Baustelle Frankfurt am Main: In Sachen Startups gibt es hier noch einiges zu tun, wie ein Bericht zeigt.

In Frankfurt geben sich Gründer bescheiden – und denken vorerst klein: Der Anteil an Startups, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen von Beginn an eine globale Zielgruppe erreichen wollen, ist in der hessischen Finanzmetropole im Vergleich zu Städten wie Berlin, London oder Paris gering. So setzen etwa in Berlin 59 Prozent der Startups auf eine „Global Market First“-Strategie – in Frankfurt sind es nur 27 Prozent.

Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Report des kalifornischen Gründerinstituts Startup Genome, der sich auf Frankfurt und die Rhein-Main-Region konzentriert. In Auftrag gegeben wurde er von der Frankfurter Goethe-Universität, deren Alumni und Internet-Gründer Yi Shi sowie dem Startup-Zentrum TechQuartier.

Nicht nur bei der internationalen Expansion, auch in einem anderen Bereich schneidet Frankfurt dem Bericht zufolge vergleichsweise schlecht ab: Der Migrantenanteil liegt unter den Tech-Gründern in der Stichprobe bei gerade einmal neun Prozent. Zum Vergleich: Berliner Startups bringen es laut dem Report auf 43 Prozent. Das ist insofern bemerkenswert, als dass über 50 Prozent der Frankfurter Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben.

Gründer haben es in Frankfurt schwerer

Auch die Zahl der Ingenieure mit ausländischem Pass, die bei Frankfurter Tech-Startups arbeiten, fällt im Vergleich zu Berlin (62 Prozent) mit 19 Prozent deutlich geringer aus. Gleiches gilt für den Gründerinnenanteil in Tech-Startups. Hier kommt Frankfurt auf 10 Prozent – drei Prozentpunkte weniger als der europäische Durchschnitt.

Die Zahlen legen nahe, dass Frankfurt als Gründerstadt und -region nicht unbedingt attraktiv ist. Das dürfte unter anderem an den hohen Mietpreisen liegen: Unter den zehn Städten mit den teuersten Mietpreisen in Deutschland liegen drei (Frankfurt, Mainz und Wiesbaden) im Rhein-Main-Gebiet. Auch an Geld kommen Gründer in Frankfurt im europäischen Vergleich schwerer: Auf 38.000 Menschen komme in Rhein-Main ein Business Angel, heißt es in dem Bericht. Gerade in frühen Phasen kann das Startups das Leben schwer machen.

Die offenbare Konsequenz daraus: Die Startup-Dichte ist in Frankfurt geringer als in Berlin, auf eine Million Menschen kommen am Main 60 Startups, an der Spree 330. Dafür, so der Bericht, ist die Fintech-Quote am Finanzplatz Frankfurt – wenig überraschend – enorm hoch. Eines von acht Startups ist hier im Finanzbereich aktiv. In diese Branche seien zwischen 2012 und 2017 auch 55 Prozent der VC-Gelder geflossen. Als weitere große Pfeiler nennen die Autoren die Branchen „AI, Big Data & Analytics“ sowie Cybersecurity. Insgesamt gebe es in Frankfurt und Umgebung zwischen 300 und 400 Tech-Startups, etwa 100 mehr als im Vorjahr.

Politik, Wissenschaft und Wirtschaft wollen nachhelfen

Einige positive Aspekte arbeitet der Report aber auch heraus: Frankfurter Gründer seien untereinander sowie global gut vernetzt, und beim Early-Stage-Funding pro Startup seien die Werte „gesund“ (aber auch hier gebe es aber noch Luft nach oben).

Als Beispiele für Frankfurter Startups, die es geschafft haben, werden etwa die Devisenplattform 360T, die 2015 für 725 Millionen Euro an die Deutsche Börse ging, die mit über 40 Millionen Dollar ausgestattete Insurtech-Firma Clark und das Software-Startup Acellere genannt, das im Januar 2018 2,25 Millionen Euro einsammelte. Dem Bericht zufolge befindet sich das Frankfurter Startup-Ökosystem aktuell in der „Aktivierungsphase“.

Um aus dieser Phase in die nächste zu kommen, gab ein Bündnis aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft schon im vergangenen Februar bekannt, Frankfurt und Umgebung bis 2020 zu einer international führenden Region für Startups (insbesondere Fintechs) machen zu wollen. Insgesamt 15 bis 20 Millionen Euro seien dafür vorgesehen, sagte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir damals. Eine neue Online-Plattform namens „TechObserver“ soll ab diesem Mittwoch anhand von Studienergebnissen und Rohdaten einen Überblick über die Frankfurter Szene gehen.

Die Autoren der nun veröffentlichten Frankfurt-Studie schlagen vor, Universitäten besser an die Szene anzuschließen und neben Hochschulen auch große Konzerne als Startup-Schmieden zu verstehen. Die Botschaft: Frankfurt kann noch viel tun, um gründerfreundlicher zu werden. Ob die Pläne der Frankfurter Startup-Allianz für dieses Ziel aufgehen, wird sich in den kommenden fünf Jahren zeigen.

Anm. d. Red.: In der Studie wurden Unternehmen berücksichtigt, die innerhalb der ersten zehn Jahren eine Bewertung von mindestens 50 Millionen US-Dollar erreicht haben. Als Basis für seinen Report nutzte Startup Genome die Daten aus dem jährlich erscheinenden globalen Report, wertete Datenbanken aus (zum Beispiel Crunchbase) und führte für den Frankfurt-Bericht zusätzlich Interviews mit lokalen Investoren und Gründern.

Bilder: Getty Images / Prasit photo (Titel);  Getty Images / Dillemma Photography (Umfrage)