Nina Faulhaber (32) spricht mit ihren 30 Mitarbeitern offen über Social Freezing

Im vergangenen Sommer haben mein Freund und ich uns getrennt. Achteinhalb Jahre waren wir zusammen. Später im Jahr bekam ich eine Diagnose von meiner Ärztin: Mein AMH-Wert sei für mein Alter sehr niedrig. Grob bedeutet das, dass ich wenige Eizellen produziere und wahrscheinlich früher als gewöhnlich in die Menopause kommen werde. Meine Ärztin riet mir: „Wenn du Kinder möchtest, dann lieber sofort.“ Und ich dachte nur: „Ich möchte irgendwann Kinder, aber kurzfristig steht das leider nicht auf dem Programm.“ Außerdem habe ich ein Startup und ein Team mit 30 Mitarbeitern, das ich führe.

Meine Diagnose hat mich zuerst sehr traurig gemacht. Ich habe mich noch am Tag des Gesprächs mit meiner Ärztin für Social Freezing entschieden. Ich wollte also Eizellen von mir einfrieren lassen, die ich dann in Zukunft – hoffentlich mit Partner – künstlich befruchten lassen kann, um auch in einigen Jahren noch ein Kind bekommen zu können.

Ich habe viel über meine Rolle als Gründerin nachgedacht

Ich bin 32 Jahre alt, meine Firma Aday habe ich vor fünf Jahren gegründet. Mein Ziel war immer, Kinder mit Mitte 30 zu bekommen. Hätte ich vorher von dieser Diagnose gewusst, hätte ich ein paar Dinge anders geplant und wäre Social Freezing viel früher angegangen. Deswegen gehe ich nun offen damit um: Knowledge is power – und ich möchte, dass so viele Frauen wie möglich davon erfahren, damit sie früher als ich ihre Werte testen lassen. Einfach um sicherzugehen, dass alles okay ist. Am besten mit Ende 20.

In der Vergangenheit habe ich als Chefin nicht häufig über mein Privatleben gesprochen. Auf Instagram habe ich zwar ein öffentliches Profil, es dreht sich aber alles um meinen Beruf. Mit meiner Diagnose und meiner Entscheidung für Social Freezing handhabe ich es anders. Ich habe in einem Meeting vor meinem gesamten Team darüber gesprochen. Das war mir sehr wichtig. 95 Prozent meines Teams sind Frauen, viele davon sind Mitte und Ende 20, und sie sollen unbedingt mehr über dieses Thema erfahren.

Ich habe in dem Prozess auch häufig über meine Rolle als Gründerin und Führungskraft nachgedacht: Was mache ich künftig, wenn eine Mitarbeiterin sich für Social Freezing oder eine künstliche Befruchtung entscheidet? Oder ein Kind adoptieren möchte? Wie werden wir sie unterstützen? Meine Mitgründerin und ich arbeiten gerade an Leitlinien für unser Unternehmen.

Mehrere meiner Freundinnen haben schon Eizellen einfrieren lassen

In New York kennen wir den Begriff Social Freezing nicht, den haben offenbar die Deutschen erfunden. Wir nennen es einfach Egg Freezing. In meinem Bekanntenkreis hier in den USA wird offen über das Thema gesprochen. Dazu hat auch die Debatte um Facebook und Google beigetragen, weil diese Firmen die Kosten der Behandlung übernehmen. Mehrere meiner Freundinnen haben schon Eizellen einfrieren lassen oder haben es vor. Keine von ihnen hat es gemacht, um schneller Karriere ohne Kinder machen zu können. Die meisten haben bisher schlichtweg nicht den richtigen Partner gefunden.

In Deutschland scheinen Frauen nicht ganz so offen über das Thema zu sprechen. Zumindest habe ich nur mit Mühe gute Infos und Ansprechpartner in Berlin und Frankfurt gefunden. Der Vorteil: In Deutschland ist Social Freezing sehr viel günstiger als in den USA.

Ich möchte das nicht fünfmal machen müssen

Ich habe mich dennoch für die Behandlung in den USA entschieden, weil ich mein Team nicht über mehrere Wochen alleine lassen kann. Blöd ist: Die Behandlung in New York ist nicht günstig – zumal ich mir in mehreren Runden Eizellen entnehmen lassen muss, weil ich eben nur sehr wenige produziere und Patientinnen üblicherweise rund 15 bis 20 Eizellen einfrieren lassen. Damit hat man dann eine 85- bis 90-Prozent-Wahrscheinlichkeit, das man später ein Kind bekommt.

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Da bei mir nur rund drei bis vier Eier pro Behandlung entnommen werden können, müsste ich da theoretisch fünfmal durch. Ich sage „theoretisch“, weil ich aufgrund der vielen Hormone, die ich für die Behandlung nehmen muss, das nicht fünfmal machen möchte. Irgendwie vertraue ich dann doch dem Universum. Ich glaube an das Taoistische Prinzip des Wu Wei:

„Learning to work with our inner nature, not trying too hard and effortlessly surrendering to the natural cycles of the world.“

Die Behandlung war unglaublich emotional für mich

Was die Kosten angeht, wünsche ich mir ein System, das Frauen in den USA und Deutschland besser unterstützt. Jede Entnahme kann – inklusive Medikamente – zwischen 10.000 bis 17.000 US-Dollar kosten. Die Versicherung übernimmt davon nichts. In Deutschland liegen die Kosten zwischen 4.000 bis 5.000 Euro pro Runde. Hinzu kommen später die Kosten für die künstliche Befruchtung, die nur in Ausnahmen übernommen werden. In den USA bezahlt die Versicherung dann, wenn man eine Unfruchtbarkeits-Diagnose bekommt und zwölf Monate mit seinem Partner erfolglos versucht hat, Kinder zu zeugen. Als Single-Frau oder LGBTQ-Paar bleibt man da völlig auf der Strecke.

Ich habe schon eine Behandlung hinter mir. Die war unglaublich emotional, und ich hatte zwar super Unterstützung, aber habe mich trotzdem alleine gefühlt, weil es ja doch irgendwie mein Ding ist. Nun werde ich für etwa ein bis zwei Monate mit der Behandlung pausieren, weil ich Reisen für Aday geplant habe. Wir haben gerade eine Finanzierungsrunde abgeschlossen und ehrgeizige Ziele für das kommende Jahr vereinbart.

Insgesamt glaube ich an eine gesunde Kombination von Vorsorge mit heutiger Wissenschaft (der ich sehr dankbar bin!) und Vertrauen in den Lauf der Dinge: Es wird schon alles so kommen, wie es kommen soll.

Unsere Redakteurin Hannah Scherkamp hat einen Post von Nina Faulhaber auf Instagram gesehen, in dem sie über ihren Social-Freezing-Prozess schreibt. Daraufhin hat sie lange mit Faulhaber in New York telefoniert. Aus diesem Gespräch ist dieser Erfahrungsbericht entstanden.

Bild: Aday