Marketingvorstand Alexander Jobst

Auf den ersten Blick ist beim Fußball wenig digital. Auf dem Feld stehen Spieler, die den Ball vollkommen analog mit ihren Füßen treten. Fans gehen noch immer ins Stadion, um dort ihre Mannschaft hautnah anzufeuern. Doch auf den zweiten Blick schreitet die Digitalisierung auch in Fußballvereinen voran. So wird etwa in der DFB-Akademie geforscht, wie Virtual Reality das Training der Spieler verbessern könnte.

Auch auf unternehmerischer Seite halten Technologie und Digitalisierung Einzug. Vereine nutzen digitale Wege, um sich internationaler aufzustellen. So auch der Erstligist Schalke 04. Im Gespräch erzählt S04-Marketingvorstand Alexander Jobst, welche Herausforderungen dem Fußballverein aus dem Ruhrgebiet dabei begegnen und wieso er die Hilfe von Startups braucht.

Herr Jobst, was bringt die Digitalisierung einem Fußballverein?

Wir sehen das riesige Potential, unsere über 150.000 Mitglieder und knapp zehn Millionen Sympathisanten über die Digitalisierungsmaßnahmen noch näher an den Verein zu binden und dem Fan individuelle Informationen und Angebote zu Schalke 04 zukommen zu lassen. Dadurch soll er, egal woher er stammt und wo er auf Schalke 04 aufmerksam gemacht wird, den Klub aus der Nähe sehen und spüren. Da ist die Digitalisierung ein wunderbares Instrument, um den Fans Mehrwerte zu bieten. Wir sehen sehr viele Chancen und sehr viele Herausforderungen und gleichzeitig nur wenige Risiken. Mit den Risiken wie Datenschutz gehen wir sehr behutsam um, weil die Fans unser höchstes Gut sind.

Wie genau sieht die digitale Bindung der Fans aus?

Die entsteht beispielsweise durch digitale Spieltagsangebote, bei denen wir unsere Fans über unsere App und unsere Homepage von morgens bis in den Abend nach Abpfiff hinein begleiten. Der Fan hat die Wahl, ob er diese Angebote und Informationen tatsächlich erhalten möchte.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Der Fan steht auf und wird über ein Wecksignal [der Schalke-App] erinnert, dass heute Spieltag ist. Dann wird er über die Wetterprognose informiert. Ein, zwei Stunden später über das Verkehrsaufkommen, dann wird ihm der Parkplatz am Stadiongelände zugewiesen. Sobald er sich im Stadiongelände aufhält, wird er über Sponsorenaktivitäten und Merchandising-Spieltagangebote informiert. Er bekommt exklusiv die Mannschaftsaufstellung zeitnah auf das Smartphone geschickt oder kann irgendwann sein Essen mobil bestellen. Nach dem Spiel gibt es einen Ausklang, am besten mit einer schönen Nachricht der Mannschaft, sodass ihm das Stadion- und Spieltagserlebnis noch näher, noch transparenter und exklusiver vermittelt werden kann.

Was für Optionen gibt es für Fans, die nicht vor Ort sind?

Wir nutzen die Digitalisierung sehr stark, um unsere Internationalisierung voranzutreiben. Das passiert mit contentpezifischen Informationen für chinesische, japanische oder US-amerikanische Fans. Wir tragen individuellen Content über die digitalen Kanäle an unsere Fans heran. Wir wissen genau, wo sich unsere Fans mit Schalke identifizieren, ob es tatsächlich richtige Fans oder nur Sympathisanten sind oder jemand, der am Zeitpunkt X irgendwann mal auf Schalke aufmerksam gemacht wurde und den wir nun versuchen, als Fan zu gewinnen.

Das klingt nach einer Menge Daten, die Sie über die Fans sammeln. Wie werden diese genutzt?

Die Daten werden selbstverständlich für Analysen genutzt, um das Verhalten unserer Fans näher kennenzulernen und den Fan gleichzeitig nicht mit Dingen zu konfrontieren, die ihn nicht interessieren. Wir werten diese Daten aus, um seine Sympathien und Wünsche entsprechend berücksichtigen zu können. Der Fan hat – sobald er eine erste Mitteilung erhält – die Möglichkeit, einzuwilligen, dass er auch zukünftig Informationen zu Schalke 04 erhalten möchte und kann dies jederzeit ändern.

Was hat Sie bei diesen Analysen überrascht oder Ihnen sehr geholfen?

Wir gewinnen sehr viele Erkenntnisse über die Interessen von Fans. Aufgrund unserer unterschiedlichen Angebote haben wir früher insgesamt sieben unterschiedliche Newsletter an unsere Fans gesendet. Das war ein Newsletter des Knappenkids-Clubs, ein Spieltag-Newsletter oder einer mit Mitgliederinformationen. Das war natürlich für den Fan zu viel und er hat sich damit weder abgeholt noch wohl gefühlt. Wir haben den Newsletter inzwischen komprimiert und schalten ihn mit unterschiedlichen Informationsschwerpunkten. Je nachdem, wie wir den Fan bisher kennengelernt haben, können wir den Newsletter individuell an den Fan adressieren. Das ist etwas, was unsere Fans sehr positiv aufnehmen und es entsprechend mit Sympathie und Interaktion zurückzahlen.

Bild: FC Schalke 04 – Karsten Rabas

Seit einer Weile hat Schalke 04 nicht nur ein Fußball-, sondern auch ein E-Sport-Team, so Marketing-Chef Alexander Jobst. 

Es geht also um Optimierung.

Es ist uns ein Anliegen, dass wir als Verein wirtschaftlich von digitalen Strategien profitieren und genau wissen, wann wir welche Schwerpunkte und Angebote als Informationen für die Fans schalten wollen und können. Wir können das inzwischen so gut steuern, dass wir – entgegen dem Trend der Bundesliga, dass Merchandise-Zahlen rückläufig sind – in den vergangenen zwölf Monaten ein Umsatzwachstum im Merchandising verzeichnen. Das führen wir insbesondere auf unsere Digitalisierungsmaßnahmen zurück.

Außer dem Newsletter, der App und den Datenanalysen – gibt es andere digitale Lösungen wie etwa papierlosen Einlass mit dem Smartphone?

Ticketing ist in der Umsetzungsphase. Es ist eine Frage der Zeit, wann Mobile Ticketing im Stadion auch für alle Fans möglich ist. Wir haben eine Bezahlfunktion im Fan-Trikot. Dieser Chip kann über unsere App mit einem Barguthaben aufgeladen werden, dann können die Fans damit das Bier, die Wurst und die Merchandising-Artikel bezahlen. Da der Chip mit unserer Schalke-App gekoppelt ist, generieren wir daraus nicht nur Traffic, sondern wissen auch, wie der Fan welche Artikel oder Nahrungsmittel im Rahmen eines Aufenthalts bei Schalke 04 konsumiert hat. Mit Beginn der neuen Saison werden alle unsere Trikots mit den Chips versehen sein – ohne Mehrkosten für unsere Anhänger. Das ist ein Mehrwert für den Fan und er kann selbst entscheiden, ob er das Trikot als Bezahlfunktion wahrnimmt oder ob er weiterhin mit der Knappenkarte bezahlt.

Veranstaltet Schalke 04 auch Events wie Hackathons?

Wir haben im vergangenen Jahr einen Hackathon auf dem Sports Media Summit in Köln durchgeführt. Es war ein erster Testballon. Wir haben vor, diese Veranstaltung auch in Zukunft in der Veltins-Arena auszutragen. Wir kennen inzwischen unzählig viele Startupunternehmen, auch im Ruhrgebiet, die Produkte aus der Sportwelt entwickeln. Diese können im besten Fall am Beispiel Schalke 04 in der Arena, auf dem Trainingsgelände und in den Shops getestet werden. Es entsteht eine Entwicklung, in der wir Startups helfen wollen, Schalke als Testobjekt zu betrachten. Wenn es funktioniert, kann daraus gemeinsam ein Geschäftsmodell entwickelt werden.

Gibt es denn bereits Zusammenarbeit mit Startups?

Die gibt es. Dazu kann ich im Moment noch nicht viel öffentlich sagen, weil sich diese erst einmal auf Entwicklungen konzentriert. Wenn sie sich auszahlen, können wir darüber sprechen. Wir haben eine eigene Technologie-Abteilung, die sich mit zukünftigen, strategisch neuen Produkten beschäftigt und dort ist es ein wichtiger Bestandteil.

Wo könnten Sie denn ihre Hilfe gebrauchen?

Ich bin davon überzeugt, dass in unserer Gesellschaft das Thema Sicherheit eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Gerade in einem Fußballstadion wie der Veltins-Arena bei wöchentlich 62.000 Zuschauern ist es sehr wichtig. Wir wollen unseren Fans weiterhin ein sicheres und komfortables Stadionerlebnis garantieren. Aus dem Grund werden auch in den nächsten Jahren immer wieder Sicherheitsaspekte in unterschiedlichster Richtung in den Fokus rücken. Das ist uns ein großes Anliegen, das Ganze betiteln wir in unserem Arbeitsauftrag als „sicherstes Stadion in Deutschland“.

Bild: FC Schalke 04 – Karsten Rabas

„Wir werden nie vergessen, woher wir kommen“, sagt Jobst.

Wie könnte man die Sicherheit in einem Stadion verbessern? 

Durch verschiedenste Kameratechniken, frühzeitige Erkennung von Staus, Informationen über den Zuschauerandrang an verschiedenen Stellen oder die Frage, welche Tore öffnen zuerst, welche zuletzt. Da gibt es unzählige Technologien, die uns in der nahen Zukunft helfen werden, den Komfort und die Sicherheit für die Zuschauer noch besser zu garantieren.

In manchen etablierten Unternehmen ist es nicht leicht, Maßnahmen zur Digitalisierung umzusetzen. Nicht zuletzt, weil Vorstände und Mitarbeiter eher skeptisch eingestellt sind. War es denn schwierig, diese überall im Verein anzustoßen?

Das war sicherlich ein mühsamer Prozess. Inzwischen ist bei allen Beteiligten und Verantwortlichen – ob Vorstand oder Mitarbeiter – verinnerlicht, dass uns die Digitalisierung im wirtschaftlichen Wettbewerb Fußball viele Möglichkeiten für die Zukunft schafft und dass wir dahingehend auch investitionsbereit sein müssen. Wir wissen genau: Wenn wir uns dem Thema nicht widmen, es verinnerlichen und selbst am Steuerrad stehen, dann wird Schalke 04 mittel- und langfristig enorme Nachteile verspüren. Wir sehen als es riesige Chance und Herausforderung, verschiedenste Technologien zu entwickeln und umzusetzen. Wir können nicht alles im eigenen Haus umsetzen, sondern suchen dann auch die richtigen Partner.

Gibt es Kritik an der einhergehenden Internationalisierung, die zu mehr Kommerzialisierung führt?

Wir werden nie vergessen, woher wir kommen. Wir haben eine große Identifikation zur Lokalität und ein klares Bekenntnis zu unserer Herkunft. Auf der anderen Seite gewinnt der Wettbewerb zunehmend an Bedeutung, auch wirtschaftlich. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Schalke sich in der Digitalisierung und Internationalisierung entfaltet und da wichtige Schritte geht.

Dazu gehört seit einiger Zeit auch ein E-Sport-Team. Was waren die Gründe dafür?

Wir wollen uns so unabhängig wie möglich vom direkten sportlichen Erfolg wirtschaftlich aufstellen. E-Sport ist für uns eine Investition und ein Geschäftsfeld, in dem wir enormes Potential sehen. Das Interesse am E-Sport – im Hinblick auf die Internationalisierung – ist in Märkten wie Asien oder USA noch mal viel größer als aktuell in Deutschland. Über digitale effiziente Wege schaffen wir es, Schalke 04 über den E-Sport auch in diese Märkte zu tragen. Gleichzeitig hat E-Sport inzwischen eine wirtschaftliche Dimension erfahren, in der knapp eine Milliarde Euro im vergangenen Jahr umgesetzt wurde. Das weckt ein großes Interesse, weil man über E-Sport an eine ganz andere junge Zielgruppe herantreten kann, die wir über den herkömmlichen Fußball nicht erreichen. E-Sport wird in Zukunft dazu beitragen, dem Schalke 04 wirtschaftlich die nächsten Schritte zu ermöglichen und das Hauptgeschäft Fußball weiter zu fördern.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jobst!

Bild: FC Schalke 04 – Karsten Rabas