Der Online-Supermarkt Picnic startet von Bochum aus seine Expansion in Deutschland.

Die Deutschen lassen sich immer mehr Lebensmittel vom Onlinehändler nach Hause bringen. Kein anderer Bereich ist im vergangenen Jahr im sogenannten E-Commerce derart stark gewachsen: Um 17 Prozent legten Bestellungen für Gemüse, Milch oder Nudeln auf den Rekordwert von 1,6 Milliarden Euro zu. Dahinter stehen erfolgreiche Händler von Rewe oder Edeka mit dem Lieferdienst Bringmeister über Amazon Fresh bis hin zu Neugründungen wie Picnic. Dieses kleine Unternehmen aus Düsseldorf belebt gerade das Milchmann-Prinzip wieder und fährt Kunden regelmäßig an.

Allerdings nimmt das Onlinegeschäft am gesamten Lebensmitteleinzelhandel mit gut einem Prozent nur einen kleinen Teil ein. Der stationäre Handel dominiert nach wie vor den Verkauf allein schon wegen der sehr hohen Dichte des Ladennetzes.

Doch selbst wenn die Konzerne im Onlineverkauf nach eigener Aussage kaum oder gar kein Geld verdienen, die meisten von ihnen wollen diese Zukunftschance nicht anderen überlassen. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Zuletzt hat die Ladenkette Alnatura ihren Onlineshop geschlossen.

Nach den Lebensmitteln fallen aus der Branchenstatistik besonders Möbel als Bestellungen auf. Selbst derart große oder sperrige Waren werden zunehmend über einen Onlineshop bestellt und von ihm geliefert: In den vergangenen fünf Jahren hat sich dieser Umsatz auf elf Milliarden Euro glatt verdoppelt.

Rezeptfreie Medikamente unter den Top Ten des Onlinehandels

Ebenfalls auffallend ist der Bereich Medikamente: Zum ersten Mal überhaupt schafft es der Verkauf von Arzneimitteln – in Deutschland betrifft dies fast ausschließlich rezeptfreie Arzneien – mit rund 790 Millionen Euro unter die Top Ten des Onlinehandels. Den weitaus größten Anteil am Online- und Versandgeschäft nimmt jedoch nach wie vor Unterhaltungselektronik mit fast 26 Milliarden Euro ein. Danach folgen Bekleidung, Einrichtung, Freizeit und täglicher Bedarf.

All diese Daten hat der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel in der größten Verbraucherstudie des Landes für das Jahr 2019 erhoben und nun vorgestellt. Beteiligt daran waren rund 40.000 Konsumenten, betrachtet wird der gesamte interaktive Handel im Unterschied zum stationären Ladengeschäft.

Immer mehr Deutsche bestellen mit dem Smartphone

So hat jeder deutsche Haushalt laut dieser Erhebung im vergangenen Jahr für Einkäufe im Onlinehandel im Durchschnitt 2270 Euro ausgegeben. Auch die Häufigkeit nimmt zu: Jeder dritte Befragte gab an, in der zurückliegenden Woche mehr als ein Mal online eingekauft zu haben. Dafür nutzen die Kunden viel öfter mobile Geräte: Knapp 34 Prozent der Studienteilnehmer bestellen über ihr Smartphone oder Tablet. Vor fünf Jahren lag dieser Anteil noch bei 19 Prozent.

Ein Reizthema der Branche bleibt das Zurücksenden von Waren, die sogenannte Retoure. Laut den Angaben des Verbandes wird jede sechste Sendung zurückgeschickt. Jeder achte Verkaufsartikel ist davon betroffen. Gesamtzahlen nennt die Branche aber nicht. Jedoch zeichnet sich möglicherweise eine Trendwende ab.

So ist im vergangenen Jahr die Absicht der Kunden gesunken, Bestellungen zurückzuschicken. Befragte, die in den zurückliegenden sieben Tagen Waren bestellt und erhalten hatten, wollten zu neun Prozent einige Teile davon und zu zwei Prozent alle Artikel wieder an den Onlineshop zurücksenden. Ein Jahr zuvor hatten diese Werte etwas höher gelegen. Verbandspräsident Gero Furchheim spricht von einer „tendenziellen Verbesserung“.

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Auch der Anteil derjenigen Kunden, die überhaupt keine Retoure aus der Bestellung machen wollten, stieg um einen Prozentpunkt auf rund 88 Prozent. Nach wie vor verlangen die allermeisten Online- und Versandhändler kein Geld dafür, Waren wieder zurückzunehmen. Diese Artikel werden in den meisten Fällen aufbereitet und erneut verkauft. Zum Teil geschieht dies in ganz anderen Handelsplätzen und zu erheblich reduzierten Preisen.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Folgen für die Umwelt, die Verschwendung von Ressourcen wie auch die Vernichtung von Waren. Nach Angaben des Branchenverbands werden vier bis fünf Prozent der Bestellungen „nicht mehr in den Handel gebracht“ – und wandern in den Müll.

Für die Zukunft erwarten die Branchenlobbyisten weiter stark steigende Onlineverkäufe. Sämtliche Bestellungen zusammengerechnet, erreichten die E-Commerce-Händler im Jahr 2019 einen Umsatz von 94 Milliarden Euro. Das war ein Plus von zehn Prozent. Rund ein Fünftel davon entfällt auf Dienstleistungen. Mit einer Ausnahme ist dieser Wirtschaftsbereich in den zurückliegenden fünf Jahren stetig um rund zehn Prozent gewachsen.

Onlinehandel macht 14 Prozent des Einzelhandels aus

Am gesamten deutschen Einzelhandel macht das Online- und Versandhandelsgeschäft mittlerweile einen Anteil von knapp 14 Prozent aus. Für dieses Jahr rechnet der Branchenverband mit einer leicht geringeren Wachstumsrate und dem Überspringen der 100-Milliarden-Euro-Grenze im Umsatz. In dem gesamten Wirtschaftsbereich sind rund 100.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Allerdings nützt den Onlinehändlern das rasante Wachstum wenig, wenn sie die Bestellungen immer schwieriger an die Haushalte bringen können. So sind Umweltprobleme durch den Lieferverkehr sowie verstopfte Innenstädte für diese Händler ein Thema. Ihr Lobbyverband fordert die Lieferdienste denn auch untereinander zu einer intensiven Zusammenarbeit auf.

Ein Ärgernis darunter betrifft die Zustellpunkte. „Die Zustelldienste müssen ihre Paketkästen allgemein zugänglich machen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer. Bislang nutzen Anbieter wie die Post-Tochtergesellschaft DHL oder auch Amazon ihre Paketschränke ausschließlich selbst.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Picnic