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Eine, die auffällt: Auf der Konferenz Hinterland of Things in Bielefeld Mitte Februar ist Sarna Röser im roten Jumpsuit unterwegs.

Dieser Artikel erschien zuerst am 27. Februar 2020. Weil er besonders viele Leserinnen und Leser interessierte, veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. 

Betonrohre, Kanalbau, Zisternen – wer sich für ein hippes neues Produkt oder Tech-Geschäftsmodelle interessiert, für den dürften sich diese Begriffe nicht sonderlich sexy anhören. Für Sarna Röser, 32, sind sie die Zukunft. Sie wird eines Tages die Nachfolge ihres Vaters Jürgen Röser antreten, der derzeit Geschäftsführer der Karl Röser & Sohn GmbH ist. Die mittelständische Firma mit Sitz im baden-württembergischen Mundelsheim stellt zum Beispiel Zementrohre her.

Seit März 2019 ist Röser Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer. Der Verband vertritt die Interessen von designierten und amtierenden Familienunternehmerinnen und Firmeneigentümern, die nicht älter als 40 sind. Röser hat daneben eigene kleine Firmen und Projekte aufgebaut oder unterstützt: Beamcoo zum Beispiel, eine digitale Plattform für Wissensaustausch. Über die Beteiligungsgesellschaften ihrer Familie hat die studierte BWLerin außerdem in Startups investiert, darunter die Online-Sprachschule Lingoda und, so erzählt sie Gründerszene, der Smoothie-Hersteller Oya.

Sarna, was macht dir mehr Spaß: nachfolgen oder gründen?

Beides macht mir Spaß, weil es so unterschiedlich ist. Ich hatte schon immer viele Ideen, bin mit unserem Familienunternehmen aufgewachsen, das Unternehmertum war immer ein Teil von mir. Gleichzeitig ist für mich klar, dass ich mir unabhängig von meiner Familie etwas aufbauen möchte. In meinen Startups werde ich mit ganz anderen Fragen konfrontiert: Ist mein Produkt oder meine Dienstleistung die richtige? Schaffe ich es, ein gutes Team aufzubauen?

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Mit dieser Antwort habe ich gerechnet. Also nochmal, wenn du dich entscheiden müsstest: nachfolgen oder gründen?

Dann würde ich das Familienunternehmen übernehmen und innerhalb des Betriebs meine eigenen Projekte umsetzen. Das lässt sich recht gut miteinander kombinieren. Wir haben eine Generation an jungen Nachfolgerinnen und Nachfolgern, die parallel zur Übernahme ihr eigenes Ding machen oder Spin-offs ausgründen. Den Wunsch nach Selbstverwirklichung spüre ich in der jungen Generation der Nachfolgenden sehr deutlich. Bei mir ist das Familienunternehmen auch eine Lebensentscheidung.

Du bist 32, andere wechseln in deinem Alter gerade den Job oder denken darüber nach, eine Familie zu gründen. Du wirst eines Tages eine Firma mit jahrzehntelanger Geschichte leiten. Ganz schön viel Verantwortung. Was macht diese Aussicht mit dir?

Meine Eltern haben es mir überlassen, ob ich ins Familienunternehmen einsteige. Das hat den Druck extrem rausgenommen und so kann ich mich frei dafür entscheiden. Die Verantwortung wächst mit jedem Geburtstag, den man feiert. Und irgendwann steht man selbst eines Tages als Firmenchef vor den Mitarbeitern und trägt Verantwortung. Das verlangt eine riesige Portion Mut. Es muss natürlich auch passen: die eigenen Fähigkeiten für die Rolle des Firmenchefs. Auch die Leidenschaft fürs Unternehmertum muss da sein, mit allen guten und schlechten Zeiten, die es mit sich mitbringt. Diese Leidenschaft braucht es, um mit Gewinneinbrüchen und Umsatzrekorden, mit Expansionen und Kündigungswellen zurechtzukommen. Natürlich müssen auch die politischen Rahmenbedingungen passen. Und die stimmen häufig nicht. So ist beispielsweise die bürokratische Last der häufigste Grund dafür, dass sich Menschen gegen das Unternehmer-Dasein entscheiden.

Findest du, junge Leute sollten häufiger alte Firmen übernehmen statt gleich eigene zu gründen?

Letztlich ist es egal, ob du Gründerin oder Nachfolgerin bist, beides sind Unternehmerinnen. Beide gehen ins Risiko. Wenn ich einen Betrieb übernehme, habe ich Verantwortung für Mitarbeiter und muss mich in bestehenden Strukturen zurechtfinden. Oft ist so eine Unternehmensübernahme für junge Menschen sogar eine größere Herkulesaufgabe, weil sie sich erstmal beweisen müssen, und trotzdem ihren eigenen Weg gehen und ihren eigenen Fußabdruck hinterlassen wollen.

Ist es nicht so, dass junge Leute heute lieber den Planeten retten als etwas von Wirtschaft und Wachstum wissen wollen?

Ich wünsche mir, dass sich junge Leute mehr mit Wirtschaft beschäftigen. Wir haben im Verband mal Schulbücher analysiert und festgestellt, dass Wirtschaft darin so gut wie keine Rolle spielt. Wie funktionieren wirtschaftliche Abläufe, was haben wir eigentlich für ein System in Deutschland? Die soziale Marktwirtschaft und das Unternehmertum sind fast nicht präsent, was zur Folge hat, dass sich junge Leute wenig damit beschäftigen. Da sehe ich ein großes Problem. Denn wir brauchen die Wirtschaft, um zum Beispiel den Klimaschutz zu betreiben. Wir brauchen die Wirtschaft, um erfolgreich zu sein im Land, um Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft erhalten zu können. Sonst ist der Wohlstand in unserer Gesellschaft in Gefahr.

Verstehe ich es richtig, dass sich Klimaschutz aus deiner Sicht der Wirtschaft unterordnen sollte?

Beides muss in Einklang miteinander kommen. Ich finde, wir haben durch Fridays for Future gesehen, dass es junge Menschen schaffen, ein Thema in die breite Bevölkerung zu tragen. Das ist gut und richtig so. Jetzt haben alle erkannt, auch Unternehmen, das etwas passieren muss. Klimaschutz ist ein Thema, das wir als Familienunternehmer schon seit vielen Jahrzehnten im Blick haben. Im Vergleich zu Konzernen denken wir in Generationen, handeln eher umweltverträglich und sozial. Deshalb dürfen wir Unternehmen nicht pauschal anprangern. Momentan sind Unternehmen die Bösen, die unglaublich viel Energie verbrauchen, viel CO2 ausstoßen. Von da müssen wir weg und in einen sinnvollen Dialog kommen. Wir müssen gemeinsam in Innovationen investieren, die ganzen klugen Köpfe, die wir haben, dafür nutzen. Nur mit neuen Lösungen und Innovationen können wir es gemeinsam schaffen, den CO2-Ausstoß in Zukunft zu verringern.

Wenn du eine Sache ändern könntest, welche wäre das?

Dass sich immer weniger Menschen dazu entschließen, Unternehmen zu gründen (laut KfW-Gründungsmonitor ist die Gründerquote in Deutschland seit 2014 rückläufig, wobei Startup-Gründungen davon weniger betroffen sind als Existenzgründungen insgesamt, Anm. d. Red.) oder Unternehmen zu übernehmen. Ich habe erst neulich eine Studie gelesen, die ich erschreckend fand. Während hierzulande auf 1.000 Erwerbstätige 4,4 Gründer kommen, sind es in Großbritannien 8,3 und in Israel sogar 11,6. Irgendwas läuft also schief, dass wir nicht das Umfeld haben, in dem junge Leute mutig sind. Ich glaube, dass das an unserem Bildungssystem liegt. Wir produzieren Manager und keine Unternehmer. Unseren Kindern bringen wir eben nicht bei, für ihre Träume zu kämpfen, durchzuhalten, auch mal stehenzubleiben, egal wie stark der Wind bläst. Dieser Wille, ins kalte Wasser zu springen und auch mal Fehler zu machen, diese Gründerkultur fehlt uns hier total.

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Ganz konkret: Was schlägst du vor, damit die Zahl der Gründerinnen und Nachfolger wieder nach oben geht?

Neben den Baustellen in der Bildung sehe ich, dass umständliche Amtswege und verfehlte Überregulierung davon abschrecken ein Unternehmen zu gründen oder erfolgreich weiter zu führen . Was Gründern helfen würde, wäre ein Unternehmer-Desk im Amt, spezialisiert auf Unternehmensgründungen. Hier könnten Gründer zielgenau informiert anstatt von von A nach B geschickt werden. Außerdem wäre eine digitale Verwaltung ein Segen für alle Gründer, Nachfolger und Bürgerinnen und Bürger.

Hattest du dir zu deinem Amtsantritt etwas vorgenommen, das sich als schwieriger herausgestellt hat als du ursprünglich dachtest?

Ja, leider vieles. Ich bin Unternehmerin durch und durch, in einem Unternehmerhaushalt groß geworden. Für mich war es immer so: Ich setze mir ein Ziel, dann arbeite ich darauf hin und es geht flott, einfach weil ich den Willen habe, es umzusetzen. Ich habe gemerkt, dass man unglaublich viel Ausdauer braucht. Ich spreche viel mit Politikern und sage ihnen: Hey, da muss endlich etwas passieren, sonst verschläft dieses Land die Digitalisierung. Ich muss wieder und wieder das gleiche Thema ansprechen. Das ist echt zäh und manchmal ernüchternd. Ich musste verstehen, dass die Mühlen in der Politik langsamer mahlen. Ich meine, wie lange reden wir schon über Digitalisierung, zum Beispiel in der Verwaltung und über Breitbandausbau?

Stichwort digitale Verwaltung. Wenn es um Ämter und Behörden in Deutschland geht, schaust du gern nach Estland. Das baltische Land gilt als Digitalparadies. 2017 gab es dort aber ein großes Datenleck bei ID-Karten, dem estnischen Pendant zum deutschen Personalausweis. Was denkst du, wenn du so etwas hörst?

Erstmal klingt es dramatisch. Aber dann kommt man schnell darauf, dass unsere analogen Daten auch nicht immer sicher sind. So werden bei jedem Handtaschenraub personenbezogene Daten geklaut. Oder denk an die Krankengeschichte von Michael Schumacher: die ist trotz ärztlicher Schweigepflicht ganz analog in die Medien gewandert. Daran sieht man wie wichtig Cybersicherheit ist und dass wir den Fokus stärker darauf legen müssen. Insbesondere personenbezogene Daten brauchen einen wirkungsvollen Schutz. Dieser Schutz sollte jedoch wirtschaftliche Innovation und Forschungsleistungen – wie etwa im medizinischen Bereich oder zu Fragen der Künstlichen Intelligenz – nicht verhindern.

Du findest also, dass man solche Pannen in Kauf nehmen muss?

Ja, denn das ist keine Frage von digital oder analog. Natürlich sind Daten sind ein sehr sensibles und wichtiges Gut. Man sollte die Datensicherheit immer im Auge haben. Wir sollten jedoch das Machen nicht vergessen. Nur beim Tun erkennt man, wo Fehler im System sind und wo man Lecks schnell schließen muss. Wie im Startup. Da merkt man oft auch erst im Gehen: Oh, das ist vielleicht noch nicht der richtige Kurs. Das gehört dazu. Ziel muss ein lebendiges Datenökosystem sein, das Datenschutz und Innovation vereint.

Bild: Elisabeth Neuhaus / Gründerszene
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