigenden Werten ergibt diese spätere Besteuerung regelmäßig eine höhere Steuerbelastung – im Vergleich zur sofortigen Anteilseinräumung.

Ähnliches gilt für die Einräumung von Ansprüchen auf eine Erlösbeteiligung, die sich an einem Exit-Erlös orientiert. Auch in diesem Fall kommt es erst bei Auszahlung zur Versteuerung des geldwerten Vorteils als Arbeitslohn, und zwar in Höhe des konkret ausgezahlten Betrags.

Allgemein gilt, dass das Programm stets mit Experten-Rat aufzusetzen ist, da eine unbeabsichtigte Anfangsbesteuerung die Beteiligten wirtschaftlich empfindlich treffen kann. Die Lektüre dieses Artikels ersetzt also nicht den Steuerberater.

So funktionieren Virtual Employee Stock Ownership Plans (VSOP)

Weiterhin wird in aller Regel davon abgesehen, mit „echten“ Firmenanteilen zu arbeiten. Unter echten Anteilen versteht man richtige, im Handelsregister eingetragene Anteile am Stammkapital der Gesellschaft. Dies hat mehrere, vor allem logistische Gründe.

Zum einen müssen auch die Optionen zum Erwerb von Anteilen gemäß dem GmbH-Gesetz zwingend notariell beglaubigt werden, da sie sonst ungültig sind. Weiterhin müssten „echte Beteiligte“ bei allen Vorgängen wie Gesellschafterbeschlüssen teilnehmen, was den Aufwand deutlich erhöht und auch ein Erpressungspotential mit sich bringt.

Zum anderen ist gegebenenfalls nicht gewünscht, allen Mitarbeitern die vollen Informationsrechte eines Gesellschafters zu gewähren. Außerdem ist auch der Rückfall von echten Anteilen nur in engeren Grenzen rechtlich möglich, als dies bei sogenannten virtuellen Anteilen der Fall ist.

Die Struktur ist daher eine virtuelle Beteiligung. Diese wird rein schuldrechtlich realisiert. In den Finanzierungsvereinbarungen mit den Investoren (Shareholder Agreement) gibt es dazu ergänzende Bedingungen sowie eine Zuteilungsvereinbarung für die einzelnen Mitarbeiter. Juristen sprechen dann gerne von Phantom Shares, Virtual Stock Options oder Stock Appreciation Rights. Gemeint ist immer, dass die echten Gesellschafter vereinbaren, einen gewissen Anteil von ihren Exit-Erlösen in einen virtuellen Topf zu werfen, an dem wiederum die beteiligten Mitarbeiter aus den Programmen partizipieren. 

Wie viele deutsche Startups beteiligen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Es stellt sich die Frage: Sind Mitarbeiterbeteiligungs-Programme in Form von ESOPs/VSOPs die Regel oder aufgrund der Steuervorschriften eher die Ausnahme? Anhand einer Stichprobe von 50 deutschen Startups aus allen Unternehmensphasen können wir ein deutliches Bild zeichnen: Fast Dreiviertel der Startups haben ein Mitarbeiterbeteiligungs-Programm installiert, in das in 80 Prozent der Fälle alle Gesellschafter pro-rata, also anteilig, einzahlen. Im Vergleich zum Silicon Valley fällt jedoch auf, dass der durchschnittliche Umfang der Programme mit 5,8 Prozent vom Stammkapital noch gering erscheint. In den USA sind 20 Prozent nicht unüblich.

Wo lassen sich Beispielverträge finden?

Die groben Eckpunkte der Mitarbeiterbeteiligung-Programme werden in der Regel im Shareholder Agreement im Rahmen einer Finanzierungsrunde festgelegt. Die Details der Regelung werden jedoch in ein getrenntes Dokument, den VSOP-Bedingungen, entkoppelt. Unter anderem aus dem Grund, da dieses Dokument auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die virtuell beteiligt werden, offengelegt werden muss. Sie sollen jedoch keinen Einblick in die gesamten Verträge mit den Investoren erhalten.

Idealerweise werden die Anteile im Anschluss der Finanzierungsrunde durch die Geschäftsführung zugeteilt – nach Zustimmung des Beirats mit einem entsprechenden VSOP-Zuteilungsschreiben. Ist kein Beirat vorhanden, müssen die Gesellschafter zustimmen. Die passenden Dokumente finden sich online zur freien Verwendung in unserem Beispiel-Vertragsset auf der Cooperativa-Homepage.

Dieser Beitrag erscheint in der Reihe Deal Terms auf Gründerszene, in der grundlegenden Aspekte eines Venture Deals erklärt werden. Der Autor Nikolas Samios, Managing Partner der Cooperativa Venture Group und des VC-Fonds Proptech1, ist Co-Autor des Fachbuchs Dealterms.VC.

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