Kennen sich seit 20 Jahren: Julian Stiefel (links) und sein Tourlane-Mitgründer Julian Weselek.

Von der 1.500-Euro-Südafrika-Rundtour bis zur Botswana-Flugsafari für 40.000 Euro – das Berliner Startup Tourlane hat sich auf Individualreisen spezialisiert. In diesem Segment, glauben die beiden Gründer, ist die Online-Experience noch nicht dort, wo sie sein könnte. Das wollen sie ausnutzen.

Julian Stiefel und Julian Weselek kennen sich seit 20 Jahren, sie sind zusammen in Heidelberg aufgewachsen. Auch während des Studiums brach der Kontakt nicht ab. Weselek lernte an der London School of Economics (LSE) und ging zu Rocket Internet. Stiefel studierte an der WHU, gründete das Privatunterkünfte-Startup Accoleo und verkaufte es ans US-Vorbild Airbnb, wo er danach im Marketing arbeitete. 2015 entwickelte das Duo dann die gemeinsame Idee für Tourlane.

Anfangs bekamen sie kein Geld, weil sie nicht zeigen konnten, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Stiefel macht das Marketing, Weselek verkauft die Reisen, ein Praktikant unterstützt beide. Das sei die schwierigste Phase bislang gewesen, sagen die beiden Gründer heute.

Im Jahr 2018 änderte sich die Einstellung der Investoren drastisch. Zunächst verkündete Tourlane im Frühjahr eine Serie-A-Finanzierung über sieben Millionen Euro. Nur wenige Monate später kam die dreifache Summe obendrauf. Das Kapital stammte unter anderem vom US-VC Sequoia, es war erst das zweite Investment des renommierten Geldgebers in Deutschland.

Wir haben Stiefel und Weselek in Berlin getroffen und mit ihnen über den neuen US-Investor, ihre Vorbilder und die Pläne für die kommenden Monate gesprochen:

Julian und Julian, um gleich die Frage zu stellen, die sicher vielen unter den Nägeln brennt: Wie kommt man an Sequoia als Investor?

Weselek: Der Kontakt kam über Johannes Reck [Getyourguide-Gründer, Anm. d. Red.], der bei uns als Business Angel investiert ist. Er hat uns Alfred Lin vorgestellt [Sequoia-Partner, Anm. d. Red.]. Das war Anfang dieses Jahres, direkt nach unserer Serie-A-Runde. Alfred konnte sich durch seine Erfahrungen als Investor bei Airbnb oder Uber gut in das hineinversetzen, was wir hier aufbauen. Und er sieht viele Ähnlichkeiten bei den Geschäftsmodellen, auch wenn sie natürlich generell unterschiedlich sind. Im Oktober haben wir uns dann in San Francisco persönlich getroffen.

Was erhofft ihr euch nun von eurem neuen Investor?

Weselek: Über das Netzwerk haben wir schon Kontakt zu erfahrenen Unternehmern bekommen, die uns beim Unternehmensaufbau unter die Arme greifen können. Da haben wir auch schon einige gute Tipps bekommen.

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Und was wäre so ein Tipp?

Weselek: Zum Beispiel, dass man etwa beim Einstellen von Entwicklern stärker auf Talent achten sollte als auf Erfahrung. Man braucht Leute, die smarte Ideen einbringen und die vor allem auch die Veränderung mitgehen können, die ein schnell wachsendes Unternehmen durchmacht.

Stiefel: Ein anderer Punkt war, immer auf die Firmenkultur zu achten.

Das ist ja eine Binsenweisheit. Aber wie genau macht man das?

Stiefel: Man muss wirklich Fehler zulassen, die sind wichtig für die Weiterentwicklung. Sonst probiert niemand etwas aus und wir als Unternehmen lernen nichts dazu. Man muss auch seine Core Values früh definieren und aufschreiben. Wir haben unter anderem unsere Meetingräume nach ihnen benannt, damit sie tagtäglich präsent sind. Bereits im Interviewprozess achten wir stark darauf, ob der zukünftige Mitarbeiter zur Firmenkultur passt.

Spricht man mit einem großen US-VC anders als mit einem deutschen?

Stiefel: Es ist schon sehr ähnlich. Wir hatten es ja bisher zumeist mit Business Angels aus der Reiseindustrie zu tun, die noch einmal einen ganz anderen Erfahrungsschatz haben. Und unsere anderen VCs hatten ebenfalls Erfahrungen im Travel-Segment. Das heißt, wir sprechen alle die gleiche Sprache.

Weselek: Man spürt schon eine große Erfahrung und eine hohe Professionalität im Umgang miteinander und bei inhaltlichen Gesprächen – sowohl bei Sequoia als auch bei allen anderen Investoren. Ein kleiner Unterschied: Bei Sequoia ist die Denkweise sehr amerikanisch.

Was heißt das konkret?

Weselek: Es geht wirklich darum, groß zu denken. Es werden Fragen gestellt wie: Glauben wir daran, dass das Unternehmen einen Markt revolutionieren kann, wie etwa Airbnb es getan hat?

Orientiert ihr euch an Airbnb? Ihr habt nun schon mehrmals von ihnen gesprochen…

Airbnb hat VCs für personalintensive Geschäftsmodelle wie das unsrige die Augen geöffnet. Vorher hieß es immer: Das skaliert nicht. Inzwischen sehen auch dank Airbnb viele VCs das Potenzial in Geschäftsmodellen, die auf der Qualität echter menschlicher Dienstleister beruhen.

Wer sind eure größten Wettbewerber?

Stiefel: Der Travel-Markt ist sehr fragmentiert. Im Individualreisesegment wird bislang noch viel über Reisebüros gebucht, weil wenig Digitalisierung stattgefunden hat.

Weselek: Es gibt einige digitale Anbieter, die auch nennenswerte Finanzierungsrunden gemacht haben. Wir versuchen, uns durch das Nutzererlebnis abzusetzen – bei uns spricht jeder Kunde mit einem echten Menschen, der ihn berät. Bei uns findet der Reisende einfacher und besser seine Traumreise als irgendwo anders.

Stiefel: Unsere Berater haben eine hohe Reiseziel-Expertise. Sie kennen sich in den Ländern aus. Wir schicken die Berater jedes Jahr für bis zu vier Wochen ins Land, um sich dort umzuschauen, die Qualität der Reise sicherzustellen und unsere Kunden aus erster Hand beraten zu können. Viele Berater haben sogar selbst in den Regionen gelebt.

Andere Anbieter wie etwa Fineway setzen auf schlaue Algorithmen die passende Reise finden wollen. Ist Künstliche Intelligenz bei euch auch ein Thema?

Stiefel: Das ist auch für uns wichtig. Wir nutzen KI etwa bei der Angebotserstellung. Das wird zukünftig eine noch größere Rolle spielen. Allerdings sind wir überzeugt, dass die Kunden einen persönlichen Kontakt mit den Experten wollen. Unsere Reisen sollen ja etwas besonderes sein, dazu gehört für den Kunden auch ein echter Ansprechpartner.

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Was sind eure nächsten Ziele?

Stiefel: Wir wollen das Team von derzeit 120 auf dann 220 Leute erweitern, vor allem an Reiseberatern und Entwicklern. Ziel ist es, das Kundenerlebnis immer weiter zu verbessern. Natürlich wollen wir auch das Angebot ausbauen. Derzeit haben wir Angebote in 20 Destinationen, Ende 2019 sollen es dann 60 sein. Und wir wollen internationalisieren.

Welche Märkte habt ihr im Auge?

Weselek: Das können wir aktuell leider noch nicht preisgeben. Aber keine Sorge: 2019 erfahrt ihr mehr.

Ihr habt nach der Serie-A-Runde über sieben Millionen Euro zum Jahresanfang nun noch einmal 21 Millionen Euro an Kapital von Investoren bekommen. Spürt ihr dadurch einen größeren Druck, schnell zu wachsen?

Stiefel: Nein, an der Drucksituation hat sich nichts geändert.

Was sind die größten Herausforderungen, wenn man ein Startup in der Reisebranche aufbaut?

Weselek: Zum Beispiel, dass man in den Zielländern oft wenig Digitalisierung vorfindet. Es gibt auch keine Standards, das heißt, es müssen meistens individuelle Lösungen gefunden werden. Das bedeutet viel Komplexität.

Versucht ihr, möglichst große Ketten als Kooperationspartner zu gewinnen, um die Zahl der individuellen Schnittstellen möglichst klein zu halten?

Stiefel: Bei Individualreisen wollen die Menschen authentische Erlebnisse. Wir arbeiten daher direkt mit Destination-Management-Unternehmen zusammen. Damit lässt sich der Aufwand bei uns reduzieren.

Wie könnt ihr die Kunden erreichen? Der Reisemarkt ist ja sehr umkämpft. Ist das Marketing dann nicht sehr teuer?

Stiefel: Das war immer die erste Frage, wenn wir mit potenziellen Investoren gesprochen haben. Ich profitiere da von meiner Erfahrung bei Airbnb, das hat uns geholfen, nicht in eine Werbeschlacht mit anderen Anbietern zu geraten.

Bild: Tourlane