Die zwei Jungs vom Dorf: Die Tesvolt-Gründer Simon Schandert (l.) und Daniel Hannemann vor einem Batterieschrank.
Die zwei Jungs vom Dorf: Die Tesvolt-Gründer Simon Schandert (l.) und Daniel Hannemann vor einem Batterieschrank.

Die schwarzen Energiespeicher von Tesvolt stehen auf einer grünen Alm, im australischen Outback, im afrikanischen Dschungel, aber auch in Industriefirmen und Ställen von Landwirten in Deutschland. „Überall dort, wo man sich autark und nachhaltig mit Energie versorgen will, kommen unsere Batteriesysteme zum Einsatz“, sagt Gründer und technischer Geschäftsführer Simon Schandert im Gespräch mit Gründerszene. Über 1.500 Anlagen hat das Unternehmen aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) seit der Gründung 2014 bereits verkauft. Doch erst jetzt ist die junge Technologie-Firma bereit, richtig durchstarten. 

Eine Gigafabrik für zehn Millionen Euro

Im April 2020 nahm Tesvolt ein neues Werk in Betrieb. Kosten: Zehn Millionen Euro. Der kaufmännische Geschäftsführer Daniel Hannemann spricht von der ersten Gigafactory für gewerbliche Batteriespeicher in Europa. In der Produktionshalle wirkt die halbautomatisierte Fertigungsanlage, die mit Hilfe von Porsche Consulting geplant wurde, noch nicht gigamäßig groß. Auf hüfthohen Rollenbändern laufen schwarze Boxen mit den Batteriezellen. Zehn Mitarbeiter reichen aus, um stabil zu fertigen. Hannemann begründet das damit, dass viele wichtige Komponenten von Zulieferern hergestellt werden. So kommen die Lithium-Ionen-Zellen vom koreanischen Konzern Samsung. „Unsere Stärke ist es, daraus langlebige und effiziente Speicher herzustellen“, so Hannemann. 

Durch den Neubau habe sich die Produktionskapazität auf 255 Megawatt verzehnfacht. Sie soll in den kommenden Jahren auf 1.000 Megawatt beziehungsweise ein Gigawatt aufgestockt werden. Dass Tesvolt dies gelingt, daran habe Hannemann keinen Zweifel. In den ersten drei Monaten des Jahres habe sich der Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht. Nicht trotz, sondern auch wegen der Corona-Pandemie: „Die Nachfrage nach Speichern mit Notstromfunktion ist deutlich gestiegen.“ Das Sicherheitsbedürfnis der Kunden habe zugenommen, so der Gründer.

Die Batteriemodule von Tesvolt werden vollständig be- und entladen und auf Unregelmäßigkeiten geprüft.
Die Batteriemodule von Tesvolt werden vollständig be- und entladen und auf Unregelmäßigkeiten geprüft.

Tesvolt gehört zu den erfolgreichsten Startups in der Batteriebranche. Hannemann (34) und Schandert (31) haben einige Gemeinsamkeiten: Sie kommen vom Dorf. Kennengelernt haben sie sich auf dem Schulhof in Wittenberg. Beide studierten in Berlin: Hannemann Informatik und Schandert Wirtschaftsingenieurwesen. Schon während des Studiums führten sie eine Firma, die Solarprojekte entwickelte. Für das Gründeduo stand schnell fest: Das größte Problem der Energiewende ist die fehlende Speichermöglichkeit für Ökostrom.

Erster Großauftrag kam aus Afrika

Kern der Technologie ist das Batteriemanagement, sagt Hannemann. Dazu habe man ein Programm entwickelt, welches „den Gesundheitszustand“ der Zellen überwacht und regelt. „Nimmt in einer Zelle die Leistung ab, wird das durch die anderen ausgeglichen.“ Dadurch würden die Speicher eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren erreichen.

Der erste Großauftrag kam aus Afrika: 2016 lieferte Tesvolt den damals weltgrößten Batteriespeicher mit 2,68 Megawattstunden nach Ruanda. Über Solarmodule werden dort Wasserpumpen für ein Landwirtschaftsprojekt betrieben. Davon profitieren 2.000 Kleinbauern. Inzwischen kommen die meisten Kunden aus Europa, es sind unter anderem Landwirtschaftsbetriebe mit großen Solardächern, Industriefirmen und Supermärkte. Laut Schandert ist die Eigenversorgung über den Speicher inzwischen für die Firmen günstiger, als den Strom aus dem Netz zu beziehen.

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Die beiden Unternehmer erstellen folgende Rechnung: Die Kilowattstunde Solarstrom lasse sich heute für sechs bis acht Cent gewinnen. Doch nur wenn die Sonne auch scheine. „Durch den Speicher erhöhen sich die Kosten um neun Cent“, erklärt Hannemann. Der Kunde könne mit dem Speicher ein autarkes Stromsystem mit Kosten von 15 bis 17 Cent je Kilowattstunde betreiben. Gewerbekunden, die den Strom normal aus dem Netz beziehen, müssten mehr als 20 Cent je Kilowattstunde zahlen.

Batterie-Experte warnt vor Regulierung

Batterieexperte Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen University bestätigt den Preisvorteil durch die Speicher: „Das führt dazu, dass der Markt stark wächst.“ Der Wissenschaftler weist jedoch darauf hin, dass der Speicher-Markt von der staatlichen Regulierung abhängt. „Vor allem Steuern und Abgaben machen den Strom aus dem Netz teuer“, so Sauer. Dezentrale Speicher würden steuerlich begünstigt, das könne sich aber ändern. Daher sei das Marktwachstum in den europäischen Ländern auch sehr unterschiedlich stark. Laut Sauer bestimmen derzeit jungen Unternehmen wie Tesvolt das Geschäft mit stationären Gewerbespeichern. „Es gibt keinen dominierenden Konzern, es ist aber möglich, dass durch Übernahmen einer einsteigt“, so Sauer weiter.

Tesvolt, benannt nach den Strompionieren Nikola Tesla und Alessandro Volta, setzt auf eine internationale Expansion. Bei der Führung durch die Produktion zeigt Hannemann, wie die Speicher beim Kunden ganz einfach per Stecksystem montiert werden. „Unser System lässt sich einfacher als Ikea-Möbel aufbauen“, sagt er. Durch Knopfdruck installiere es sich von selbst. Das sei wichtig, da ausgebildete Elektriker in vielen Regionen der Welt rar seien.

Die Finanzierung des Technologie-Unternehmens ist vergleichsweise konservativ: Bankkredite und eine Beteiligung der Risikokapitalgesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt. Einen großen Investor wollen Hannemann und Schandert sich auch nicht mit ins Boot holen. Sie wollen Tesvolt als Familien-Unternehmen führen. In dem Sinne sind die beiden Gründer vom Dorf sehr bodenständig geblieben.

Bilder: Tesvolt