Schwieriger Balanceakt für den Prinz: Saudi-Arabien soll moderner werden.

Wir berichten auf Gründerszene täglich über das Geschehen in der digitalen Wirtschaft. Und dabei kommen wir durchaus in der Welt herum. Zum Beispiel nach Hongkong, Tel Aviv, Neapel oder ins Silicon Valley. Dass es auch in Saudi-Arabien eine lebendige Startup-Szene gibt, haben wir allerdings nicht gewusst. Geahnt schon, aber das Ausmaß der Aktivitäten dort ist größer als erwartet. Jetzt hat eine kleine Delegation von Startup-Gründern in Berlin über die Aktivitäten in der Heimat berichtet.

Wenn man an Saudi-Arabien denkt, hat man vor allem das Bild eines konservativen Gottesstaates vor Augen, in dem Frauen wenig zu sagen haben. Doch der Sohn des amtierenden Königs Salman arbeitet daran, das Land in eine freiere Zukunft zu führen und dieses Bild in den Köpfen zu verändern. In der kommenden Woche eröffnet in Riad das erste Kino des Landes, Frauen dürfen ab Juni selber Auto fahren und auch das Tragen des traditionellen Kopftuchs soll offiziell liberalisiert werden. Auch in Sachen Anerkennung des Staates Israel ist Bewegung gekommen. 

Das Öl reicht nicht bis in alle Ewigkeit

Der Sohn des Königs, Mohammed Bin Salman, ist die zentrale Figur des Wandels. Er verfolgt seine „Vision 2030“, die das Land wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch reformieren soll. Ein wichtiger Bestandteil des Planes ist es, Frauen zu unterstützen und die Beschränkungen für sie zu lockern. Auch die Wirtschaft soll sich verändern. Die Abhängigkeit vom Geschäft mit dem Öl muss laut Bin Salman verringert werden, denn die Reserven werden nicht bis in alle Ewigkeit reichen, und dabei spielen auch Startups eine wichtige Rolle.

Viele Startups in Saudi-Arabien wurden von Frauen gegründet. Eine davon ist Maha Shirah. Sie betreibt mit Sheworks einen Coworkingspace in Riad. Hier werden vor allem Frauen, die gründen wollen, unterstützt. Sheworks bietet nicht nur Büroräume, sondern hilft bei der Ideenfindung, Umsetzung und in vielen anderen Fragen. 56 Startups hat Sheworks bis jetzt auf den Weg gebracht. Insgesamt wurden schon 600 Frauen unterstützt. Bis vor Kurzem war es Frauen nicht erlaubt, ohne Einwilligung eines Mannes zu arbeiten. 

Der Weg ist frei für ein Startup-Ökosystem

Auch Basim Albeladi hat in Saudi-Arabien gegründet. Mit seinem Startup Labayh sitzt er in Medina und träumt davon, sein Geschäft zu internationalisieren. Die App, die er vertreibt, soll den Saudis einfachen Zugang zu psychologischer Hilfe ermöglichen. In Saudi-Arabien gibt es sehr viele Menschen, die an Depressionen, Schlafproblemen oder Angstzuständen leiden. Sie können über Basims App schnell Hilfe bekommen. 

Maha Shira (zweite von links) bei einer Panel-Diskussion in Berlin, die Gründerszene-Chefredakteur Frank Schmiechen moderierte.

Basim ist überzeugt, dass sich das Land schnell verändern wird: „Die Regierung hat Regulierungen für Startups gelockert. Das macht den Weg frei für ein blühendes Ökosystem.“ Inzwischen gibt es um die 50 Risikokapitalgesellschaften in Saudi-Arabien. Geld scheint für Gründer mit einer guten Idee kein Problem zu sein in diesem Land. Auch wenn damit immer noch gerne in traditionelle Unternehmen investiert wird. Doch Startups rücken stärker in den Blickpunkt. Basim: „Es war mal cool für Saudis, einen tollen Job zu haben und viel Geld zu verdienen. Jetzt ist es cool ein Startup-Gründer zu sein.“

Es kommen gerade sehr viele Chancen zusammen

Abdullah Amiri hat ein Startup gegründet, das sich mit dem Monitoring und der Analyse von Postings in sozialen Netzwerken beschäftigt. Seine Firma Lucidya verspricht unter anderem, Gefühlslagen in den Netzwerken antizipieren zu können. 135 Millionen Dollar hat das Startup inzwischen eingesammelt. Unter anderem von Microsoft. Das alles funktioniert in arabischer Sprache. Abdullah ist optimistisch, dass sich sein Land weiter öffnen wird, auch wenn das Zeit braucht: „Eigentlich ist das ganze Land Saudi-Arabien ein Startup.“ Lucidya und Labayh sind Sieger der First Annual German-Saudi Startup-Competition.

Dreiviertel der Bevölkerung in Saudi-Arabien sind unter 30 Jahre alt. Der Prinz gehört zu dieser Generation, die sich mit den Gegebenheiten im Land offenbar nicht so einfach abfinden will. Für einen Wandel braucht es Zeit, auch der Prinz bevorzugt eine autoritäre Regierung. Aber es kommen hier viele einzelne Chancen zusammen, die hoffen lassen, dass sich etwas ändert – und es keinen Rückfall in strengere Zeiten geben wird. Dazu gehört auch eine lebendige, junge Gründerlandschaft, die sich mit digitalen Themen beschäftigt und auf Frauen als Gründerinnen setzt. 38 Prozent der Startups in Saudi-Arabien wurden von Frauen gegründet. In Deutschland sind es nur 14 Prozent.

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