Spotify-CEO Daniel Ek

Fernsehen ist out. Musik auf CDs zu hören ebenso. Immer mehr Menschen streamen, besorgen sich also Filme oder Lieder über das Internet. Die Daten werden dabei in dem Moment in einem konstanten Strom übertragen, in dem sie konsumiert werden. Der Videostreaming-Dienst Netflix hat damit seit Jahren großen Erfolg. Sein Aktienkurs hat sich in den vergangenen drei Jahren verfünffacht.

Nun will der Musikstreamingdienst Spotify an die Börse. Heute sollen die Aktien erstmals in New York gehandelt werden, und mancher hofft dabei auf ein zweites Netflix. Doch auf Seite 15 des formellen Börsenprospekts, den Spotify bei der Börsenaufsicht SEC hinterlegt hat, steht ein Satz, den potenzielle Investoren genau lesen sollten: „Wir sind von Lizenzen Dritter für Musikaufnahmen und Kompositionen abhängig, und eine ungünstige Veränderung, ein Verlust oder ein Widerruf dieser Lizenzen könnte unser Geschäft, unseren Gewinn und unsere Liquidität negativ beeinflussen.“

Dieser Satz ist entscheidend für die Gewinnaussichten von Spotify. Denn während Netflix seine Video-Inhalte bei Dutzenden verschiedenen Pay-TV-Sendern, Hollywoodstudios und unabhängigen Produzenten zusammenkauft sowie selbst Serien und sogar ganze Filme mit Starbesetzung drehen lässt, ist Spotify völlig abhängig von drei großen Musikunternehmen.

Sony Music Entertainment, Universal Music und die Warner Music Group halten zusammen fast 80 Prozent aller Rechte der auf Spotify gestreamten Songs. Sollte auch nur einer der drei Musik-Riesen seinen Katalog von Spotify abziehen, wäre das für die Schweden eine mittlere Katastrophe.

Für die Musikkonzerne ist Spotify ein Selbstschutz

Umgekehrt allerdings sind auch die Musikunternehmen von Spotify abhängig: Die neuesten Zahlen des US-Musikindustrieverbands RIAA von Ende März zeigen, dass Streaming-Abonnements mittlerweile das einzige Marktsegment ausmachen, das noch wächst – um über 60 Prozent im vergangenen Jahr. Über 65 Prozent aller Einnahmen kommen mittlerweile von Streamingdiensten, nur 15 Prozent vom Online-Verkauf digitaler Tracks, die Apple einst mit iTunes populär machte. Selbst klassische Vinylplatten und CDs bringen wieder mehr Geld ein als Downloads.

Zwar hat Spotify mit Apple und Amazon zwei mächtige Konkurrenten im weltweiten Streaminggeschäft, die es sich – anders als die Schweden – leisten können, jahrelang rote Zahlen zu schreiben. Doch noch liegt Spotify weltweit vorn: Aktuell haben die Skandinavier 76 Millionen zahlende Kunden, mehr als seine Rivalen. Hinzu kommen über 95 Millionen Nutzer, die nicht zahlen und sich dafür regelmäßig Werbespots anhören.

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Für die Musikkonzerne ist es daher Selbstschutz, Spotify am Leben und gesund zu erhalten. Die Giganten Apple und Amazon wären ohne den Konkurrenten in einer deutlich stärkeren Verhandlungsposition. Auch deswegen konnte Spotify Anfang 2017 neue Lizenzverträge abschließen, in denen sich Sony, Warner und Universal langfristig verpflichteten. Im Gegenzug gestand Spotify zähneknirschend zu, seinen Umsonst-Nutzern im rein werbefinanzierten Stream das Anhören bestimmter Hits nur begrenzt oft zu erlauben.

Entscheidendes Detail im Vergleich zu Netflix

Doch auch diese Verträge ändern nichts daran, dass die Schweden immer nur genau so viel Geld pro Nutzer verdienen werden, wie es ihnen die Musik-Riesen zugestehen: genug, um im Geschäft zu bleiben, zu wenig wohl, um den Aktienkurs in kurzer Zeit zu verfünffachen. Denn die Musik-Lizenzverträge unterscheiden sich in einem entscheidenden Detail von den Verträgen, die Netflix abschließt.

Während Netflix für die Videostreamingrechte an seinem Filmportfolio in einem bestimmten Land eine fixe Summe bezahlt und dann, sobald die Abo-Einnahmen diese Summe übersteigen, mit jedem neuen Nutzer Gewinn in Höhe der Abo-Gebühr macht, muss Spotify für die Musikrechte pro Nutzer oder pro gestreamtem Song bezahlen. Die genauen Details der Verträge sind zwar geheim, doch die Zahlen aus dem Börsenprospekt zeigen, dass Spotify trotz des Wachstums der vergangenen Monate vor allem aufgrund hoher Kapitalkosten weiterhin Verlust schreibt.

Die Marge pro Nutzer im operativen Geschäft bleibt daher fast gleich, egal wie viele Abonnenten Spotify gewinnt. Gut 21 Prozent beträgt die Spanne zwischen Abo-Einnahme und Lizenzgebühr bei jedem zahlenden Nutzer, weit entfernt vom selbst definierten Ziel von über 30 Prozent. Die Schweden konnten ihren Gewinn vor Kapitalkosten zwar zuletzt steigern. Doch ein Vorstoß in die Gewinn-Dimensionen des großen Vorbilds ist unwahrscheinlich.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Spotify