Wer nicht aus der EU kommt, darf nicht einfach so in Deutschland arbeiten.
Wer nicht aus der EU kommt, darf nicht einfach so in Deutschland arbeiten.

Alles schien sicher: Der Arbeitsvertrag mit ihrem neuen Arbeitgeber Makerist war unterschrieben. Schon sieben Monate hatte Mehrnoush Akbari von ihrem Heimatland Iran aus als Entwicklerin für das Berliner Startup gearbeitet. Jetzt wollte die studierte Informationstechnologin zum Team nach Deutschland kommen.

Sie ist eine von vielen: In Berliner Startups kommen 48 Prozent der Mitarbeiter aus dem Ausland – damit ist die Hauptstadt Spitzenreiterin in Deutschland. In München sind es 44 Prozent, in Hamburg 43, im Rhein-Ruhr-Gebiet 28. Bei so hohen Zahlen kann die Rekrutierung ausländischer Mitarbeiter ja nicht so schwierig sein, könnte man meinen. Doch tatsächlich bemängeln fast 70 Prozent der Berliner Gründer die bürokratischen Hürden, die dabei zu überwinden sind.

Mehrnoush ist ein Paradebeispiel dafür. Fast ein Jahr dauerte es, bis sie an ihrem neuen Arbeitsplatz in Berlin saß – und das war schon schnell. Eigentlich, erzählt Mehrnoush im Gespräch mit Gründerszene, hätte sie zwei Jahre auf einen Termin in der deutschen Botschaft in Teheran warten müssen, wo sie das Visum beantragen konnte. Der Grund: Viele Iraner wollen im Moment ihr Land verlassen und lieber in der Europäischen Union arbeiten.

Beschleunigen konnten Mehrnoush und Makerist das Verfahren nur, indem sie einen Anwalt beauftragten. Der habe „Hunderte E-Mails“ mit der Botschaft austauschen müssen, damit Mehrnoush schneller einen Termin bekam, sagt Makerist-Gründer Axel Heinz. 2.000 Euro veranschlagte der Anwalt. Noch mehr Zeit und Geld gingen drauf, weil Mehrnoushs Uni-Abschluss erst von der deutschen Arbeitsagentur genehmigt werden musste – Kostenpunkt: 200 Euro.

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Das Beispiel zeigt: Wer gute Mitarbeiter aus dem Ausland einstellen will, sollte Zeit einplanen. Eine Stelle online ausschreiben und innerhalb von wenigen Tagen sitzt das neue Teammitglied am Tisch – das funktioniert bei Mitarbeitern aus dem Ausland, insbesondere aus Nicht-EU-Ländern, nicht.

Aber wie genau läuft das Recruitung von ausländischen Teammitgliedern? Wer braucht welches Visum – und wer stellt die Arbeitserlaubnis überhaupt aus? Wir geben einen Überblick.

Das gilt für Arbeitnehmer aus der EU

Kommen die neuen Teammitglieder aus der Europäischen Union, ist die Sache verhältnismäßig einfach: „Sie dürfen sich in jedem EU-Land niederlassen, wenn Sie dort arbeiten“, schreibt die Europäische Union auf ihrer Website. Die meisten Staaten verlangen, dass sich Zugezogene nach spätestens drei Monaten in dem neuen Land anmelden und stets ihren Reisepass oder Ausweis mitführen.

Wer fünf Jahre lang ununterbrochen in einem anderen EU-Land als Arbeitnehmer tätig war, bekommt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Verliert ein Zugezogener seinen Job, darf er in dem Land bleiben, sofern er unfreiwillig arbeitslos ist und vor der Entlassung ein Jahr lang angestellt war. 

Diese Rechte gelten auch für Arbeitnehmer aus der Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen. Nicht uneingeschränkt gelten sie für Arbeitnehmer aus Kroatien. Das Land ist erst 2013 in die EU eingetreten. Die anderen EU-Länder durften selbst entscheiden, ob sie kroatische Arbeitnehmer nach den gewöhnlichen Regeln ins Land lassen oder nicht. Österreich ist das einzige Land, das sich dagegen entschieden hat.

Das gilt für Arbeitnehmer aus Drittstaaten

Stellt ein Unternehmen Teammitglieder aus Ländern außerhalb der EU ein, sollte es mehr Zeit einplanen, da die Fachkräfte ein Visum brauchen. Für Arbeitnehmer aus Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Neuseeland oder den USA gilt: Sie dürfen ohne Visum nach Deutschland reisen, müssen sich aber nach ihrer Ankunft bei der Ausländerbehörde eines besorgen. Mitarbeiter aus allen anderen Ländern müssen sich schon vor der Einreise nach Deutschland um ein Visum kümmern.

Das Visum bekommen ausländische Fachkräfte in der deutschen Botschaft in ihrem Land. Für Fachkräfte, die in ein Angestelltenverhältnis starten wollen, gibt es drei verschiedene Arten von Visa, wie die zuständige Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf Nachfrage von Gründerszene mitteilt: Die Blaue Karte, die Aufenthaltserlaubnis und das Visum zur Arbeitsplatzsuche. (Diese Übersicht vermittelt nur erste Informationen. Wer sich für ein Visum interessiert, findet auf den Webseiten der EU oder der Ausländerbehörde detaillierte Infos).

Blaue Karte

  • Dieses Visum verschafft hochqualifizierten Arbeitnehmern maximal vier Jahre lang ein Aufenthaltsrecht. Hat jemand einen befristeten Arbeitsvertrag, gilt das Visum für die Dauer der Vertragslaufzeit plus drei Monate. Diese Vorgaben müssen Anwärter auf eine Blaue Karte erfüllen:
    • Sie müssen einen anerkannten Universitätsabschluss oder mehr als fünf Jahre Berufserfahrung vorweisen. Ob ihr Uni-Abschluss anerkannt ist, können Fachkräfte auf dem Portal Anabin herausfinden. 
    • Sie müssen einen zugesicherten Arbeitsplatz in Deutschland haben.
    • Bei ihrem neuen Job in Deutschland müssen sie mindestens 53.600 Euro brutto verdienen.
    • Bei Fachkräften aus den MINT-Bereichen sowie Ärzten reichen 41.808 Euro brutto. In diesem Fall muss allerdings die deutsche Arbeitsagentur zustimmen, dass die Person in Deutschland arbeiten darf. Um das Verfahren möglichst unkompliziert zu gestalten, empfiehlt es sich, die Zustimmung schon vor dem Termin bei der Botschaft einzuholen. Wie das funktioniert, erklärt die Arbeitsagentur auf ihrer Website
  • Nach 33 Monaten können Inhaber der Blauen Karte eine Niederlassungserlaubnis bekommen. Heißt: Sie dürfen so lange in Deutschland bleiben, wie sie möchten und hier eine Arbeit ausüben. Dafür müssen sie allerdings wiederum gewisse Anforderungen erfüllen, etwa, auf dem Level B1 Deutsch sprechen.
  • Wer seinen Job verliert, hat drei Monate Zeit, einen neuen zu finden. Danach verliert die Blaue Karte ihre Gültigkeit.

Aufenthaltserlaubnis

  • Wer die Vorgaben für eine Blaue Karte nicht erfüllt, kann die „Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz“ beantragen. Dieses Visum erlaubt es Arbeitnehmern, drei Jahre lang in Deutschland zu bleiben. Nach drei Jahren können sie eine Niederlassungserlaubnis bekommen. Möglich ist diese Art des Visums für folgende Personen:
    • Hochschulabsolventen und -absolventinnen
    • Personen, die eine in Deutschland anerkannte Berufsausbildung haben und in einem Feld arbeiten wollen, in dem es in Deutschland zu wenig Arbeitskräfte gibt – beispielsweise Altenpfleger oder Elektriker. Ist die Berufsausbildung nicht anerkannt, kann die Fachkraft eine entsprechende Weiterbildung machen und bekommt für diese Zeit ein Visum.
  • Auch für dieses Visum müssen Fachkräfte eine Jobzusage vorlegen und sich die Zustimmung der Arbeitsagentur abholen. Die Zustimmungspflicht entfällt, wenn die ausländische Fachkraft einen deutschen Hochschulabschluss hat.

Visum zur Arbeitsplatzsuche

  • Wer noch keine Jobzusage vorweisen kann, hat die Chance auf ein sechs Monate gültiges Visum zur Arbeitsplatzsuche. Dazu muss die Person einen Hochschulabschluss haben und genügend Geld vorweisen, um sich ein Leben in Deutschland finanzieren zu können.
  • Arbeiten darf eine Fachkraft mit diesem Visum nicht. Wer innerhalb der sechs Monate einen Job findet, kann bei der Ausländerbehörde die Blaue Karte oder die Aufenthaltserlaubnis beantragen.

So viel Zeit und Geld sollten Startups und Fachkräfte einplanen 

Wie lang der ganze Prozess dauert, hängt davon ab, wie schnell man einen Termin bei der deutschen Botschaft oder der Ausländerbehörde bekommt. Nach dem Termin brauchen die Behörden eine Weile für die Bearbeitung: Das Auswärtige Amt spricht von einer „mehrmonatigen Bearbeitungszeit“ bei den Botschaften. Die Ausländerbehörden brauchen für eine Aufenthaltserlaubnis vier bis sechs Wochen, heißt es auf den Seiten der Stadt Berlin. Für die Blaue Karte sollte man sogar acht Wochen einplanen. 

In Deutschland kostet die erstmalige Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis 56 bis 100 Euro. Außerdem fallen Bearbeitungsgebühren bei der deutschen Botschaft und bei der deutschen Arbeitsagentur an, wenn sie ihre Zustimmung erteilen muss.  

Wer hilft bei dem Prozess?

Um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Visa-Prozess zu helfen, können Startups sogenannte Relocation-Agenturen beauftragen. Sie helfen nicht nur bei der Aufenthaltsgenehmigung, sondern teils auch bei der Wohnungssuche, dem Gang zum Bürgeramt und dem Einleben in der neuen Stadt. Auch einige Startups haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht, etwa Visaright und Localyze. Wer mehr Geld zur Verfügung hat, kann auch – wie Mehrnoush und Makerist – einen Anwalt beauftragen.

Hier könnt ihr einen Blick in den Gründerszene New Work Report werfen:

Bild: Westend61 / Getty Images