Delisting: Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer bei der Hauptversammlung 2017
Früher hat Oliver Samwer auf der Hauptversammlung noch Krawatte und Jackett getragen – wie hier 2017. Mittlerweile sitzt er lieber mit aufgeknöpftem Hemd vor seinen Aktionären.

Schon im vergangenen Jahr habe Rocket Internet über ein Delisting nachgedacht, gab Chef Oliver Samwer bei der heutigen außerordentlichen Hauptversammlung zu. Damals dementierte er die Gerüchte noch. Vor zwei Monaten hätten Vorstand und Aufsichtsrat dann angefangen, über den Rückzug zu diskutieren. Knapp zwei Millionen Euro seien für Beratungskosten in den vergangenen Wochen draufgegangen, sagt Samwer auf Nachfrage von Aktionären. Und nun ist es offiziell: Die Mehrheit der Rocket-Gesellschafter, etwa 81 Prozent der Stimmen, sind für den Austritt. 

Das Ergebnis war allerdings schon vor der Versammlung beschlossene Sache – allein Oliver Samwer und Global Founders Capital besitzen zusammen 49 Prozent. Baillie Gifford hält knapp sieben Prozent und Union Investment drei Prozent. Über der drei-Prozent-Grenze befinden sich sonst keine weiteren Aktionäre, so Aufsichtsratsvorsitzender Marcus Englert.

Widerspruch gegen Tagespunkte

Die Kleinanleger sind von den Plänen gar nicht begeistert. Bei der heutigen Versammlung standen zwei Tagesordnungspunkte auf der Agenda: die Kapitalherabsetzung und das Rückkaufprogramm. Mehrere Gesellschafter haben gegen beide Themen einen Gegenantrag gestellt, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Und auch die Fragen, die Stimmrechtsinhaber vorab einschicken konnten, lassen eins erkennen: Die Aktionäre sind stinksauer auf Oliver Samwer.

Als Rocket Internet an die Börse ging, war das Wertpapier noch 42,50 Euro wert. Jetzt sollen die Gesellschafter mit 18,57 Euro abgespeist werden. Das stößt den Kleinanlegern sauer auf. Der Preis kratzt beinahe am Allzeittief aus 2017 von rund 15 Euro.

Vier Stunden Aktionärsfragen beantworten

Auch wenn sie Samwer nicht vor Ort mit Fragen löchern konnten, haben die Aktionäre ihre Kritik schriftlich geäußert. Und zwar in Massen: Für die aktuelle Hauptversammlung wurden 180 Anmerkungen eingeschickt. (Zum Vergleich, bei der Jahresversammlung im Mai waren es noch 48.) Und einige Aktionärsschützer ließen schon in der Fragestellung verlautbaren, dass sie gegen das Delisting stimmen würden. Oliver Samwer, Neu-Vorstand Soheil Mirpour und Aufsichtsratsvorsitzender Englert lasen die Fragen und vorbereiteten Antworten mit monotoner Stimme vor – meist ausweichend und repetitiv.

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Eine Frage kam immer wieder auf: Warum? Ein Grund laut Samwer ist, dass Rocket Internet als börsennotiertes Unternehmen viel Geld an Berater und externe Dienstleister zahlen muss, beispielsweise für Quartalsabschlüsse. Rocket wolle künftig nur noch die nötigsten Berichte abgeben und so auch weniger Druck von der Öffentlichkeit bekommen. Der Inkubator will also Kosten sparen. Außerdem hätten die Anleger zunehmend Vertrauen und Interesse verloren, weil ihnen das Geschäftsmodell nicht klar gewesen sei, so Samwer. 

Steht schon ein Rieseninvestment in den Startlöchern?

Samwer sprach außerdem von anderen Tech-Unternehmen, die in der Vergangenheit dreistellige Millionenbeträge außerhalb des Aktienmarkts eingesammelt haben. Dass es jetzt diesen Zugang zu privatem Kapital, vor allem von Private-Equity-Firmen und Pensionsfonds, verstärkt gebe, sei zum Börsengang vor fünf Jahren nicht abzusehen gewesen. Ob es schon Kapitalgeber gibt, die nach dem Delisting in den Inkubator investieren wollen, ließ Samwer jedoch nicht durchblicken. 

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Mehr als viereinhalb Stunden dauerte das Prozedere, bis das Ergebnis verkündet wurde. Die knapp 19 Prozent der Stimmen, die gegen den Börsenrückzug gestimmt haben, konnten im Anschluss Widerspruch einlegen. Ihnen wird freigestellt, ob sie ihre Anteile auch nach dem Austritt behalten wollen. Dann könnten sie nicht mehr mit ihren Stückzahlen handeln, sondern müssten sie am Privatkapitalmarkt verkaufen. Die Kleinanleger, die unter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz versammelt sind, hätten dies etwa vor, so ihr Interessenvertreter Christian Röhl. Obendrein haben Aktionärsschützer bereits angekündigt, mögliche Klagen gegen Rocket Internet zu überprüfen, wie das Handelsblatt berichtet.

Bild: Chris Marxen / Gründerszene