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Der Geschäftsführer von Ritter Sport, Andreas Ronken

Ritter Sport ist ein Mittelständler, der auf ein klassisches Offline-Produkt setzt: Schokolade, made in Germany. Weniger klassisch sind die Online-Kampagnen, mit denen der Konzern in den vergangenen Monaten auf sich aufmerksam machte. Mit der limitierten Sorte namens Ritter Sport Einhorn landete er im vergangenen Jahr einen Verkaufshit. 300.000 Stück wurde er innerhalb weniger Minuten los, alleine über seinen Online-Shop. Weil der Andrang so groß war, brach der Server der Website zusammen. Auf Facebook erntete das Unternehmen deshalb einen Shitstorm. Hier erzählt Geschäftsführer Andreas Ronken, wie er mit der Kritik umgegangen ist.

Schmeckt Ihnen die Einhornschokolade eigentlich?

„Ja, natürlich, obwohl ich nicht so sehr der Typ für Fruchtschokolade bin.“

Einigen Kommentatoren auf Facebook war sie zu süß.

„Nach unserem Wissen haben die meisten Käufer die Schokolade gar nicht gegessen. Sie liegt bei ihnen noch verpackt irgendwo in der Vitrine oder am Schreibtisch. Zum Werterhalt lassen sie sie ungeöffnet.“

Warum glauben Sie das?

„Das ist dieses Willhabensyndrom. Die Schokolade ist limitiert, die Verpackung schön. Nur die wenigsten haben sie wegen des Inhalts gekauft, als vielmehr wegen der Geschichte darum herum. Die Welt ist schlecht genug, es gibt so viele negative Themen. Da muntern Fabelwesen die Leute ein bisschen auf.“

Wie binden Sie Kunden online ein?

„Auf unserer Website können sie eigene Schoko-Kreationen einreichen. Viele witzige und teilweise auch sehr gute Ideen erreichen uns so. Zum einen setzen wir auf klassische Fake-Sorten – also auf Sorten, bei denen eine lustige Verpackungsidee und keine echte Schokolade entsteht. Sie heißen Rügenwalder Mett, Schokopizza oder Kohlwurst. Zum anderen realisieren wir manche Vorschläge der Kunden auch wirklich. Beispielsweise haben wir unsere Olympia-Schokolade, die wir aus dem Sortiment genommen hatten, auf vielfachen Wunsch neu produziert. Und auch die Einhornschokolade war ein Hinweis der Community, den wir aufgegriffen haben.“

Arbeiten Sie schon am nächsten Viralhit?

„Einmal im Jahr gibt es den Einhorntag, am 1. November. Es kann sein, dass da noch was kommt. Aber wir werden jetzt nicht jedes Jahr was mit Einhörnern machen, das wäre langweilig. Ein kleines Team denkt sich bei uns genau solche Themen aus. Die Geschäftsführung erfährt davon als Letztes, damit sie kein Veto mehr einlegen kann. Im Ernst: Wir müssen schon ein bisschen diesen Startup-Gedanken haben und die Kompetenz den Mitarbeitern geben. Sie sollen machen, was sie für richtig halten und nicht über Standardprozesse eines Konzerns ausgebremst werden.“

Welche Social-Media-Kanäle nutzt die Firma vor allem?

„Zum einen die üblichen Kanäle wie Facebook, Instagram, Twitter und Pinterest. Und zum anderen unseren Unternehmensblog.“

Sie haben einen Shitstorm kassiert, als die lange angekündigte Einhorn-Schokolade innerhalb von Minuten ausverkauft war.

„Ach, das war nicht so wild. Im Endeffekt war klar, dass es Frustrationen gibt, wenn man etwas stark Limitiertes nicht bekommt. Das muss man aushalten können, wenn man so etwas macht. Wir haben da einen Zeitgeist getroffen. Vorher wussten viele Leute noch nicht mal, was ein Einhorn genau ist. Dann wollten alle plötzlich diese Schokolade haben. Damit konnte keiner rechnen. Wir haben in den sozialen Medien versucht, offen und ehrlich mit unseren Kunden zu kommunizieren, dass uns diese Geschichte überrollt hat.“

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Von außen Glitzer, von innen süß: die Einhorn-Schokolade

Warum produzieren Sie die Schokolade nicht einfach nach?

„Aus mehreren Gründen. Erstens ist alles, was limitiert ist, begehrlich. Es war nicht unser Ziel, halb Deutschland mit den Tafeln zu überschwemmen. Und zweitens haben wir für die Schokolade Rohstoffe gebraucht, spezielle Fruchtpulver, die wir nicht mehr vorrätig hatten. Die Herstellung war sehr aufwendig. Wir produzieren 50 Sorten in unserem Werk in Waldenbuch, immer nach Auftrag. Den Produktionsplan kann man nicht einfach so umstellen und schnell mal drei Millionen Einhorn-Schokoladen draufsatteln. Das geht nicht.“

Haben Sie durch die Aktion mehr Kunden gewonnen oder verloren?

„So genau lässt sich das nicht messen. 500 Millionen Kontakte haben wir in dem Zeitraum über die sozialen Medien gehabt, vor allem bei jüngeren Nutzern und im Ausland. Das hat sicher einen positiven Effekt. Aber ob die Leute morgen im Edeka unsere Schokolade kaufen, können wir nicht sagen.“

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Welche Sorten liegen gerade im Trend?

„Ganz klar, limitierte Schokolade kommt gut an. Eine begrenzte Stückzahl macht einfach begehrlich, vor allem, wenn der Hersteller der Dienstleister der Community ist und das Produkt nach ihren Wünschen erschafft. Außerdem gibt es seit Jahren bei Schokoladen den Trend zur Natürlichkeit, also in Richtung pur. In unseren Schokoladen stecken nur die Zutaten, die der Konsument vermuten würde.“

Haben die Leute früher andere Sorten als heute gegessen?

„Vor sechs, sieben Jahren gab es mal eine Modewelle mit Lavendel- und Salzschokolade, also mit exotischen Geschmäckern. Die war allerdings nur von kurzer Dauer. Die klassischen Geschmacksrichtungen wie Milch, Haselnuss und dunkle Schokolade sind geblieben. Heute beschäftigen sich die Leute mehr mit den Inhaltsstoffen als früher. Sie wollen wissen, woher die Zutaten kommen und wie sie gewonnen wurden.“

Sie haben 2016 die Preise für die Nuss-Schokolade hochgeschraubt. Wie kam das bei den Kunden an?

„Ja, das war leider nötig. Nicht jede Sorte kostet in der Herstellung gleich viel. Bei uns sind die Rohstoffe der Hauptkostentreiber. Bei Nüssen gab es 2014 eine Missernte, das merken wir noch heute an den Preisen. Wir haben an den Tafeln kaum etwas verdient. Klar, wir hätten auch einfach weniger Nüsse in die Schokolade packen oder die Tafeln verkleinern können. Aber das hätte sich nicht gut angefühlt. Es war eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, für diese Tafeln die Preise anzuheben, und wir haben sie nicht bereut.“

Wie viel weniger Nuss-Schokolade haben Sie dadurch verkauft?

„Bei einer Preiserhöhung ist grundsätzlich mit einem gewissen Volumenrückgang zu rechnen – das haben wir auch gemerkt. Aber inzwischen findet sich zum Beispiel die Voll-Nuss wieder unter den Top 5 unserer beliebtesten Sorten.“

46fbe4b61881bfd9bc1903eed33a6621Außerdem haben wir Andreas Ronken gefragt, wie viel Umsatz und Gewinn seine Firma macht und wie hoch das Marketing-Budget ist. Die Antworten findet ihr im neuen NGIN-Food-Heft, das es hier zum kostenlosen Download gibt. 

Außerdem im Heft: Spannende Geschichten um Delivery Hero, Fritz-Kola, Nestlé und weitere Lebensmittel-Unternehmen. Viel Spaß beim Lesen!

Bild: Ritter Sport / Chris Marxen