<> on March 6, 2012 in Hanover, Germany.
<> on March 6, 2012 in Hanover, Germany. In Zukunft werden Maschinen das Einkaufen übernehmen (Symbolbild)

Sie kommen daher wie die beste Freundin oder der Kumpel von nebenan. „Unsere nächste Reise steht schon ganz bald an“, schreibt die Berlinerin Josephin Wendland, 26, auf ihrem Lifestyle-Blog Tensia. „Trotzdem möchte ich euch vorher noch unbedingt Impressionen vom magischen La Mamounia in Marrakesch zeigen.“

Ganz nah sei das Fünf-Sterne-Hotel am Flughafen Marrakesch gelegen, es gleiche einer Oase der Ruhe, und man fühle sich „wie zu Besuch bei der marokkanischen Königsfamilie“, erzählt sie. Unglaublich heiß sei es gewesen, aber es habe tolle Kronleuchter in der Eingangshalle gegeben und einen Gartenbereich mit Pool. Wie die beste Freundin halt so vom Urlaub plaudert.

Nach Ansicht von Zukunftsforscher Peter Wippermann sind Wendland und ihre vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Welt der Konsumblogs Vorboten eines radikalen Wandels der Konsumgewohnheiten der Deutschen. Wippermann hat für den Verkaufssender QVC mit TNS Infratest eine Zukunftsstudie über den Handel im Jahr 2036 erstellt. Die Studie liegt der Welt vor. Eines der zentralen Ergebnisse: Was wir brauchen, werden Maschinen automatisiert bestellen. Und was wir wollen, muss Spaß machen, schon beim Shopping. „Einkaufen ist das Pflichtprogramm, Shopping berührt die Seele“, spitzen die Autoren zu.

Einzelhandelsgruppen werden damit über kurz oder lang zu einem Teil der Freizeitindustrie. „Der Handel erzählt die großen Geschichten“, heißt es in der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. „Erfolgreiche Marken liefern spannende Storys.“ Gerade weil der Technikeinsatz zunehme, beispielsweise durch Bestellungen per Smartphone oder Beratungsroboter in Läden, wachse das Bedürfnis nach dem, was die Marktforscher „Authentizität“ nennen.

Trend zur Inszenierung von lustbetontem Konsum

Bestes Beispiel dafür sind die vielen Blogger und Bloggerinnen, meist jung und erfolgreich, die als Helden ihrer eigenen Geschichten auf Plattformen wie YouTube, Instagram oder in eigenen Blogs „die Fans an ihrem Leben teilhaben lassen und so Lust auf den Konsum machen“, wie es in der Studienauswertung heißt. Schlussfolgerung: „Die Tage der Supermodels sind gezählt. Glaubwürdigkeit wird zur neuen Währung.“

Doch wer heute noch glaubwürdig ist, ist es womöglich morgen schon nicht mehr. Denn die neuen Authentizitätsapostel arbeiten natürlich nicht umsonst und unbeeinflusst, und viele von ihnen machen keinen Hehl daraus. Die Berlinerin Bloggerin etwa erwähnt in ihrem Text explizit, sie sei mit dem Kosmetikhersteller Clinique in Marokko gewesen. Marketingstrategen nennen die neue Generation der Werber in den sozialen Medien denn auch „Influencer“, also Beeinflusser.

Das sind die wichtigsten Influencer aus Deutschland

In einer Umfrage, die für die Studie durchgeführt wurde, waren 77 Prozent der Bundesbürger mit der Feststellung einverstanden: „Gerade weil so viel in Zukunft virtuell abläuft, werden Erlebnisse in der realen Welt umso wertvoller.“ Insofern ist der Trend zur Inszenierung von lustbetontem Konsum gerade auch für die Städte eine neue Chance. Zur Renaissance der City werde es allerdings nur dort kommen, wo der Wandel vom Versorgungszentrum für den Alltagsbedarf zur Bühne fürs Einkaufserlebnis vollzogen wird, prognostiziert Wippermann: „Das Unterhaltungsprinzip ist in Zukunft wichtiger als die Möglichkeit, das Produkt gleich in die Einkaufstüte packen zu können.“

Wie so etwas aussehen kann, ist etwa in den Vereinigten Staaten zu besichtigen. So hat Apple kürzlich in San Francisco einen Laden eröffnet, in dem man nichts mehr erwerben kann, statt dessen nur noch neue Geräte ausprobieren, darüber fachsimpeln, damit spielen kann. Bestellt und geliefert wird ausschließlich online. Apple nennt den Laden dementsprechend auch nicht mehr „Store“, sondern „Apple Union Square“.

Konkurrent Samsung hat ein ähnliches Konzept in New York ausprobiert. Derselbe Gedanke, wenn auch weniger radikal umgesetzt, liegt außerdem Experimenten von deutschen Baumärkten oder Elektronikriesen zugrunde. Sie ergänzen ihre bekannten, auf der „grünen Wiese“ angesiedelten riesigen Einkaufskästen durch Minifilialen in fußgängerfreundlichen Lagen. So hat Media Saturn im Frühjahr nahe dem Berliner Hauptbahnhof einen MediaMarkt mit nur 800 Quadratmeter Fläche eröffnet – etwa so viel wie ein Aldi aus den 60er-Jahren. Die Baumarktkette Hornbach probiert ähnlich kleine „Compact Shops“ aus.

Bei Jüngeren ist die Akzeptanz von Technik größer

Ansonsten ist für die Zukunftsforscher klar, dass der Konsument in 20 Jahren die Beschaffung des grauen Alltagsbedarfs ohnehin den Maschinen überlässt: Der Drucker bestellt die Patrone selbst, der Kühlschrank ordert neue Vollmilch, und das Auto lässt sich Winterreifen zur Werkstatt kommen und meldet sich praktischerweise auch gleich zur Inspektion an. Der unterhaltsame Spaßshopping fängt für viele da an, wo Freunde dabei sind – und zwar die echten eigenen. Das gilt nach der Studie vor allem für jüngere Menschen zwischen 20 und 30 Jahren.

Weniger wichtig wird in der Einkaufswelt von morgen das Verkaufspersonal – ihm drohe ein weitgehenderer Ersatz durch Technik als heute vielfach vorstellbar, meinen die Trendexperten. „Je jünger die Menschen sind, umso höher ist die Akzeptanz von Technik“, sagt Wippermann. Das habe sich in Workshops mit Kindern im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren gezeigt, die in die Studie einbezogen wurden.

„Zwei Mädchen haben einen Mädchenroboter gezeichnet, der für sie die Einkäufe erledigt“, sagt der Zukunftsforscher schmunzelnd. In der Vision der Jungs werden uns künftig eher rohrpostartige Systeme beliefern. Aber einig seien sich beide Geschlechter gewesen, dass es ziemlich egal sei, ob ein Mensch oder eine Maschine die Bestellungen anliefert. In 20 Jahren wird diese Altersgruppe zu den wichtigsten Konsumenten zählen – und tatsächlich ist die Liefertechnik mit Robotern und Drohnen bereits heute in Ansätzen verfügbar.

Im Durchschnitt der Altersgruppen können sich heute bereits 23 Prozent der etwa 1000 Befragten gut oder sehr gut vorstellen, „kompetente, persönliche und freundliche Beratung durch Computer, Avatare, Holografien oder Roboter“ zu nutzen. Fast jeder zweite Deutsche (48 Prozent) stimmte der Aussage zu: „Wenn der Service gut und freundlich ist, ist mir egal, ob dahinter ein Computer oder ein Mensch steckt.“ Der Befund dürfte ebenso verblüffend wie desillusionierend für engagiertes Verkaufspersonal von heute sein.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: Gettyimages/Sean Gallup/Staff