Lade Premium-Inhalte...

Ist unter Gründerinnen und Investorinnen bestens vernetzt: Sarah Nöckel

Die Startup-Szene gibt sich gerne modern und fortschrittlich. Das ist sie in vielerlei Hinsicht auch. Doch bei einem Thema hinkt die Branche hinterher: der Gleichberechtigung. Viel zu wenige Startups werden von Frauen gegründet oder geführt und viel zu selten stehen Frauen mit einem Partner-Titel an der Spitze der Wagniskapitalgeber (VCs), die die Startups finanzieren.

Gründerszene hat mit einer Umfrage recherchiert, wie die Zahlen bei den aktivsten deutschen Geldgebern wirklich aussehen. Bei den meisten liegt die Quote der Startups im Portfolio, die von Frauen gestartet wurden, bei unter 12 Prozent. Und bei fast allen wichtigen Venture-Capital-Gebern, darunter Holtzbrinck Ventures, Earlybird, Project A, oder Acton Capital, tragen ausschließlich Männer einen Partner-Titel und sind damit die Entscheidungsträger.

Lest auch

Warum ist das so? Wir haben Sarah Nöckel, Investorin bei Northzone mit Sitz in London, gefragt. Die 29-jährige kommt aus Erfurt. Sie sucht nicht nur nach neuen Startups, sie hat auch einen Newsletter namens Femstreet gestartet, der über Frauen in der internationalen Tech-Szene berichtet und jeden Monat Tausende Nutzerinnen erreicht, vor allem Gründerinnen und Investorinnen.

Sarah, die meisten einflussreichen Startup-Investoren in Deutschland sind Männer. Ist das ein Problem für Gründerinnen?

Ja, definitiv. Denn die Investoren sind die Entscheidungsträger. Da sie aber vor allem in Personen aus ihrem Netzwerk investieren, bekommen meistens andere Männer das Geld. Frauen haben es viel schwerer, weil sie oft nicht in diesen Netzwerken sind. Es ist an der Zeit für Investoren, nach Unternehmen außerhalb ihres homogenen Netzwerks zu suchen. Ich bin sehr froh, dass ihr bei Gründerszene einige Zahlen für Deutschland veröffentlicht habt. Deutschland hinkt bei dieser Diskussion bislang hinterher, in England oder in Schweden hat sich da schon viel getan, es arbeiten dort mehr Frauen als Investorinnen.

Bei einem Wagniskapitalgeber haben die mächtigsten Mitarbeiter einen Partner-Titel. Warum sind so wenige Frauen unter ihnen?

Die Antwort ist komplex. Gerade in Deutschland haben viele Investoren vorher als Banker oder Berater gearbeitet. Oder sie gehörten zu den frühen Mitarbeiter eines erfolgreichen Startups und haben so viel Geld verdient. Aber auch das sind häufig Männer. Außerdem muss ein Investor, wenn er den Titel Founding Partner oder General Partner trägt, meistens sein eigenes Geld in den Fonds stecken. Das sind oft sechs- oder sogar siebenstellige Beträge. Man muss es sich also auch leisten können, General Partner bei einem VC zu werden oder seinen eigenen Fonds zu starten. Auch dieses Investment wagen offenbar häufiger die Männer.

Viele Investoren sagen, dass sie bewusst auf Gründerinnen achten. Trotzdem wird deutlich weniger Geld in die Ideen von Frauen als in die von Männern investiert. Warum?

Frauen gründen oft in Bereichen, die Männer nicht ansprechen, weil sie diese nicht verstehen. Wenn eine Frau beispielsweise im Bereich Female Health oder im Bereich Medien gründen möchte, weil sie dort für sich und die Zielgruppe Bedarf sieht, dann kann das ein männlicher Partner bei einem Wagniskapitalgeber häufig nicht nachvollziehen und investiert dann nicht. Das führt dazu, dass Frauen häufig gar nicht gründen, weil sie es sich ohne das Wagniskapital nicht leisten können.

Lest auch

Aber sie könnten ja auch erst einmal ohne viel Geld loslegen und so beweisen, dass sie wirklich an ihre Idee glauben. Dann lassen sich die Investoren möglicherweise doch noch überzeugen.

Viele geben ihre Idee dann vermutlich auf, weil sie sich fragen: Warum sollte ich überhaupt gründen? Ich muss mehr arbeiten, verdiene durch das fehlende Investment in den ersten Monaten und Jahren fast gar nichts, habe keinen Firmenwagen, kein Firmenhandy, sondern nur Ausgaben. Schon die Anmeldung einer Gmbh kostet schließlich 25.000 Euro. Es ist dann also schlichtweg einfacher, bei einem großen Unternehmen zu arbeiten.

Es liegt also tatsächlich an den fehlenden Investments, dass Frauen seltener gründen?

Ich denke schon, denn dann könnten sich die Gründerinnen von Beginn an ein normales Geld zahlen, gute Mitarbeiter einstellen und vieles mehr. Aber Frauen gründen auch seltener, weil sich eine Gründerkarriere und Familie nur sehr schwierig vereinen lässt oder oder sie keine erfolgreiche Gründerin in ihrem Umfeld haben. Vorbilder sind extrem wichtig.

Einige Investoren sagen, Frauen würden ihre Ideen anders und nicht so überzeugend präsentieren wie Männer. Was ist deine Erfahrung als Investorin?

Bei Frauen herrscht oft eine gewisse Unsicherheit. Die Gründerinnen sind oft zu ehrlich und nicht aggressiv genug, was das Wachstumspotenzial ihrer Idee betrifft. Der Investor denkt vor allem auch an die Gewinne und an die Verpflichtungen gegenüber der Geldgeber seines Fonds. Er will also, dass eine Gründerin mit ihrer Idee schnell viel Wachstum erzeugt und Umsatz erwirtschaftet. Wenn sie nicht rüberbringen kann, dass sie das schafft, wird sie den Geldgeber nicht überzeugen.

Dabei ist Ehrlichkeit doch prinzipiell gut. Was muss sich also ändern?

Wagniskapitalgeber sollten sich intern eigene Regeln stecken. Beispielsweise, dass mindestens zehn Prozent der Startups, die sie finanzieren, von Gründerinnen gestartet werden müssen. In den USA gibt es beispielsweise eine große Organisation, die Allraise heißt. Die setzt sich dafür, dass unter den Entscheidungsträgern bei den VCs mehr Frauen arbeiten und mehr Gründerinnen mit Wagniskapital finanziert werden. Solche Initiativen braucht auch Deutschland, das wäre hilfreich.

Lest auch

Bild: Northzone
Lade Premium-Inhalte...