Konflikte sind nicht per se schlecht, doch in grundlegenden Fragen sollte Einigkeit bestehen.

Ein Beitrag von Florian Kreis, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei KLX

Zwischenmenschlicher Zusammenhalt, die Bündelung unterschiedlicher Fähigkeiten und der Fokus auf ein gemeinsames Ziel sind Erfolgsfaktoren für Startups. Ungelöste Konflikte oder eine inkompatible Gesellschafterstruktur können das gemeinsame Projekt jedoch bedrohen. Die folgende Fünf-Punkte-Agenda soll helfen, das zu verhindern.

1. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet …“

Die Weisheit aus Schillers „Lied von der Glocke“ gilt nicht nur für die Ehe. Gründer gehen mit ihren Mitgesellschaftern in wirtschaftlicher Hinsicht oft noch eine stärkere Schicksalsgemeinschaft ein als mit ihrem Lebenspartner. Fehler, die bei der Vergesellschaftung begangen werden, können später weder durch den besten Gesellschaftsvertrag behoben werden noch durch die fähigsten Richter. Die grundlegende Frage ist deswegen, ob man sich beim Gründen überhaupt mit anderen Personen zusammenschließt oder es nicht lieber auf eigene Faust versucht.

Wer allein agiert, muss weniger auf andere Rücksicht nehmen, kann aber auch weniger Synergien nutzen, als es bei der Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen und Fähigkeiten möglich ist – wenn beispielsweise der „Kreative“ gemeinsam mit dem „Kaufmann“ gründet. Der Einzelgründer trägt außerdem das volle unternehmerische Risiko und die volle unternehmerische Verantwortung. Gerade bei Krankheit oder einer persönlichen Produktivitätskrise kann das belastend werden.

Entschließt man sich hingegen zur Vergesellschaftung, stellt sich die Frage nach dem oder den richtigen Partner/n. Es kommt dabei nicht darauf an, ein Spiegelbild seiner selbst zu finden. Im Gegenteil: Synergien entstehen oft nur, wenn unterschiedliche Typen zusammenarbeiten. Allerdings sollten die Gründer bei den wichtigsten Fragen ähnliche Vorstellungen haben. Dazu gehören gemeinsame Ziele bei der Entwicklung des Unternehmens ebenso wie eine ähnliche Beantwortung der Frage: Welchen Beitrag haben die Gründer gegenüber der Gesellschaft zu leisten und welche Gegenleistungen können sie erwarten?

Auch die Führungsrollen in der Gesellschaft sollten zumindest stillschweigend verteilt sein. Streiten zwei Alphatiere um die Meinungsführerschaft, leiden darunter alle anderen. Und schließlich: Stellen die Gründer nach einer gewissen Zeit fest, dass sie doch nicht zueinanderpassen, sollten sie ernsthaft in Erwägung ziehen, wieder getrennte Wege zu gehen. Das gilt auch dann, wenn dadurch umfangreiche Anfangsinvestitionen zunichtegemacht würden.

2. Gesellschaftsvertrag vorausschauend gestalten

Der Gesellschaftsvertrag definiert die zwischen den Gesellschaftern geltenden Spielregeln. Im besten Fall muss er nie bemüht werden. Besteht zwischen den Gesellschaftern dagegen Uneinigkeit, kann sich jede Partei auf das zurückziehen, was ursprünglich – als sich noch alle einig waren – von den Gesellschaftern als fair und gerecht erachtet und im Gesellschaftsvertrag niedergeschrieben wurde. Doch gerade dann, wenn sich alle einig sind und an Streit noch nicht zu denken ist, sollte man sich bereits gezielt mit möglichen zukünftigen Konfliktpunkten auseinandersetzen und gesellschaftsvertragliche Lösungen festhalten.

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Sinn und Zweck eines Gesellschaftsvertrages ist nicht (nur), juristische Formalia zu regeln. Seine Gestaltung sollte vielmehr als kreativer Prozess wahrgenommen werden, der Gelegenheit gibt, frühzeitig Themen zu diskutieren, die in bestimmten Konstellationen typischerweise irgendwann relevant werden. Jeder Gesellschafter hat so die Möglichkeit, seinen Standpunkt darzulegen, und weiß von Anfang an, ob die Mitgründer ihn teilen und ob er gegebenenfalls mit einem konträren Standpunkt seiner Partner leben kann. Rechtsanwälte können diesen Prozess moderieren, auf typische Konfliktfelder hinweisen und Lösungsansätze aufzeigen.

3. Regelmäßig nachjustieren

Ein Gesellschaftsvertrag bildet immer nur die Ist-Situation ab. Doch veränderte Situationen bedürfen veränderter Spielregeln. Das kann betriebliche Gründe haben, zum Beispiel ein unerwartetes Umsatzwachstum, ungeplanten Kapitalbedarf oder die Aufnahme weiterer Gesellschafter, die unter Umständen andere Ziele verfolgen.

Die Veränderung kann aber auch im privaten Bereich wurzeln, etwa wenn der eine Gesellschafter eine Familie gründet oder ein Sabbatical einlegt, der andere aber weiterhin seine gesamte Energie ins gemeinsame Unternehmen steckt. Wird der Gesellschaftsvertrag in solchen Fällen nicht an die veränderten Umstände angepasst, ist Streit vorprogrammiert.

4. Richtig mit Konflikten umgehen

Konflikte sind oft unvermeidlich, aber Streit ist nicht per se schädlich. Nur in der Diskussion können unterschiedliche Positionen aufgedeckt und Lösungen erarbeitet werden. Doch Meinungsverschiedenheiten und Ungerechtigkeiten (tatsächliche oder gefühlte) sollte man frühzeitig ansprechen, andernfalls stauen sich die Emotionen immer weiter auf und es droht eine unnötige Eskalation.

Treten Konflikte auf, sollten nicht die Symptome, sondern die Ursachen behandelt werden. Diese können weit zurückreichen und emotionaler Natur sein. Oft sind unerfüllte Bedürfnisse oder fehlende Anerkennung der Auslöser für Streit.

5. Gründer vs. Investor

Streitigkeiten unter Gesellschaftern entstehen häufig, wenn eine unterschiedliche Interessenlage zutage tritt. Die obigen Ausführungen beschäftigten sich hauptsächlich mit dem Verhältnis der Gründer untereinander. Zusätzliche Interessengegensätze können auftreten, wenn sich an einem Startup Venture-Capital-Investoren (VCs) oder strategische Investoren beteiligen.

Auch hier lauten die beiden grundlegenden Fragen: Ist aus Sicht der Gründer die Beteiligung eines Investors am Startup sinnvoll? Und wenn ja, wer könnte ein geeigneter Geldgeber sein?

Wer sein Startup als Lebenswerk und langfristige Aufgabe betrachtet, sollte sich bewusst sein, dass VCs regelmäßig einen möglichst gewinnbringenden Exit zum Ziel haben und sich strategische Investoren häufig das Recht vorbehalten, über eine Call-Option die vollständige Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen. Den Gründern droht in solchen Fällen der Verlust „ihres“ Unternehmens.

Gründern muss zudem bewusst sein, dass sich ihr eigenes Risikobewusstsein von dem eines VCs unterscheiden kann. Während die Gründer meist nur an einem Unternehmen beteiligt sind und unter Umständen existenzgefährdende Risiken vermeiden möchten, verfügen VCs oft über ein ganzes Portfolio an Beteiligungen. Sie suchen gezielt überdurchschnittlich hohe Risiken und nehmen den Totalverlust einer Beteiligung dabei billigend in Kauf.

Strategische Investoren können wiederum dazu neigen, sich zu stark ins Tagesgeschäft des Startups einzumischen. Dabei sollten sie sich stets vergegenwärtigen, weshalb sie sich an einem Startup beteiligen: weil dieses Startup in bestimmten Bereichen kreativer und innovativer ist als ihr eigenes Unternehmen. Damit das so bleibt, braucht die Geschäftsführung des Startups unternehmerische Freiheiten sowie das Recht, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Die Organisationsstruktur eines Konzerns lässt sich nicht eins zu eins auf ein Startup übertragen.

Bild: Getty Images / Buero Monaco