Andreas von Estorff gründete in seiner Wahlheimat Barcelona. „Schönes Wetter, Meer und gute Tech-Talente“ hätten ihn dorthin gelockt, sagt er.
Andreas von Estorff gründete in seiner Wahlheimat Barcelona. „Schönes Wetter, Meer und gute Tech-Talente“ hätten ihn dorthin gelockt, sagt er.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 17. Januar 2020 und hat besonders viele Leserinnen und Leser interessiert:

Vor 30 Jahren studierte Andreas von Estorff Maschinenbau in Aachen. Heute leitet er von Barcelona aus eine internationale Modelmanagement-Plattform. Wie es zu diesem 180-Grad-Schwenk kam? „Durch meine Frau“, sagt von Estorff im Gespräch mit Gründerszene.

Seine Partnerin, damals als professionelles Model tätig, lernte er in den Neunzigerjahren kennen und begleitete sie zu Jobs auf der ganzen Welt. Die millionenschwere Industrie faszinierte ihn: „Ich war kein Model und kein Fotograf, aber ich wollte auch etwas zu der Branche beitragen.“ Ab den früher 2000er-Jahren entwickelte er Software, mit der Modelagenturen ihre Prozesse digitalisieren konnten. Seine Vision: Die ganze Branche sollte digitaler werden, vor allem aber transparenter für die Models. Die seien oft nämlich stark von den Agenturen abhängig gewesen, sagt von Estorff. Die Firmen suchten die Jobs für ihre Models aus, verhandelten in ihrem Namen über Verträge und Preise.

Model-Business ohne Agenturen

Mit seinem Startup will von Estorff das ändern. Modelmanagement, so der simple Name der 2017 gegründeten Firma, sei „ein Airbnb für die Modebranche“. Damit meint er, dass sich Auftragnehmer, also Models, und Auftraggeber wie Unternehmen, Fotografen und Modemarken, darüber austauschen und direkt Verträge miteinander schließen können. Alles online und ohne das Mitwirken einer Agentur.

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Modelmanagement ist allerdings nicht der einzige Player, der die Branche digitalisieren will. Ein Wettbewerber ist das Londoner Startup Ubooker. Vor zwei Jahren schluckte die Firma das Berliner Jungunternehmen Inselberg, das über seine Plattform ebenfalls Models vermittelte. Die Marke Inselberg ging danach in Ubooker auf. Das Unternehmen richtet sich vorrangig an professionelle Models – von Estorff verfolgt einen anderen Ansatz.

„Der Typ ,Heidi Klum‘ funktioniert nicht mehr so gut“

Von den 1,1 Millionen Models, die derzeit auf seiner Plattform registriert seien, seien nur zehn Prozent professionelle Models, so von Estorff. Der Rest habe „einfach Spaß, vor der Kamera zu stehen“ und nutze die Modeljobs, um sich Geld dazu zu verdienen, meint er. Vorgaben gebe es für die Models außer dem Mindestalter von 16 Jahren keine: Plus Size, ältere Leute, Personen mit Tattoos und Bart – diese Typen lägen im Trend, sagt von Estorff. „Der superschöne Mann mit Sixpack oder die blonde Frau Typ ,Heidi Klum‘ funktionieren nicht mehr so gut.“

Auf Auftraggeberseite sind die Vorgaben deutlich strenger. Von allen Unternehmen, die Jobs auf der Plattform inserieren möchten, würden nur fünf bis zehn Prozent akzeptiert, sagt von Estorff. 200.000 Firmen haben es nach seiner Aussage bisher auf die Plattform geschafft, darunter Konzerne wie BMW und Nike. Bewerber müssen eine professionelle Webseite haben, das Startup verlange auch mal den Personalausweis des Geschäftsführers. „Wir wollen die Models nicht auf Leute loslassen, die anderes im Kopf haben als ein seriöses Shooting“, so der Gründer, dessen drei Töchter ebenfalls modeln.

Die Models schützen – das ist auch an anderer Stelle von Estorffs Ziel. Nämlich dann, wenn es um die Modelverträge geht. Gerade Branchenneulinge wüssten nicht, dass sie darauf achten müssen, welche Rechte sie dem Auftraggeber einräumen. Ob er die Aufnahmen nur in Deutschland oder international verwenden darf, zum Beispiel. Oder, dass er die Fotos nicht zweckentfremden darf, etwa für pornografische Inhalte oder Viagra-Werbung. Das komme nicht selten vor, sagt von Estorff. Auf seiner Plattform können sich die Models daher an vorgefertigten Verträgen bedienen, in denen Punkte wie diese festgehalten sind. 

100 Millionen Euro Umsatz in drei Jahren 

Die Preise legen bei Modelmanagement die Auftraggeber fest – noch, denn in Zukunft will von Estorff die Summen vereinheitlichen. Die Firmen geben genau an, was sie suchen – etwa „morgen Nachmittag brauchen wir eine dunkelhaarige Frau in Berlin für einen Spot, der in Deutschland ausgestrahlt wird“ –, und, was sie dafür bezahlen. Im Schnitt sind das laut von Estorff 200 bis 300 Euro pro Shooting. Dank eines Algorithmus wird dieser Job nun allen passenden und verfügbaren Models angezeigt. Sagt ihnen die Ausschreibung zu, können sie sich darauf bewerben; der Kunde kann sich anschließend seine Favoriten aussuchen.

Geld verdient das Startup, indem es von den Auftraggebern eine Transaktionsgebühr in Höhe von zehn Prozent des Modelgehalts nimmt. Außerdem können sich Models und Auftraggeber für zehn Euro im Monat einen Premium-Account zulegen. Damit werden sie beispielsweise in den Suchergebnissen weiter oben angezeigt. 2018 habe man siebenstellige Umsätze erzielt, sagt von Estorff – aktuellere Zahlen nennt er nicht. Seine Kernmärkte seien die USA, Großbritannien und Deutschland.

Nach knapp zwei Jahren Boostrapping nahm der Gründer Mitte 2019 das erste Mal fremdes Geld auf. 20 Business Angels beteiligten sich an der siebenstelligen Seed-Runde, darunter die erfahrenen Investoren Cornelius Boersch und Heiko Rauch. Jetzt hat von Estorff ambitionierte Ziele: „Wir wollen die weltweit führende Plattform in dieser Branche werden“, sagt er. Bis zu 100 Milllionen Euro Umsatz in den nächsten drei Jahren hält er für realistisch. Insgesamt 50 Millionen Models und Unternehmen möchte er dann auf Modelmanagement versammelt haben.

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Bild: Modelmanagement