Sie haben den offenen Brief des Startup-Verbands unterschrieben: Christian Miele, Partner bei Eventures und Vorsitzender des Verbands, Artnight-Gründerin Aimie Carstensen, Sanity-Group-Gründer Finn Hänsel, Lina Behrens vom Accelerator Flying Health, Getyourguide-Gründer Johannes Reck und Quonomedical-Gründerin Sophie Chung (von links nach rechts)

Dieser Gastbeitrag stammt von Christian Miele, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups (BVDS), und anderen Startup-Funktionären.

Das deutsche Startup-Ökosystem steht wie das ganze Land vor seiner womöglich größten Herausforderung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die weiteren Entwicklungen rund um COVID-19 sind nicht abzusehen. Am wichtigsten ist jetzt, dass wir alles dafür tun, dass so wenige Menschen wie möglich diesem Virus zum Opfer fallen. Die ökonomischen Implikationen dieser Krise spielen in Relation dazu nur eine untergeordnete Rolle.

Nichtsdestotrotz müssen wir uns auch darum kümmern, dass die ökonomischen Auswirkungen möglichst gering ausfallen. Wir müssen es schaffen, dass trotz der gewaltigen wirtschaftlichen Abkühlung so viele Menschen wie möglich ihren Arbeitsplatz behalten.

Die Bundesregierung hat bereits Maßnahmen ergriffen und weitere angekündigt. Diese gehen bisher jedoch leider an den Bedürfnissen unserer Szene weitgehend vorbei: Startups haben – insbesondere in einer frühen Phase – weder eine kreditgebende Hausbank, noch erfüllen sie die herkömmlichen Kriterien, um einen Kredit zu erhalten. Damit sind sie von den angekündigten Fördermaßnahmen wie etwa KfW-Krediten ausgeschlossen.

Uns bleibt nicht viel Zeit

Wir wissen, dass die kommenden Wochen und Monate unser Ökosystem um Jahre oder Jahrzehnte zurückwerfen können, wenn wir nicht schnell und substantiell handeln. Oberste Priorität ist momentan, die Liquidität der deutschen Startups – egal in welcher Phase, welchen Alters und welcher Größe – zu erhalten. Der Bundesverband Deutsche Startups steht deshalb in regelmäßigem, engem und direktem Kontakt mit den relevanten Bundes- und Landesministerien und deren Spitzen, der KfW, den verschiedenen Landesförderbanken und vielen weiteren Akteuren. Seit kurzem steht ein vom Bundesverband Deutsche Startups erarbeiteter 4-Stufen-Plan (der „Schutzschirm für Startups“), der die entstehenden Liquiditätsprobleme lösen kann. Es kommt jetzt darauf an, dieses Maßnahmenpaket in enger Abstimmung mit der Bundes- und den Landesregierungen zügig umzusetzen. Uns bleibt nicht viel Zeit. 

Das sind die vier Stufen des vom Startup-Verband vorgeschlagenen Maßnahmenpakets: 

  • Stufe 1: Maßnahmen für Startups in früher Phase bzw. ohne Wagniskapitalgeber: z.B. Darlehensrückzahlungen einfrieren oder strecken, unbürokratische Projektverlängerungen von Förderprogrammen wie Exist
  • Stufe 2: Maßnahmen für Startups mit Wagniskapitalgeber: z.B. kurzfristige Auflage eines Matching-Fonds
  • Stufe 3: Maßnahmen für Scaleups: z.B. Einrichtung eines Venture Debts
  • Stufe 4: Secondary Market: Notfallplan für ausfallende Investoren in VC-Fonds

Die schnelle Unterstützung von Startups ist auch deshalb von so großer volkswirtschaftlicher Bedeutung, weil deren Innovationen einerseits zur Bewältigung der Krise beitragen können (siehe Curevac), weil sie viele zukunftsträchtige Arbeitsplätze schaffen und weil ihnen eine entscheidende Rolle zukommt, wenn es darum geht, als Volkswirtschaft mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen wieder auf den Wachstumspfad zu gelangen.

Es ist wichtig, dass in einer Situation wie dieser Verantwortung übernommen wird. Das hat das deutsche Startup-Ökosystem vor der Krise getan, das macht es aktuell und das wird es auch danach. Startups waren unter den ersten Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Home Office geschickt haben, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, Risikogruppen zu schützen und dabei zu helfen, das Gesundheitssystem zu entlasten.

In den letzten Tagen seit Ausbruch der Pandemie haben unzählige Gründerinnen und Gründer ihre internen Dokumente zu verschiedenen Fragestellungen rund um den Umgang mit der aktuellen Krise – wie beispielsweise Home-Office-Regelungen, Tipps zur internen und externen Kommunikation, arbeitsrechtliche Themen und vieles mehr – öffentlich zugänglich gemacht, damit andere Unternehmen davon profitieren können. Der Startup-Verband sammelt auf der Website startups-helping-startups.com diese Best Practices und stellt sie der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Ökosystem könnte gestärkt aus Krise hervorgehen

Wir wissen, dass diese Dokumente bereits von weiten Teilen des deutschen Mittelstandes und unseren europäischen Nachbarn und Freunden genutzt werden. Das ist gelebte Solidarität und Verantwortungsbewusstsein. Zusätzlich melden sich unzählige Gründerinnen und Gründer beim Bundesverband Deutsche Startups, deren Produkte und Dienstleistungen in der Corona-Krise besondere Relevanz haben.

Healthcare-Startups, die dabei helfen können, die Pandemie einzudämmen; Legaltechs, die bei rechtlichen Herausforderungen aufgrund der Corona-Krise Lösungen anbieten; Fintechs, die die Bundesregierung dabei unterstützen wollen, die vielen Soforthilfen und Corona-Kredite schnell und automatisiert abzuwickeln und viele mehr. Viele dieser Startups bieten sogar an, in einer für sie mit Sicherheit nicht einfachen Situation, ihre Services vergünstigt oder kostenlos anzubieten. Das zeigt, dass die Gründerinnen und Gründer in unserem Land ein tiefes Verantwortungsbewusstsein für diese Gesellschaft und die Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, besitzen.

Wir sind davon überzeugt, dass – wenn der oben erwähnte Schutzschild für Startups Erfolg hat – das deutsche Startup-Ökosystem gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird. Das wäre nicht nur ein Gewinn für die Startups selbst und ihre Mitarbeiter, sondern für das ganze Land.

Gezeichnet:

Christian Miele, Aimie Carstensen, Christian Reber, Christian Vollmann, David Hanf, Doreen Huber, Elias Dehina, Fabian Spielberger, Finn Age Hänsel, Florian Heinemann, Freya Oehle, Gesa Miczaika, Gleb Tritus, Gloria Bäuerlein, Hanno Renner, Johannes Reck, Lina Behrens, Lisa Gradow, Marc-Alexander Christ, Mato Peric, Philipp Kreibohm, Raffaela Rein, Robert Maier. Sebastian Pollok, Sophie Chung, Stephanie Kaiser, Thomas Bachem, Tommy Oehl, Uwe Horstmann, Vanessa Gstettenbaur, Verena Hubertz

Bild: Gründerszene