Investor Peter Thiel gehört zur Paypal-Gang. Er startete den Bezahldienst mit Max Levchin und Elon Musk.

Sie sind als „Paypal-Mafia“ bekannt: rund zwei Dutzend Männer mittleren Alters. Sie alle arbeiteten einst bei dem Online-Bezahldienst – als Vorstandschef, Webdesigner, Produktmanager. Als Paypal im Herbst 2002 für 1,5 Milliarden Dollar an die Verkaufsplattform Ebay ging, trennten sich ihre Wege.

Viele gründeten neue Unternehmen, ausgestattet mit dem nötigen Kapital und besten Verbindungen: Linkedin, Palantir, SpaceX, Yelp, Youtube sind heute selbst milliardenschwer und gehen auf ehemalige Paypal-Mitarbeiter und -Gründer zurück.

Von einer Keimzelle für ein Startup-Geflecht dieser Größe träumen ehrgeizige Gründer und ambitionierte Standortpolitiker in Deutschland seit Jahren. Viel geschehen ist nicht. Zwar gibt es junge Unternehmen, die mehrere Milliarden Euro wert sind. Der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1, die Smartphone-Bank N26 und der Internet-Shop Zalando etwa gehören dazu.

Doch dass aus erfolgreichen Mitarbeitern der ersten Generation erfolgreiche Gründer der zweiten Generation werden, passiert bislang kaum. Das liegt auch daran, dass attraktive Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter fehlen. Deutsche Startups fühlen sich im Ringen um begehrte Software-Entwickler und Experten für Künstliche Intelligenz benachteiligt. Die Politik verspricht nun Besserung. Es geht dabei vor allem um Steuern.

Unternehmen behelfen sich mit „virtuellen Anteilen“

Wenn die Mitarbeiter eines Unternehmens in Deutschland mit echten Geschäftsanteilen bezahlt werden, müssen sie ihren geldwerten Vorteil direkt versteuern – mit dem persönlichen Einkommensteuersatz, der bei bei mehr als 40 Prozent liegen kann. In den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und anderen Ländern müssen Mitarbeiter erst dann Steuern auf diese Anteile zahlen, wenn sie sie verkaufen, also einen Gewinn erzielen. In Deutschland wäre das ein Satz von gut 25 Prozent.

Noch relevanter ist der unterschiedliche Zeitpunkt der Zahlung. Werden die Anteile direkt bei Zuteilung besteuert, stellt sich für Startup-Mitarbeiter schnell die Frage, mit welchem Geld sie die Forderungen des Finanzamts begleichen sollen. Das laufende Einkommen ist zwar oft ordentlich, reicht aber für zusätzliche Steuern auf vergünstigt erworbene Unternehmensanteile in der Regel nicht aus. Man spricht bei direkten Beteiligungen denn auch von einem „trockenen Einkommen“.

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Wie es besser gehen könnte, erklärt Johannes Reck, Gründer und Chef des Reiseportals Getyourguide: „Die Idee ist simpel: Unternehmer, Investoren und Mitarbeiter gehen gemeinsam ins Risiko und teilen den Zugewinn, wenn ein Unternehmen verkauft wird oder an die Börse geht.“ Während die Investoren ihr Kapital einsetzen, investieren die Unternehmer und Mitarbeiter ihre Zeit. „Das heißt konkret, dass beispielsweise ein Spezialist für künstliche Intelligenz eine gut bezahlte Anstellung bei Google oder Facebook aufgeben kann, um zu einem Startup zu wechseln, da er im Erfolgsfall entsprechend honoriert wird“, sagt Reck. Mithilfe dieses Honorars könnten dann auch in Deutschland neue Startups entstehen.

Bisher behelfen sich viele der jungen Unternehmen in Deutschland mit virtuellen Anteilen. Laut dem „Deutschen Startup Monitor 2019“ bietet jedes zweite Unternehmen ein Beteiligungsprogramm an, drei von vier davon geben virtuelle Anteile aus. Virtuelle Anteile sind im Grunde nur das Versprechen eines Bonus für den Fall, dass das Unternehmen irgendwann erfolgreich verkauft wird.

„Verschläft“ die Bundesregierung die Chance?

Da der Bonus erst später zufließt, fällt darauf auch erst später Lohnsteuer an. Der Nachteil ist, dass die Mitarbeiter niemals an dem Unternehmen direkt beteiligt sind. Sie haben also keine Gesellschafterrechte, verfügen im Fall eines Börsengangs über keine Aktien, die sie dann je nach Kursentwicklung verkaufen können. Viele Facebook-Mitarbeiter sind auf diese Weise nach dem Börsengang vor acht Jahren zu beachtlichem Wohlstand gekommen.

In der Politik ist das Thema mittlerweile angekommen. „Um die besten Köpfe zu gewinnen, benötigen die jungen Unternehmen zusätzlich bessere steuerliche Rahmenbedingungen“, sagt Andreas Pinkwart (FDP), Wirtschafts- und Digitalminister von Nordrhein-Westfalen. Bei den Gehältern könnten Startups mit etablierten Unternehmen nicht mithalten. Auch am führenden deutschen Startup-Standort Berlin gibt es Pläne.

„Ich setze mich dafür ein, dass Startups bessere Rahmenbedingungen für eine angemessene Entlohnung ihrer Teams erhalten“, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis 90/ Die Grünen). Mitarbeiterbeteiligungen seien ein guter Weg, um Startups im Wettbewerb um die besten innovativen Köpfe zu unterstützen. „Wir arbeiten an konkreten Maßnahmen und wollen diese mit den Länderkollegen diskutieren, um daraus ordentliche Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung abzuleiten“, so Pop. Die Bundesregierung verschlafe das Thema leider.

Maßnahmen sind Kritikern nicht genug

Tatsächlich sind die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung vielen Kritikern nicht genug. Im Herbst beschloss der Koalitionsausschuss, die steuerlichen Freibeträge für Kapitalbeteiligungen von 360 Euro auf 720 Euro zu verdoppeln. Das heißt, dass jeder Mitarbeiter künftig einen geldwerten Vorteil in Höhe von 720 Euro im Jahr steuerfrei einstreichen kann. In anderen europäischen Ländern dagegen liegen die Freibeträge längst deutlich höher, in Österreich sind es 3.000 Euro, in Großbritannien 3.500 Euro. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Pinkwart wertet die 720 Euro daher als halbherzig. Er verlangt für junge Unternehmen einen Sonderweg: „Die Landesregierung fordert eine kräftige Anhebung des Freibetrags auf 5.000 Euro jährlich für Startups.“

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Die Bundesregierung ist offenbar bereit, über solch einen Sonderweg zu sprechen. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstütze „die weitere Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Startups“, heißt es dort. Gespräche mit dem für Steuerfragen zuständigen Bundesfinanzministerium liefen. Auch dort kennt man die Forderungen der Startup-Branche: „Die Abmilderung der Steuerbelastung für trockenes Einkommen wird zurzeit geprüft“, teilt das Ministerium mit. Vielleicht kann in Deutschland doch irgendwann ein Startup-Geflecht wachsen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images / John Lamparski