In diesem Jahr bestand für die Stimmberechtigten von Rocket Internet erstmals keine Präsenzpflicht. Einer ist jedoch immer anwesend: CEO Oliver Samwer

Kein Schlagabtausch, standardisierte Antworten, emotionslose Monologe: Oliver Samwer hatte am heutigen Freitag zur Hauptversammlung eingeladen, im aufgeknöpften blauen Hemd statt wie gewohnt mit Anzug und Krawatte. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung erstmals digital statt. Auf dem ausgedünnten Podium saßen lediglich Samwer, sein neuer Vorstandskollege Soheil Mirpour, der Aufsichtsratsvorsitzende Marcus Englert und ein Notar. 

Weil es keine Möglichkeiten für spontanen Austausch gab, mussten Aktionärsschützer ihre Anmerkungen schon vorab an Rocket Internet schicken. Dementsprechend vorbereitet war Samwer auf die Kritik, las die Fragen und seine vorbereiteten Antworten monoton vom Zettel ab. Mirpour kam kein einziges Mal zu Wort und saß still in seiner hinteren Ecke.

Diese Punkte verkündete der Rocket-Chef in der Versammlung: 

  • „Rocket Internet wird weiterhin Internet- und Technologieunternehmen weltweit gründen.“ Die Strategie des Unternehmens bleibe gleich, nur die Segmente hätten sich verändert, so Samwer. Während der Inkubator früher vor allem E-Commerce-Firmen aufbaute, fokussiert sich Rocket Internet heute bevorzugt auf Foodtech, Proptech, Fintech und Logistik.
  • Von Krypto und Blockchain hält der Szenekopf nichts. Sein Interesse und vor allem Knowhow liege woanders, sagt Samwer. Dennoch: „Vielleicht kommt ja bald eine Killer-Anwendung, ausschließen möchte ich das nicht.“
  • Aufgrund der Corona-Krise und der Herausforderungen, die dadurch entstehen, habe sein Unternehmen kleine Beteiligungen an E-Health-Startups getätigt. Die Samwers wollen die Investments nutzen, um den Markt kennenzulernen. Außerdem: „Wir werden in Zukunft mehr B2B-Unternehmen in unserem Portfolio sehen.“ Aktuell machen Produkte für Privatkunden den größten Anteil aus.
  • Am 31. März hatte Rocket Internet etwa 2,1 Milliarden Euro in der Kasse. Wie viel Kapital die Firmenschmiede für neue Ventures vorsieht, will Samwer nicht sagen. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind 20 neue Startups entstanden. „In 2020 wird die Zahl und der Erfolg der Inkubationen nicht planbar und voraussehbar sein“, sagt der Rocket-Chef. Ob die Berliner überhaupt neue Projekte ausgründen werden, bleibt unklar. „Erfolge lassen sich nicht am Fließband produzieren. Inkubationen und deren Erfolge sind ein zyklisches Geschäft, das von unzähligen Faktoren abhängt.“
  • Auf die Gerüchte von 2019, Oliver Samwer wolle seinen Company Builder von der Börse nehmen, reagierte er damals nicht. Angesprochen von einem Aktionärsschützer sagte der Rocket-Chef heute lediglich: „Es gibt keinen Beschluss zu einem Delisting.“  
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  • Rocket Internet möchte jedoch seine Beteiligungen erst einmal von der Börse fernhalten. „Für die nächsten zwei Jahre planen wir keine Börsengänge“, sagt Samwer. Die meisten Startup seien noch sehr jung und nicht bereit für einen IPO. Zuletzt brachte der Company Builder die Global Fashion Group aufs Parkett. Insgesamt acht Portfoliofirmen sind mittlerweile börsennotiert.
  • Die Berliner halten Anteile an mehr als 200 Unternehmen. Die Corona-Krise sei der erste richtige Stresstest für die Startups, unter dem folglich auch Rocket Internet leidet. Während die Samwers im ersten Quartal 2019 noch einen Gewinn von 140 Millionen Euro verbuchten, erwarten sie in diesem Jahr rote Zahlen. Rocket rechnet mit 162 Millionen Euro Verlust im ersten Quartal. Samwer geht davon aus, dass in den nächsten Monaten Umsatzeinbrüche und mehr Insolvenzen folgen. „Allerdings haben wir Kapital zur Verfügung, um weiterhin attraktive Unternehmen zu unterstützen“, sagt er weiter. Inwiefern stark defizitäre Startups abgestoßen werden, bleibt abzuwarten.
  • Im vergangenen Jahr kündigte Rocket Internet an, vermehrt als Immobilienbesitzer in Erscheinung treten zu wollen. Diese Strategie wurde wohl erst einmal auf Eis gelegt. Aktuell befinden sich zwei Berliner Gebäude im Portfolio, die in den Büchern mit insgesamt 19 Millionen Euro bewertet werden. Außerdem gehört den Samwers eine Projektentwicklungsgesellschaft in Porto, auf deren Grundstück eine gewerbliche Immobilie errichtet und wieder abgestoßen werden soll. Die Immobiliengeschäfte machten weniger als ein Prozent der Bilanzsumme aus, so der Rocket-Chef. Neue Immobilien wolle das Unternehmen aufgrund der Marktbedingungen aktuell nicht kaufen.
  • Dennoch wurde der Aufsichtsrat bei solchen Entscheidungen entmachtet. Will Rocket Internet künftig Grundstücke unter einem Wert von 50 Millionen Euro kaufen, muss das Gremium nicht mehr um Zustimmung gebeten werden, wurde in der Hauptversammlung entschieden. 
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Bild: Chris Marxen / Gründerszene