Siemens will an seinem Berliner Standort 600 Millionen Euro in einen Innovationscampus investieren.
Siemens will an seinem Berliner Standort 600 Millionen Euro in einen Innovationscampus investieren.

Eine gute Nachricht für den Gründer- und Innovationsstandort Berlin: Der Technologiekonzern Siemens investiert 600 Millionen Euro in die „Siemensstadt 2.0“. Dort soll ein offenes Ökosystem entstehen, in dem sich Arbeiten, Forschen, Wohnen und Lernen vereinen. Pläne, den Innovationsstandort in der Nähe der asiatischen Wachstumsmärkte anzusiedeln, sind damit vom Tisch.

Siemens will in Berlin-Spandau Hochschulen, Wissenschaft und Industrie zusammenbringen – und auch Raum für Startups schaffen. Der Konzern legt wie schon bei seiner Gründung im Jahr 1847 nun erneut ein Fundament für technologische Disruption und Transformation. Die Idee knüpft zudem an den Gründungsgedanken der Siemensstadt an, die nach 1914 auf den damaligen Nonnenwiesen entstand und einem Großteil der 17.000 Beschäftigten dort arbeitsnahen Wohnraum bot. 

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Als die Konzernpläne diesen Sommer bekannt wurden, hielt sich die Begeisterung des Berliner Senats in Grenzen. Das Verhältnis von Stadt und Unternehmen war ohnehin angespannt: Senatschef Michael Müller (SPD) hatte in der Vergangenheit mehrfach die Personalpolitik des Konzerns kritisiert. Sein für Denkmalschutz verantwortlicher Senator Klaus Lederer (Linke) hatte den Bau einer Firmenrepräsentanz im Garten des denkmalgeschützten Magnus-Hauses verhindert.

Startup 1.0: Die historische Werkstatt des Firmengründers aus dem Jahr 1847 befand sich in Berlin-Kreuzberg.
Startup 1.0: Die historische Werkstatt des Firmengründers aus dem Jahr 1847 befand sich in Berlin-Kreuzberg.

Die Berliner Landespolitik gilt nicht als investorenfreundlich: Erst vor wenigen Tagen machte sich das Land Berlin zum Gespött, als der Internetkonzern Google seine Pläne für einen Startup-Campus im Stadtteil Kreuzberg auf Eis legte. Trotz anderslautender Ankündigungen des Regierenden Bürgermeisters („Heute ist ein guter Tag für Berlin“) unterstützte die Politik die Konzernpläne halbherzig – vor allem das von den Grünen beherrschte Bezirksamt. Die Politik knickte vor selbst ernannten Kiezwächtern ein, die in jeder städtebaulichen Veränderung die Gefahr einer Gentrifizierung sehen.

Lethargie zeigte sich Berlin auch, als Tesla-Chef Elon Musk am 17. Juni 2018 auf Twitter laut über eine Gigafactory für eine Batterieproduktion in Deutschland nachdachte. Medienberichten zufolge brauchte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) zwei Monate, um in einem Brief an Musk Interesse an dem Projekt zu bekunden. Da hatten andere Länder dem Amerikaner längst Offerten unterbreitet.

Dass der Technologiekonzern und Automobilzulieferer Bosch im Berliner Ullsteinhaus einen Campus zur Erforschung des Internets der Dinge aufbauen konnte, ist wie viele andere Investitionen an Innovationsstandort Berlin (etwa auch Udo Schloemers Factory) vor allem unternehmerischer Initiative geschuldet. Jedenfalls sind keine besonderen Anstrengungen der Politik bei diesem Projekt überliefert.

Anscheinend ist die Politik der Hauptstadt aufgewacht und hat sich der von der Industrie gebotenen Chancen besonnen. Denn das in den vergangenen Jahren gewonnene Ansehen  als unangefochtene Metropole der Innovation ist flüchtig, wie der jüngste Startup Monitor zeigte: Berlin hat beim Standort-Ranking dort den ersten Platz an Nordrhein-Westfalen verloren.

Nicht nur deshalb kann Müller positive Nachrichten wie die Siemens-Entscheidung gut brauchen: Nur noch 23 Prozent der Berliner sprechen sich für eine erneute Kandidatur des „Regierenden“ bei der nächsten Wahl aus, so eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Berliner Zeitung.

Bilder: Siemens