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Die Software der Sentryc-Gründerin Nicole Hofmann soll Produktpiraten stoppen.
Die Software der Sentryc-Gründerin Nicole Hofmann soll Produktpiraten stoppen.

Wie schnell ein Unternehmen Opfer von Produktpiraterie werden kann, hat Nicole Hofmann selbst erlebt. Als sich die ehemalige Prosiebensat.1-Managerin um den Aufbau eines konzerneigenen Fitness-Startups kümmerte, kam sie auf einer Messe mit Vertrieblern aus China ins Gespräch, wie sie gegenüber Gründerszene schildert. Die Chinesen hätten schnell Interesse an den Produkten der jungen Firma gezeigt: Bunt verpackte Proteinshakes, dazu hergestellt in Deutschland. Das passte zu den Konsumvorlieben in Fernost.

Als Hofmann die Vertriebler später durch ihr Büro führte, wurde sie jedoch stutzig, wie sie rückblickend schildert. Immer wieder habe sie im Hintergrund ein schnelles Klickgeräusch gehört – den Auslöser einer Kamera. So sei ihr aufgefallen, dass ein Teilnehmer der Delegation Fotos der gesamten Produktpalette in den Regalen des Startups schoss. „Ich habe mir zuerst nichts dabei gedacht, man möchte ja niemandem etwas Böses unterstellen“, erzählt Hofmann. „Aber wenige Wochen später mussten wir schockiert feststellen, dass unsere Marke unrechtsmäßig in China angemeldet wurde.“

Schäden von bis zu 54 Milliarden Euro

So wie der jungen Fitness-Firma ergeht es vielen Unternehmen. Laut einer aktuellen Studie des Maschinenbauverbands VDMA sind allein 74 Prozent der Unternehmen im deutschen Maschinen- und Anlagenbau von Produkt- oder Markenpiraterie betroffen. Auch im Onlinehandel nimmt das Problem mit Fälschungen zu: Amazon etwa behauptet, bereits mehr als sechs Milliarden mutmaßlich unzulässige Angebote blockiert und mehr als zweieinhalb Millionen verdächtige Amazon-Konten gesperrt zu haben. Kürzlich rief der Onlinehändler eine eigene Hauspolizei gegen Fälscher ins Leben.

Der Vorstoß verdeutlicht, wie schädlich Produktpiraterie für die Wirtschaft ist. Die finanziellen Schäden beziffert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) auf jährlich rund 54 Milliarden Euro. Hinzu kommt: Viele Plagiate fallen Nicole Hofmann zufolge nie auf. Mehr als ein Drittel der betroffenen Unternehmen ergreife erst gar keine Maßnahmen, sagt sie. „Die große Mehrheit setzt auf teure außergerichtliche oder gerichtliche Verfahren.“

Eine Software soll helfen

Hofmann erhielt die Markenrechte für das Fitness-Startup von der chinesischen Vertriebsfirma zwar nach mehreren Wochen zurück. Trotzdem ließ sie das Erlebnis offenbar nicht los: Sie verließ Prosiebensat.1 und machte sich selbstständig. Gemeinsam mit ihrem Mitgründer Hendrik Schüler hat die Berlinerin im vergangenen Jahr die Firma Sentryc gegründet. Ihr Ziel: Unternehmen im Kampf gegen Fälschungen unterstützen. Dazu haben beide eine Software entwickelt, die Plagiate auf über hundert Online-Marktplätzen automatisch aufspüren soll.

Ein lernender Algorithmus sucht dazu etwa auf Amazon oder Ebay nach Schlüsselwörtern, wertet Bilder aus und gleicht Produktbeschreibungen ab. „Man muss sich das vorstellen wie ein Sieb, durch das alle ähnlichen Angebote auf einem Marktplatz geschüttelt werden“, erklärt Hofmann. „Am Ende bleiben die Produkte übrig, die nach objektiven Kriterien potentielle Markenrechtsverletzungen oder Fälschungen darstellen.“ Entsprechende Funde – die Trefferquote liegt laut Hofmann bei 96 Prozent – meldet die Software anschließend den Unternehmen. Die wiederum können die Fälschung mit einem Klick von den Marktplatzbetreiberrn entfernen lassen. Das geschehe oft schon nach 24 bis 48 Stunden, sagt Hofmann. 

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Den Service lässt sich Sentryc gut bezahlen. Mindestens 600 Euro kostet Unternehmen die Nutzung der Software monatlich. Wer mehrere Produkte gleichzeitig schützen möchte, zahlt entsprechend mehr. Den Preis hält Hofmann für angemessen: Die Software spare viel Zeit und sei verglichen mit den Kosten, die Firmen etwa für Anwälte aufbringen müssten, günstiger. Wie viele Kunden das Berliner Startup mit diesem Versprechen seit dem Launch im Januar gewonnen hat, will Hofmann nicht sagen. Die Software werde aber bereits von namhaften Unternehmen genutzt, etwa dem Schreibgerätehersteller Lamy oder dem Dübel-Spezialisten Fischerwerke.

Konkurrenz im Ausland

Konkurrenzlos ist Sentryc mit seinem Konzept indes nicht, zumindest außerhalb von Deutschland. Recht erfolgreich ist etwa das spanische Startup Smart Protection, das per Software ebenfalls einschlägige Marktplätze und soziale Netzwerke nach Fälschungen durchforstet und von Investoren bereits 6,1 Millionen Euro einwerben konnte. Soweit ist Nicole Hofmann noch nicht: Erst vor knapp zwei Wochen gab es für ihr Startup eine kleinere Seed-Finanzierung vom polnischen Kapitalgeber Tar Heel Capital Pathfinder. Mit dem Geld wollen Hofmann und ihre inzwischen 25 Mitarbeiter die Software weiterentwickeln. Die Internationalisierung, so Hofmann, folge frühestens im kommenden Jahr.

Bild: Sentryc
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