Überdurchschnittlich häufige Retourennutzer sind einer Bitkom-Umfrage zufolge auch junge Frauen.

Die Deutschen schicken ihre Interneteinkäufe immer häufiger an die Onlinehändler zurück. Jeder achte Online-Kauf wird inzwischen rückabgewickelt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, die der Welt exklusiv vorliegt. Demnach ist in den vergangenen zwei Jahren die Retourequote noch einmal um 20 Prozent gestiegen. 

Waren es vor zwei Jahren noch zehn Prozent aller Online-Einkäufe, die wieder zurückgeschickt wurden, sind es inzwischen schon zwölf Prozent. Etwa jeder siebte Befragte schickt sogar mehr als ein Viertel aller Einkäufe wieder zurück. Das beliebteste Online-Produkt der Deutschen ist somit die Retoure.

„Die Retourequoten sind gerade in speziellen Warengruppen wie bei Kleidung enorm hoch und steigen von Jahr zu Jahr“, sagte Julia Miosga, Leiterin des Bereichs Handel und Logistik bei Bitkom.

Online-Händler sind eher verschwiegen, wenn es um Rücksendungen geht. Der Berliner Versandhändler Zalando ist hier eine Ausnahme. „Unsere Retourequote liegt bei etwa 50 Prozent im Durchschnitt“, sagte Mitgründer David Schneider im Gespräch mit der Welt

Tatsächlich bestellten viele Kunden ihre Kleidung online gleich in mehreren Größen, um zu Hause eine Auswahl zu treffen. Jeder zweite Online-Shopper gibt in der Bitkom-Umfrage an, Waren im Internet hin und wieder mit der Absicht zu bestellen, sie wieder zurückzuschicken. 28 Prozent der Befragten würden dies eher selten machen, 17 Prozent manchmal und sechs Prozent sogar regelmäßig.

Jüngere Online-Käufer nutzen Rückversand ausgiebig

„Auswahlretouren gehören zum Geschäft dazu“, sagte Zalando-Mitgründer Schneider, auch wenn sie einen großen Einfluss auf die Profitabilität hätten. Daran lässt sich kaum etwas ändern. „Ein Boutiquebesitzer würde ja auch nicht auf die Idee kommen, die Umkleidekabine herauszureißen, um den Gewinn zu optimieren.“

Insbesondere jüngere Online-Käufer nutzen den Rückversand ausgiebig, wie die Bitkom-Studie zeigt. Demnach schicken 14- bis 29-jährige Online-Einkäufer 18 Prozent ihrer Internetbestellungen wieder zurück. Überdurchschnittlich häufige Retourennutzer sind auch Frauen, die jeden siebten Einkauf wieder an den Händler senden, bei Männern ist es noch nicht einmal jeder zehnte Einkauf.

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Somit dürften in Deutschland jährlich mehrere Hundert Millionen Pakete allein auf Retouren entfallen. Schätzungen zufolge werden die Kurier-, Express- und Paketdienste in Deutschland in diesem Jahr insgesamt gut 3,5 Milliarden Sendungen transportieren.

Bis 2022 dürfte die Zahl den Prognosen zufolge auf gut 4,3 Milliarden Sendungen ansteigen. Auch ohne Retouren sind die Logistikunternehmen schon längst an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen.

Retouren schmälern die Rendite

Für die Online-Händler ist das eine kostspielige Angelegenheit. „Oft ist die Aufbereitung zum Wiederverkauf von zurückgeschickter Ware mit viel Aufwand verbunden“, sagte Bitkom-Expertin Miosga. „Retouren bedeuten für die Anbieter schließlich nicht nur einen entgangenen Umsatz, sie verursachen auch Personal- und Prozesskosten, um die Retoure zu prüfen und in den Lagerbestand zurückzuführen.“

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Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für eine Rücksendung auf durchschnittlich zehn Euro. Längst nicht alle Sendungen lassen sich wieder so aufarbeiten, dass sie in den normalen Verkauf gehen. Händler verkaufen diese Ware oft an Retourenaufkäufer weiter, spenden sie oder geben sie in den Personalverkauf.

Oft werden die zurückgegebenen Waren auch einfach vernichtet, wenn dies für die Unternehmen günstiger ist. Amazon bietet Dritthändlern ein solches Komplettpaket zur Abwicklung unter dem Namen „Destroy“ (vernichten) an. Nach entsprechenden Medienberichten Mitte des Jahres über geschredderte Hausgeräte und eingestampfte Smartphones war die Empörung groß.

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Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth bezeichnete die Praxis als einen „riesengroßen Skandal“, Greenpeace forderte gar ein gesetzliches Verschwendungsverbot. Doch verantwortlich für Retouren sind erst einmal die Verbraucher selbst. Zum Leidwesen der Händler gehören die Deutschen im internationalen Vergleich zu den eifrigsten Rücksendern.

Polen senden Waren seltener zurück

Nach einer Studie der skandinavischen Postnord hat mehr als jeder zweite Online-Käufer in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten Waren wieder zurückgeschickt. Ähnlich hoch war das Verhältnis nur noch in den Niederlanden. In Polen war es nur jeder dritte Online-Käufer, der eine Retoure veranlasst hat. Die mit Abstand meisten Retouren entfallen auf Bekleidung und Schuhe. Erst mit größerem Abstand folgt Haushaltselektronik an zweiter Stelle.

Verbraucher haben eine gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen und dürfen ihre Ware dann ohne Angaben von Gründen zurücksenden. Nach dem Gesetz müssen sie inzwischen die Versandkosten dafür selbst tragen. Aus Kulanz übernehmen Händler die Kosten aber häufig ab einem bestimmten Warenwert, bei Amazon sind es 40 Euro.

Denn für viele Online-Käufer ist der problem- und kostenlose Rückversand Teil der Kaufentscheidung. Der Konkurrenzkampf der Online-Händler untereinander führt zu großzügigen Kulanzregelungen. Trotz allem versuchen die Unternehmen, schwarze Schafe ausfindig zu machen, die das System allzu sehr missbrauchen. So schließt Amazon die Konten von Kunden, die über einen längeren Zeitraum überproportional viel zurückschicken.  

Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, um die Retourequote zu begrenzen. „Je mehr Information es zu einem Artikel gibt, desto besser kann der Kunde das Produkt einschätzen und desto weniger gibt es beim Öffnen des Pakets böse Überraschungen“, sagte Bitkom-Expertin Miosga.

Viele Händler würden bei Kleidung mittlerweile etwa nicht nur die reinen Größen angeben, sondern auch, wie die Ware ausfalle. Auch 360-Grad-Bilder, Nahaufnahmen und Videos könnten dem Käufer ein Produkt besser vermitteln. „Viele Händler fragen außerdem aktiv nach Feedback des Kunden oder belohnen ehrliche Artikelbewertungen mit Vorteilen beim nächsten Einkauf.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images / Philippa Langley; Grafiken: Welt