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Der Erwartungsdruck an Pitch ist groß: „Wir waren als Team schon immer ästhetisch getrieben und versuchen, schöne Software zu entwickeln.“
Der Erwartungsdruck an Pitch ist groß: „Wir waren als Team schon immer ästhetisch getrieben und versuchen, schöne Software zu entwickeln.“

Jonas Keller ist Gründer und Geschäftsführer der Explain GmbH. Die Präsentationsagentur aus Karlsruhe konzipiert und erstellt professionelle Powerpoint-Präsentationen für Unternehmen. Zu den Kunden zählen unter anderem Adidas, Deutsche Bahn, Daimler und Porsche.

Diesen Artikel könnt ihr euch auch anhören. Die Audio Story findet ihr unter dem Text.

Die Ausgangslage

33 Jahre gegen knapp zwei: Schon der bloße Blick auf die Entwicklungszeit macht deutlich, wie schwierig der Vergleich zwischen dem Ur-Präsentationstool Powerpoint und dem jüngsten Herausforderer Pitch ist. Dennoch will das Berliner Startup um Wunderlist-Macher Christian Reber mit der seit 1987 bestehenden Microsoft-Software konkurrieren. Klar, es gebe andere Tools wie Framer oder Sketch – aber keines versuche ernsthaft, „mit Powerpoint in den Wettbewerb zu gehen“, sagte Reber im Oktober 2019 zu Gründerszene. Kurz zuvor hatte Pitch von Investoren 27 Millionen Euro für sein Vorhaben erhalten.

Heute, ziemlich genau ein Jahr später, ist das Präsentationstool fertig. Zumindest in einer ersten markttauglichen Version: Nach einer geschlossenen Betaphase steht Pitch ab sofort allen Nutzerinnen und Nutzern zum Abruf bereit. Die Erwartungen an das Tool sind groß. Nach Firmenangaben soll Pitch optimal für Teams sein und kompatibel mit diversen anderen Programmen, etwa dem in Unternehmen populären Messenger-Dienst Slack. Dazu versprechen die Macher eine moderne Ästhetik und weitere Kniffe, welche den Frust über andere Präsentationstools vergessen machen sollen. Allen voran Powerpoint, natürlich.

Ist das gelungen? Ich wollte es herausfinden. Gemeinsam mit meinem Team habe ich mir Pitch in den vergangenen Wochen angesehen. Dabei haben wir versucht, sowohl die Sicht von Kunden und Powerusern als auch jene von Designern einzunehmen. Zu diesen Erkenntnissen sind wir gekommen:

Das Design

Pitch erinnert auf dem ersten Blick an Apple Keynote oder Prezi. Inhalte sind gut editierbar, ohne sich dabei in einer großen Toolbar zu verlieren. Möchte man etwa einen Text auf einer Folie bearbeiten, öffnet sich beim Draufklicken ein kleines Popup, das bereits wichtige Einstellungen wie Schriftgröße, Ausrichtung oder Farbton anzeigt. Genauso verhält es sich beim Editieren oder Einfügen von Bildern. Eine Stärke von Pitch liegt also darin, immer nur die Bearbeitungsoptionen angezeigt zu bekommen, die gerade benötigt werden.

Die Software en détail mit Powerpoint zu vergleichen ist schwierig. Immerhin bringt das Microsoft-Tool mehr als 30 Jahre Erfahrung mit. Allerdings hat Pitch durchaus das Potenzial, eine breite Masse zu erreichen. Das Tool ist von Grund auf für die Nutzung im Webbrowser entwickelt worden und muss im Vergleich zum kompletten Office-Paket nicht installiert werden. Natürlich bietet Powerpoint viel mehr Möglichkeiten, aber sind wir ehrlich: Wer nutzt alle Funktionen täglich?

Die Funktionen

Kollaboration steht ganz oben auf der Liste der Argumente, die für Pitch sprechen. Die Software wird dem auch gerecht. Wie bei Google Docs lassen sich Präsentationen leicht mit anderen Nutzern teilen, gemeinsam bearbeiten und kommentieren. Nutzerinnen und Nutzer können einzelne Arbeitsschritte sogar per Emoji bewerten. Leider ist nicht ganz klar, wie sie sich dieses Feature von Kommentaren unterscheidet beziehungsweise wie konstruktiv es ist, eine bloße Folie mit „Daumen runter“ zu bewerten. Praktischer sind da schon die sogenannten Workflows: Einzelne Folien lassen sich anderen Teammitgliedern zuweisen und mit einem Bearbeitungsstatus versehen.

Pitch wirbt damit, ansprechende Präsentationen in kurzer Zeit realisieren zu können. Dieses Versprechen hält die Software dank zahlreicher Templates ein. Es gibt Designvorlagen für Startup-Pitchdecks, Konkurrenzanalysen, Meetings oder Auftritte vor großem Publikum. Auch, wer als Firma lediglich einen neuen Mitarbeiter onboarden oder das Konzept für ein Team-Event vorstellen will, findet bereits entsprechende Vorlagen. Gedeckte Farben sowie große Schriften und Fotos stehen beim Foliendesign im Vordergrund. Praktisch: Passende Bilder müssen nicht erst in Pitch hochgeladen werden, sondern lassen sich über angeschlossene Datenbanken wie Unsplash, Giphy oder Icons8 direkt finden und in den Folien platzieren. Vereinfacht wurde auch die Arbeit mit Diagrammen. Entsprechende Daten lassen sich mit wenigen Klicks aus Google Sheets und Google Analytics importieren.

Leider geht die vereinfachte Bedienung auf Kosten des Funktionsumfangs. So fehlen etwa Animationen, Übergänge, Einstellungsmöglichkeiten in der Referentenansicht und Raster. Das könnte gerade in großen Unternehmen zu Problemen bei der Umsetzung von Corporate-Design-Vorgaben führen. Die standardisierten Layouts und Datenbanken nehmen den Präsentationen die Individualität. Hinzu kommt die lizenzrechtliche Grauzone von Bildportalen wie Unsplash. Das Portal überprüft die Herkunft der von Nutzern hochgeladenen Bilder nicht und übernimmt somit auch keine Haftung für eventuelle Urheberrechtsverstöße. Fachfremde Nutzer könnte das bei Pitch schnell vor Probleme stellen.

Die Bedienung

Aus Sicht eines Designers zeigen sich außerdem Herausforderungen bei der Arbeit mit Gestaltungstools. Ein Beispiel ist die Ausrichtung von Elementen. Diese errechnet die Software basierend auf der Bildposition automatisch. Das Ergebnis war in unseren Tests leider oft nicht fehlerfrei. Zudem benötigen Designer die Freiheit, Elemente schnell bearbeiten zu können. Raster, Hilfslinien und die Möglichkeit, Objekte heranzuzoomen wären hier sehr hilfreich. Diese sind in der derzeitigen Version jedoch noch nicht vorhanden. Für außergewöhnliche Präsentationen empfehle ich daher andere Software zu nutzen. Neben Powerpoint und Apple Keynote bietet sich zum Beispiel Ventuz gut an.

Für Startups ohne Budget für Agenturen ist Pitch hingegen ideal. Auch Schülern und Studierenden sowie KMU liefert Pitch bei wenig Aufwand erstaunlich gute Ergebnisse. Dies wird durch die vorgefertigten Templates unterstützt und hat den positiven Aspekt, dass gängige Fehler in der Präsentationsgestaltung vermieden werden. Dazu gehören neben viel Text auf der Folie etwa falsch angeordnete Elemente, kontrastarme Farben oder schwer lesbare Diagramme.

Trotz der Simplizität darf man nicht außer Acht lassen, dass es Designerfahrung benötigt, um nicht versehentlich doch in alte Gestaltungsmuster aus der Schulzeit zu fallen. Auch Pitch kann hier nur das Werkzeug sein. Wenn man jedoch innerhalb der vorgegebenen Platzhalter und sauber arbeitet, werden schnell erste Erfolge sichtbar.

Das Fazit

Verglichen mit den zahlreichen anderen Präsentations-Startups macht Pitch den besten Ersteindruck – und der zählt bekanntlich. Ein großer Pluspunkt ist die ästhetische Benutzeroberfläche, die bei vielen vergleichbaren Tools oft zu technisch wirkt und Anwender schnell abschreckt. Trotzdem ist der Erfolg von Pitch nicht garantiert.

Das zeigt schon ein Blick auf den einstigen Powerpoint-Herausforderer Prezi. Lange gehypt und von Studenten geliebt, ist die 2009 veröffentlichte Software heute nicht mehr als ein One-Hit-Wonder. Zwar war der Wunsch, mal anders zu präsentieren, schon damals riesig. Allerdings wurden schnell drei Probleme deutlich, erstens: Wenn alle Prezi nutzen ist eine Flipchart-Präsentation am Ende spannender. Zweitens: Studenten sind eine große Zielgruppe, aber so richtig Geld verdient man an ihnen nicht. Und drittens ist Prezi von heute auf morgen von der Bildfläche verschwunden. Wieso? Powerpoint hat einen fließenden Folienübergang eingebaut und damit Prezi um sein Alleinstellungsmerkmal gebracht.

Wenn Pitch dauerhaft eine große Rolle spielen möchte, müssen einzigartige Lösungen speziell für das Corporate-Umfeld entwickelt werden. Entscheidend wird sein, genügend individualisierbare Standardelemente bereitzustellen, sodass Firmen ihre Corporate-Design-Elemente im Masterdesign verankern können – das betrifft vor allem Farbcodes, Hausschriften, Logos und Formen. Die Herausforderung: Mit steigender Individualisierung nimmt die intuitive Nutzung erfahrungsgemäß ab. Diese Gratwanderung wird das Pitch-Team erst noch meistern müssen. Solange setzen wir als Agentur weiterhin auf Powerpoint.

Mitarbeit: Yannick Pinkinelli, David Braganca

Bild: Gründerszene
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