Sebastian Diemer will sich jetzt mit „aggressiver PR“ erst einmal zurückhalten.

Immer wieder steht das von Kreditech-Macher Sebastian Diemer mitgegründete Cannabis-Startup Farmako in den Schlagzeilen. Zuletzt verlor es mehrere Mitarbeiter, als der Investor Heartbeat Labs die Forschungseinheit des Unternehmens als neues Venture ausgründete. Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass erneut die Geschäftsführung ausgewechselt wurde: Jetzt leitet die ehemalige Finanzmanagerin der Flughäfen Frankfurt und Antalya, Katrin Eckmans, das Unternehmen.

Das Manager Magazin erklärte Diemer im Mai zum „High-Stapler“ und schrieb, dass viele Versprechungen von Farmako, darunter verheißungsvolle Forschungdurchbrüche, so nicht stimmen würden. In einem Interview mit dem Magazin t3n hat sich der Gründer nun zu den Anschuldigungen geäußert. Dass Farmako vor dem Aus steht, streitet er darin ab. Das Startup habe es „mit einem Kampf mit der öffentlichen Wahrnehmung zu tun und nicht mit einer ernsten Unternehmenskrise“, so Diemer. Im September 2018 hatten er und sein Team Farmako mit dem Ziel gegründet, medizinisches Cannabis zu importieren und an Apotheken in ganz Europa zu verkaufen.

Zu den verfehlten Umsatzprognosen des Startups, über die das Manager Magazin berichtet hatte (statt eines eigentlich angepeilten Umsatzes von 2,4 Millionen Euro im Dezember 2019 sei der Umsatz schon im April um mehr als die Hälfte eingebrochen), sagt Diemer nun, dass die Zahlen aus dem Businessplan auf „vertraglich zugesicherten Mengen eines Cannabislieferanten“ basierten. Da diese Lieferung wider Erwarten nicht zustande gekommen sei, sei klar, dass Ziele verfehlt würden. Weil es auch beim biosynthetisch produzierten CBD „Probleme gebe“, könnten die Zahlen aus dem Plan nicht erfüllt werden. Welche Probleme das im Detail sind, sagt Diemer nicht.

Überhaupt ist er selbst auf dem Gebiet nach eigener Aussage nicht sonderlich bewandert: „Ich habe in den vergangenen Monaten gemerkt, dass ich keinen blassen Schimmer von Biosynthese habe“, sagt er. Das Fach Biologie habe er in der 12. Klasse abgewählt. Er könne also auch nur das wiedergeben, was ihm sein Forschungschef gesagt habe. 

„Wir waren einfach zu euphorisch“

Wissenschaftlern, die Farmakos vermeintlichen Forschungsdurchbruch, aus einer kleinen Menge an Bakterien künstliches Cannabinoid herzustellen, im Manager Magazin infrage gestellt hatten, wirft Diemer vor, an „konkurrierenden Biosynthese-Verfahren“ zu forschen. „Das ist so, als wenn ich den Audi-Entwicklungschef frage, wie realistisch er es findet, dass BMW vor ihm ein Elektroauto auf den Markt bringt“, sagt er. Und mit Blick auf die Vorwürfe, dass die Cannabis-Pflanzen des Startups auf einem mit Chemikalien belasteten Grundstück in Mazedonien wachsen, sei er „völlig unbesorgt“.

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Im t3n-Interview sagt Diemer, das Unternehmen nicht verkaufen zu wollen. Man erreiche seit März siebenstellige Umsätze und arbeite profitabel. Aus heutiger Perspektive habe das Startup aber den Fehler gemacht, zu unterschätzen, „wie lange die Mühlen beim Import von Cannabis mahlen“. Der Gründer lässt anklingen, dass die Kommunikation – etwa hinsichtlich eines geplanten Börsengangs oder der Umsatzzahlen – zu vorschnell war. Seine Einsicht: „Rückblickend wäre es schlauer gewesen, erst zu kommunizieren, wenn das erste Gramm auch tatsächlich über die deutsche Grenze gegangen ist. Wir waren einfach zu euphorisch.“

Zum Schluss des Gesprächs sendet Diemer noch eine Nachricht an seine Kritiker: „Wer denkt, die aktuelle PR-Krise würde sich jetzt in eine Unternehmenskrise entwickeln und wir machen Farmako dicht – dem sei gesagt: Das ist Bullshit.“ Und weil in Sachen Kommunikation in den letzten Monaten viel schief gelaufen ist bei Farmako, will er sich mit aggressiver PR nach eigener Aussage nun erst einmal zurückhalten.

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Bild: Sebastian Diemer