Blick auf Peking: Startups dürfen China nicht nur als einen Markt von vielen betrachten, warnen Experten.

„China ist kein Markt zum Herumspielen“, sagt Erik Walenza. „Wenn es für dich nicht Markt Nummer eins oder zwei sein soll, dann heuere dort keine Leute an und eröffne auch kein Büro. Priorisiere – oder lass es.“ Walenza leitet die Vertretung der Gründer-Community Startup Grind in Shanghai und diskutiert in dieser Woche mit anderen Experten auf der Asia Pacific Week in Berlin. Das Panel, auf dem er an diesem Dienstagmittag sitzt, dreht sich um die Frage: Was sollten junge Unternehmen tun, wenn sie nach China gehen wollen?

Sich unbedingt konzentrieren, das findet auch Marcel Münch, Gründer des Berliner E-Commerce-Startups Dongxii. „Nur zwei bis drei Leute fürs China-Business reichen nicht aus“, sagt er. Das bevölkerungsreichste Land der Erde könne man nicht bloß wie einen Markt von vielen behandeln. Mit seiner App, über die chinesische Kunden Gesundheits- und Lifestyle-Produkte aus Europa kaufen können, habe er das leidvoll lernen müssen, erzählt Münch. „Marketing in China ist sehr tough. Vor allem wenn man nur ein kleines Team zuhause sitzen hat.“ Der finanzielle Aufwand für die Vermarktung sei anfangs sehr hoch – etwa weil die Kunden oft völlig anders tickten als in Europa und Online-Marketing-Kanäle in China noch vergleichsweise unterentwickelt seien – und der Return On Investment (ROI) entsprechend gering.

„Am Anfang braucht man wirklich tiefe Taschen“

„China ist eine andere Liga, was Skalierung und Geschwindigkeit angeht“, sagt der Berater und Investor Sebastian Müller, der fünf Jahre lang in Shanghai gelebt hat. Sobald es eine neue Geschäftsidee gebe – zuletzt etwa am Beispiel Bikesharing zu beobachten – würden sofort unzählige Unternehmen aufspringen. „Du brauchst viel Geld und lokale Partner, um da mitzuhalten“, so Müller. „Es sei denn, du hast eine klar definierte Nische“, in der niemand sonst unterwegs sei. Doch nicht mit jeder Idee sei der Schritt nach China ratsam, sagt Erik Walenza: „B2C ist fast unmöglich, China ist ein Friedhof für solche Firmen.“ Marcel Münch ergänzt, dass viele chinesische E-Commerce-Plattformen nicht für kleine Anbieter geeignet seien, weil sie etwa ein gewisses Umsatzvolumen voraussetzen würden oder man nur auf Einladung Mitglied werden könne.

Lokale Partner in China findet hingegen auch Walenza unabdingbar. Mit ihnen solle man am besten einen Roadtrip durchs Land organisieren, sagt er, sich mindestens eine Woche Zeit nehmen – und so herausfinden, ob das eigene Angebot vor Ort überhaupt verstanden und angenommen wird. „Produkte, die im Westen kreiert wurden, verlieren oft sofort ihren Product Customer Fit, sobald sie nach China kommen“, sagt auch Sebastian Müller. Startups, die den Schritt nach Asien wagen, müssten deswegen immer bereit sein zu reevaluieren, was sie tun. Lokale Partner findet auch der Investor hilfreich, warnt aber davor, sich allzu sehr auf sie zu verlassen. Chinesische Unternehmen würden Startups schnell fallen lassen, sobald der Nutzen einer Kooperation ihnen nicht mehr klar ersichtlich sei oder sich eine vorteilhaftere Zusammenarbeit mit einem Konkurrenten ergebe.

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Am Beispiel E-Commerce illustriert Marcel Münch, wie die chinesischen Kunden ticken: „Sie stellen viele, viele Fragen“, weswegen der Kundenservice von Anfang an gut aufgestellt sein müsse. Und: „Du muss Rabatte geben!“ Vergünstigungen anzubieten, sei in China fast schon Brauch – und wenn es den Gewinn beim Einstieg in den neuen Markt noch so sehr schmälert. „Am Anfang braucht man wirklich tiefe Taschen“, so Münch.

Bild: Getty Images / DuKai photographer