Pitch-Gründer Christian Reber

Es ist das Modell, das auch der Messenger-Software Slack zum Erfolg verhalf: Vor allem eine automatische Anbindung an viele Programme und Services verspricht die Präsentations-Software Pitch. Mühsame Aktualisierungen würden damit entfallen. Schönes Design und eine leicht bedienbare Benutzeroberfläche sollen alles abrunden. Das Gesamtpaket wird dann ein echter Powerpoint-Killer, davon ist das Berliner Team um Christian Reber überzeugt. Der kennt sich im Software-Bereich aus: Mit seinem früheren Startup 6Wunderkinder und dessen Software Wunderlist hat er international für Aufsehen gesorgt.

Neben Reber gehören zum Pitch-Gründerteam Charlette Prevot und Jan Martin, beide ebenfalls Wunderlist-Mitgründer, sowie die ehemaligen Wunderlist-Leute Vanessa Stock, Adam Renklint, Marvin Labod, Misha Karpenko und Eric Labod. Die To-Do-App wurde im Jahr 2015 für 100 bis 200 Millionen US-Dollar von Microsoft übernommen – dem Konzern, den Reber jetzt in Verlegenheit bringen will.

Auch der neue Geldgeber ist ein alter Bekannter: Der VC Thrive Capital (via Startupdetector), der die Runde über 30 Millionen Dollar (27 Millionen Euro) anführt, hatte auch schon in Rebers erstes Startup investiert. Ebenfalls mit dabei sind Instagram-Mitgründer Kevin Systrom und Rahul Vohra, Gründer der Mailsoftware Superhuman. Schon in der Vergangenheit hat Reber bekannte Namen aus dem Software-Bereich als Investoren für sein neues Präsentations-Tool an Bord geholt, unter anderem Zoom-CEO Eric Yuan. Auch der Slack-Fund ist bei Pitch investiert. Insgesamt 50 Millionen Dollar (45 Millionen Euro) sind in das Startup geflossen – alles noch bevor die geschlossene Testphase heute beginnt.

Im Interview verrät Christian Reber, warum er so früh so viel Geld aufgenommen hat, warum er nicht auf einen Exit aus ist und was er bei seinem neuen Startup anders machen will.

Christian, erst Wunderlist, jetzt Pitch. Was fasziniert dich so an Business-Software?

Wir wollen das nächste Zoom sein oder das nächste Slack. Die Chance, das mit Pitch zu schaffen, spornt mich an.

Wie kamst du dann auf eine Präsentations-Software?

Präsentationen stehen im Mittelpunkt des gesamten Geschäftslebens. Das ist ein riesiger Markt und die bestehenden Produkte sind nicht zeitgemäß.

Was wollt ihr anders machen?

Wir waren als Team schon immer ästhetisch getrieben und versuchen, schöne Software zu entwickeln. Nach Wunderlist haben wir verschiedene Ideen durchgespielt und uns den Design-Markt angesehen. Da gibt es Produkte wie Framer oder Sketch, aber keines versucht, mit Powerpoint in den Wettbewerb zu gehen. Eigentlich bauen wir eine Design-Software.

Was ist in den vergangenen zwölf Monaten passiert? Vor einem Jahr hatte Pitch ja schon eine größere Finanzierungsrunde gemacht.

Wir haben vor allem am Produkt gearbeitet und das Team skaliert. Man braucht eine Weile, um die Opportunity bei Präsentations-Software richtig zu verstehen.

Wieso nimmt Pitch schon wieder Geld auf? Jetzt sind schon 50 Millionen ins Unternehmen geflossen und ihr seid noch nicht mal am Markt. Für hiesige Startups ist das eher ungewöhnlich.

Es ist immer eine Entscheidung in den ersten Monaten, ob man vor oder nach dem Launch die erste große Finanzierungsrunde macht. Danach können die Konditionen besser sein, wenn das Produkt Traction bekommt. Aber man hat dann auch mehr Druck erfolgreich zu sein. Thrive kam auf uns zu, der VC kennt das Team und das Team kennt den Investor. Das hat einfach gepasst.

Lest auch

Hast du Dich an Slack orientiert? Dessen Gründer Steward Butterfield hat im Gründerszene-Interview erzählt, er nehme immer so viel Geld auf, wie er kann. Auch, wenn er es dann gar nicht benötigt, wie es bei Slack der Fall war.

Nein, eigentlich nicht. Ich arbeite mit dem Zoom-Gründer zusammen. Als sich dann die Möglichkeit für die neue Runde bot, kamen wir zu dem Schluss, dass es sinnvoll ist. Natürlich haben wir versucht, so wenig zu verwässern wie möglich. Jetzt haben wir vier oder fünf Jahre Runway und können in Ruhe unser Produkt ausbauen.

Was sind die nächsten Schritte für Pitch?

Wie Slack wollen wir sechs bis zwölf Monate lang eine geschlossene Betaphase durchlaufen und Feedback sammeln, bis wir einen guten Product-Market-Fit haben. Dann gibt es den öffentlichen Launch und Danach kommt die Plattform drumherum. Auf Pitch.com können dann auch Präsentationen – wir nennen sie Decks – geteilt werden.

Und langfristig?

Wir wollen in Deutschland einen Tech-Konzern aufbauen, der internationale Bedeutung hat.

Ein Exit ist also nicht das Ziel?

Nicht, solange es sich vermeiden lässt. Mein Ziel war immer, eine eigenständige Firma aufzubauen und dann vielleicht an die Börse zu gehen, wie Zoom und Slack das auch gemacht haben.

Kann man mit nur einem Produkt an die Börse gehen? Tech-Aktien scheinen ja problematisch zu sein, wenn es nicht gerade große Konzerne sind.

Ja, erst einmal funktioniert das. Nach spätestens zehn Jahren braucht man dann aber mehrere Produktlinien. Zoom zum Beispiel macht jetzt schon mehr als nur reine Videotelefonie. Slack hat es da etwas schwieriger. Microsoft hat mit Teams ein sehr ähnliches Produkt und kann es den bestehenden Kunden einfach mitgeben.

Bis zum IPO wird es sicherlich noch eine Weile dauern. Wann kommt die nächste Finanzierungsrunde?

Wir werden in den nächsten zwei bis drei Jahren wahrscheinlich kein Kapital einsammeln. Es geht uns nicht um Growth at all cost. Wenn sich Gelegenheiten bieten, werden wir sie natürlich nutzen. Das bringt Sicherheit und man kann umgekehrt mehr Risiken eingehen.

Was willst du bei Pitch anders machen als bei Wunderlist?

So viele Dinge (lacht). Wir waren bei Wunderlist ein sehr junioriges Team und mussten ein erfahreneres Management rekrutieren. Bei Pitch haben wir alle schon merkbar mehr Erfahrung. Wir suchen aber auch Leute aus anderen Startups und von VCs. Wir wollen von Beginn an umsatzgetrieben wachsen – nicht wie bei Wunderlist, wo wir mit einem kostenlosen Produkt gestartet sind und die Monetarisierung erst später kam.

Das betrifft alles das Unternehmen. Und bei dir selbst?

Ich will transparenter sein, kommunikativer und ich will alle im Unternehmen von Beginn an den Erfolgen partizipieren lassen.

Du meinst ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm?

Ja. In den USA zum Beispiel ist das ja sowieso die Norm.

Lest auch

Hier aber nicht.

Das stimmt. Startups in Deutschland haben da lange keinen guten Job gemacht, das hat solche Programme manchmal sogar in Verruf gebracht. Wir haben auch einige deutsche Mitarbeiter, die gar keine Anteile haben wollen, sondern lieber mehr Gehalt. Das Mindset fehlt, dass Beteiligungen langfristig viel mehr bringen.

Apropos Team, wie viele Mitarbeiter hat Pitch derzeit? Und wieviele sollen es einmal sein?

Wir sind derzeit 44, bis Ende des Jahres sollen es dann 50 sein und Ende 2020 ungefähr 100.

Alle in Berlin?

Unsere Firmenzentrale ist in Berlin, aber wir arbeiten trotzdem verteilt. Unser Team kommt zu 90 Prozent aus Europa, der Rest aus Australien und den USA. Wir hatten auch überlegt, ganz remote zu arbeiten. Dann haben wir uns doch für ein Büro entschieden, weil viele das wollen. Ich selbst arbeite gerne mal von Spanien aus, auch längere Zeit.

Seit der Wunderlist-Gründung hat sich im deutschen Startup-Ökosystem einiges verändert. Was stört dich heute immer noch?

Damals war Geld das große Problem, heute gibt es Kapital ohne Ende. Es gibt immer noch zu wenige echte Tech-Unternehmen, Firmen wie zum Beispiel der Elektrojet-Hersteller Lilium sind echte Ausnahmen. Es gibt in Deutschland zu viele Commerce-getriebene Ideen und zu wenige produktgetriebene Companies. Und es gibt merkwürdige Vorbehalte. Du schämst dich als Gründer fast, von einem IPO zu reden. Die Kommentare dazu kann man sich nicht antun, da braucht man wirklich ein starkes Ego.

Christian, vielen Dank für das Gespräch!

Lest auch
 

Bild: Pitch