Sand aus der eigenen Region können Bauunternehmer aus Dubai nicht nutzen. Den müssen sie exportieren.

Ägypten, Kuwait, Saudi-Arabien: Helmut Rosenlöcher hat in den vergangenen Wochen einen regelrechten Reisemarathon absolviert. Der 72-Jährige Chemiker hat sich als CTO des Münchner Startups Multicon potenziellen Investoren vorgestellt. Die 2016 gegründete Firma will die Sandknappheit beenden. Rosenlöcher hat ein Verfahren entwickelt, das es erlaubt, feinkörnigen Sand auch als Baustoff zu verwenden – was sonst nicht möglich ist. 

Die höchstens zwei Millimeter großen Quarzkörnchen sind nach Wasser der weltweit am meisten konsumierte natürliche Rohstoff. Sand steckt nicht nur in Häusern, sondern beispielsweise auch in Glas, Kosmetika, Zahnpasta oder Flugzeugen. Laut dem UN-Umweltprogramm hat sich die Masse an Sand, die weltweit gebraucht wird, in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Blickt man sich um, scheint Sand im Überfluss vorhanden zu sein: Er lagert an Stränden, Meeresböden und Wüsten.

Das Problem: Wüstensand ist für die Herstellung von Beton nicht geeignet. Die Körner sind vom Wind glatt und rund geschliffen. „Baufirmen benötigen jedoch Sand mit Ecken und Kanten, die sich verhaken und haften“, erklärt Rosenlöcher im Gespräch mit Gründerszene. Das führt dazu, dass gerade den Staaten am Persischen Golf der Sand für ihre milliardenteuren Bauvorhaben ausgeht. Für den Bau des derzeit höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai, wurde beispielsweise Sand aus Australien verwendet.

Der aus Ostdeutschland stammende Rosenlöcher beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Beton. Einst führte er in Sachsen-Anhalt ein Betonwerk. Ursprünglich hatte sich der Chemiker zum Ziel gesetzt, den Anteil des teuren Zements zu reduzieren. So entwickelte er ein sogenanntes Suspensionsverfahren. In einer Art Hochgeschwindigkeitsmischer mit tausend Umdrehungen pro Minute wird Zement mit Wasser, Kies und Sand gemischt. „Da sich die Eigenschaften des Zements dabei ändern, ist weniger davon nötig, um Sand und Kies zusammenzuhalten“, erklärt der Unternehmer. Und zwar bis zu 40 Prozent weniger. Den eingesparten Zement nutzt Multicon nun, um das Sandkörner-Problem zu lösen. „Wir malen den Wüstensand zunächst zu feinem Staub“, sagt er. Anschließend werde das Pulver mit Zement als Bindemittel gemischt – das geschieht wieder im Hochgeschwindigkeitsmischer. Dadurch entstehe ein Granulat, das als Bausandersatz verwendet werden könne.

Helmut Rosenlöcher hat das Verfahren für Multicon entwickelt.

Das Verfahren habe Multicon bereits patentieren lassen. „Es kann aus unserer Sicht problemlos zur Betonherstellung in Wüstenregionen verwendet werden“, sagt Forschungsleiterin Barbara Leydolph vom Institut für Angewandte Bauforschung in Weimar. Zusammen mit einem Industriemaschinenhersteller habe Multicon bereits ein Gerät entwickelt, das im chinesischen Shanghai Bausand produziert, so der CTO. „Nun liegt auch ein erster Auftrag aus dem Nahen Osten vor“, sagt Rosenlöcher. Den Namen des Kunden nennt er allerdings nicht. Zu den Kosten für die Maschine macht Multicon ebenfalls keine Angaben. 

Auch andere Unternehmen arbeiten an dem Problem. Das Thüringer Unternehmen Polycare hat ein System entwickelt, um vorgeformte Bausteine aus Sand oder Schutt zu gießen. Die Firma verwendet dazu Polyesterharz als Bindemittel, um einen sogenannten Polymerbeton herzustellen. 

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Rosenlöcher und Multicon-Chef Leopold Halser sind sich sicher, dass ihr Verfahren eine breite Anwendung finden kann, vor allem in Wüstenländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Deutschland gibt es ausreichend Bausand, doch wird es laut des Unternehmerverbandes Mineralische Rohstoffe „immer schwieriger, neue Abbaufelder zu erschließen“. Genehmigungsverfahren für eine neue Grube würden inzwischen zehn Jahre dauern. Die nutzbaren Flächen seien unter anderem durch Naturschutzgebiete, Wohnbebauung oder Windparks begrenzt. Das führt dazu, dass eine Tonne Sand im Großraum München inzwischen etwa 15 Euro kostet, während sie in Leipzig für sieben Euro zu haben ist. Ob sich Neuentwicklungen wie von Multicon durchsetzen, wird am Ende vor allem eine Frage der Preisentwicklung sein.

Bild: Francesco Bittichesu / Getty Images