Mit den Spendit-Karten können Nutzer in 43 Millionen Läden bezahlen. Die Abgrenzung zu Geld ist daher schwierig, findet das Finanzamt.
Mit den Spendit-Karten können Nutzer in 43 Millionen Läden bezahlen. Die Abgrenzung zu Geld ist daher schwierig, findet das Finanzministerium

Bei den Startups Spendit und Givve dreht sich gerade alles um Paragraf 8 des Einkommensteuergesetzes. Darin ist festgelegt, dass Arbeitgeber ihren Angestellten jeden Monat zusätzlich zum Lohn Sachleistungen im Wert von 44 Euro geben können – steuerfrei.

Update vom 31. Juli 2019: Die Bundesregierung hat den Gesetzesentwurf bearbeitet und den Passus, der das Geschäftsmodell von Spendit und Givve gefährdete, gestrichen. Das heißt, die Startups können ihre Geschäftsmodelle wie gehabt fortführen. 

Dieser Artikel erschien zuerst am 21. Mai 2019.

Daraus haben beide Startups ein Geschäftsmodell gemacht. Sie bieten Unternehmen Mastercards an, die diese ihren Mitarbeitern aushändigen können. Anstatt den Angestellten, wie früher oft üblich, Tank- oder Einkaufsgutscheine im Wert von 44 Euro zu gewähren, können die Firmen diesen Betrag auf die Mastercard überweisen. Der Vorteil: Die Arbeitnehmer können sich selbst aussuchen, was sie von dem Geld kaufen. Spendit und Givve sprechen beide von 43 Millionen Läden, in denen Arbeitnehmer mit den Mastercards zahlen können. 

Auch andere Firmen bieten solche Karten an, etwa Edenred und Paycenter. Sechs Millionen Arbeitnehmer sind laut einer Ipsos-Studie in Deutschland im Besitz einer Mastercard für steuerfreie Sachbezüge. Allein Givve und Spendit hätten zusammengerechnet knapp 500.000 Karten ausgegeben, so ein Sprecher von Spendit zu Gründerszene. Givve spricht von 8.000 Unternehmenskunden, Spendit von 4.000. 

Überweisungen bis 10.000 Euro möglich

„Nahezu universell“ könne man die Mastercard einsetzen, schreibt Givve auf seiner Website. Heißt: Die Karte hat für ihren Besitzer nahezu dieselbe Funktion wie Geld, weil er damit an Millionen von Orten bezahlen kann. Das sieht der Bundesfinanzhof unter Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als problematisch an. Denn für Geldleistungen gilt die Steuerfreiheit nicht – sie gilt laut des oben genannten Paragrafen 8 nur für Sachleistungen. Was diese Sachleistungen sind, ist in dem Gesetz aber nicht näher definiert. Diese Lücke kommt den Startups derzeit zugute, auf ihr fußt ihr Geschäftsmodell: Die Firmen selbst legen ihre Mastercards als Gutscheine und demnach als Sachleistungen aus.

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Aus dieser Gesetzeslücke resultiert noch eine Schwierigkeit. Durch einen weiteren Paragrafen des Steuergesetzes (37b) ist es Arbeitgebern über die 44-Euro-Regel hinaus erlaubt, Angestellten einmal pro Jahr Sachleistungen mit einem Wert von bis zu 10.000 Euro zu gewähren. Diese sind für die Angestellten nicht mehr steuerfrei, sondern pauschal mit 30 Prozent zu versteuern. Givve und Spendit ermöglichen es den Unternehmen, 10.000 Euro auf die Mitarbeiter-Mastercard zu überweisen, anstatt ein Geschenk oder einen Gutschein mit diesem Wert auszugeben. 

Spitzenverdiener werden bevorteilt

Dem Bundesfinanzhof ist jetzt aufgefallen, dass dadurch Spitzenverdiener bevorteilt werden können. Sie haben meist Steuersätze von 45 Prozent – also mehr als die 30 Prozent für Sachleistungen zwischen 45 und 10.000 Euro. Ein Beispiel: Ein Spitzenverdiener handelt eine Gehaltserhöhung in Höhe von 10.000 Euro aus. Unter normalen Umständen würde diese Summe mit dem regulären Gehalt überwiesen und entsprechend besteuert werden. Zahlt der Arbeitgeber die Summe aber auf eine Givve- oder Spendit-Mastercard, muss sie nur mit 30 statt 45 Prozent besteuert werden. „Diese offensichtlich ungerechte Steuergestaltung müssen wir beenden“, schreibt die SPD in einer Stellungnahme. Sie sei dem Bundesfinanzhof „dankbar, dass er auf diesen Missstand aufmerksam gemacht hat“. 

Spendit-Gründer Florian Gottschaller findet, dass die SPD übertreibt. „Die Verwendung des Paragrafen 37b über Lösungen wie unsere Spendit-Card wird stark überschätzt“, sagt er gegenüber Gründerszene. Von bisher rund 72.000 Aufladungen auf Spendit-Mastercards hätten nur acht einen Wert von mehr als 9.000 Euro gehabt.

Gesetzesentwurf: Mastercard gleich Geld 

Das Finanzministerium macht trotzdem Ernst. Es möchte den Gesetzestext ändern, der es den Startups ermöglicht, ihre Mastercards als Sachleistungen zu bezeichnen. Dazu soll der Begriff Geldbezüge in Paragraf 8 genauer definiert werden: „Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten (…)“, heißt es in dem Entwurf. Das Wort Mastercard taucht zwar nicht explizit auf, aber im weiteren Text wird deutlich, dass „Geldsurrogate“ für die Karten steht. Die Geldleistungen auf die Spendit- und Givve-Karten wären also, wenn das Gesetz durchkommt, keine Sachbezüge mehr. Sie müssten stattdessen wie normales Gehalt besteuert werden. Die Mastercards der Startups wären demnach sinnlos. 

Gottschaller kann dem Gesetzesentwurf entsprechend wenig abgewinnen. Er sei „ein sichtbarer Rückschritt im Bemühen, digitaler und innovativer zu werden und die Monopolgefahr durch amerikanische Konzerne zu beschränken“, sagt er. Er befürchtet, dass die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern anstelle der Überweisungen auf die Mastercards Amazon-Gutscheine schenken werden, wenn das Gesetz in Kraft ist. Auf Amazon können sich Arbeitnehmer nämlich ähnlich flexibel aussuchen, was sie sich von den 44 Euro kaufen möchten.

Steuerexperten sind nicht überrascht 

Auch wenn Givve und Spendit aufgebracht sind: Laut Steuerrechtsexperten kommt der Entwurf nicht überraschend. Das Geschäftsmodell der Prepaid-Karten-Startups basierte schließlich von vornherein auf einer Gesetzeslücke. „Arbeitgeber können bis zu 10.000 Euro pauschal versteuert auf die Prepaid-Kreditkarten zahlen. Dass man dieser Variante der Entgeltoptimierung einen Riegel vorschieben will, ist grundsätzlich nachvollziehbar“, sagt Steuerrecht-Anwalt Martin Friedberg von der Kanzlei CMS gegenüber Gründerszene.

Er plädiert aber dafür, dass der Gesetzgeber zumindest die Regelungen für Gutscheine lockert. Würde das Gesetz durchkommen, wären nur solche Gutscheine Sachbezüge, die bei einem bestimmten Händler einlösbar sind. Das bestätigte eine Sprecherin des Finanzminsteriums auf Nachfrage. Auch Produkte wie „Wunschgutschein“ wären demnach tabu. „Gutscheinkarten mit eingeschränktem Akzeptanzpartnernetz sollten meiner Ansicht nach auch unter die Ausnahme für Gutscheine fallen“, sagt Friedberg. Ansonsten würde das Gesetz „vor allem kleinere lokale Händler, die sich wegen der besseren Sichtbarkeit und einfacheren Umsetzung solchen Akzeptanzpartnernetzen anschließen, benachteiligen.“

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Laut der Sprecherin des Finanzministeriums kann es noch bis Ende des Jahres dauern, bis das Gesetz beschlossen wird. Derzeit liege der Entwurf bei der Ressortabstimmung, dann folgten das Kabinett, der Bundestag und der Bundesrat. In diesen Etappen werde voraussichtlich viel Lobbyarbeit der Befürworter und Gegner des Entwurfs betrieben. Es sei daher damit zu rechnen, dass der Gesetzesentwurf noch Änderungen unterzogen wird.

Gottschaller ist überzeugt, dass das Gesetz nicht durchkommt. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Situation der Arbeitnehmer verschlechtert wird und die Bundesländer, Verbände und Politiker das zulassen“, so der Gründer. Davon, dass er das Geschäftsmodell seines Startups anpassen muss, geht er daher nicht aus.

Bild: Spendit