Wer lieber vor seinen Problemen wegrennt, sollte kein Unternehmen gründen, rät der Autor.
Wer lieber vor seinen Problemen wegrennt, sollte kein Unternehmen gründen, rät der Autor.

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Unternehmertum ist nichts für Feiglinge“ von Günter Schmitz. 1992 gründete er das Hausbau-Unternehmen Coplaning, das 2016 als zweitbester Arbeitgeber Europas ausgezeichnet wurde. Ein Jahr später gab Schmitz seinen Geschäftsführerposten ab und gründete die Firma Relive, mit der er Premium-Fertighäuser baut. Nebenbei berät Schmitz mit seiner Akademie Denkhouse Manager und Geschäftsführer. In seinem Buch schrieb der Gründer seine Tipps für Unternehmer nieder.

Viele Bücher zum Unternehmenserfolg beginnen mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen, mit Positionierung, Alleinstellungsmerkmalen, Markenbildung oder Ähnlichem. Dieses Buch beginnt mit Ihnen, und zwar ganz bewusst. Erfolgreiche Unternehmen sind das Produkt erfolgreicher Unternehmer. Dabei verstehe ich unter »Erfolg« nicht allein den wirtschaftlichen Erfolg.

Der ist natürlich wichtig, denn er ist die Existenzberechtigung eines Betriebes. Doch die schönste Bilanz ist kein echter Erfolg, wenn sie mit menschlicher Härte erkämpft ist. Dabei geht es um Härte gegen sich und andere. Viele Unternehmer zermürben sich im täglichen Kleinkrieg, in Auseinandersetzungen mit Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern. Das zehrt an ihren Nerven, schadet ihrer Gesundheit und trübt ihr Privatleben, wenn sie überhaupt noch eines haben. Auf Dauer hat es auch wirtschaftliche Folgen: Wer seine Mitarbeiter nicht wirklich hinter sich weiß, dem nützt die beste Strategie nichts. »Culture eats strategy for breakfast«, brachte der bekannte Managementexperte Peter Drucker das auf den Punkt. Auf gut Deutsch: Wenn Sie Ihr Unternehmen in eine Feindbude verwandeln, werden Sie nicht glücklich werden, weder wirtschaftlich noch menschlich.

Unternehmenserfolg – eine Frage der Persönlichkeit?

Selbstbewusst, beharrlich, durchsetzungsfähig, kommunikationsstark, flexibel, kreativ, engagiert, leistungsbereit, führungsstark, einfallsreich, handlungorientiert, risikofreudig … All das und noch viel mehr sollen erfolgreiche Unternehmer sein. Das klingt wie der Steckbrief für die eierlegende Wollmilchsau, die gleichzeitig noch Zugpferd- und Alleinunterhalterqualitäten hat. Jede der Eigenschaften, die Gründerportale und Existenzberater aufzählen, hat sicher ihre Berechtigung. Mindestens ebenso wichtig für nachhaltigen Erfolg sind meiner Erfahrung nach jedoch folgende Unternehmerqualitäten, die weit seltener (wenn überhaupt) zum Thema gemacht werden:

  • Menschen lieben 
  • Sich selbst hinterfragen und bereit sein, dazuzulernen 
  • Sich als Gestalter verstehen, nicht als Opfer der Umstände

Menschen lieben

Hier steht ganz bewusst »lieben« und nicht »mögen«. Wer »mag«, urteilt. Wer liebt, akzeptiert vorbehaltlos. Die Welt ist bunt, die Menschen sind unterschiedlicher, als wir uns im stillen Kämmerlein träumen lassen, und jeder ist auf seine Weise einzigartig. Nicht nur Unternehmer oder Führungskräfte, sondern wir alle neigen dennoch dazu, uns Menschen so zurechtbiegen zu wollen, dass sie in unser Konzept passen. Wer ist wie wir, wer unsere Erwartungen erfüllt, den mögen wir. Wer anders ist, den empfinden wir als weniger sympathisch, vielleicht sogar als »unfähig«. All das ist nichts anderes als Rechthaberei.

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Gehen Sie davon aus, dass die meisten Menschen bei einem Urteil über andere so ticken und dass auch die Meinungen über Sie selbst durchaus unterschiedlich ausfallen. Ihr Leben als Unternehmer wird leichter, wenn Sie Menschen akzeptieren, ohne sie zu beurteilen und verurteilen. Dann sind Sie beispielsweise auf einen Schlag das Gejammer über »die Jugend von heute« los. Wir haben Coplaning regelmäßig für Schulklassen geöffnet, um mit Veranstaltungen den Nachwuchs auf uns aufmerksam zu machen. Wenn man die 16- bis 18-Jährigen heute fragt: »Was ist Ihnen besonders wichtig im Job?«, lauten die häufigsten Antworten »Keine Überstunden«, »Zeit für Familie und Freunde« oder »Auch mal Homeoffice«. Manche Arbeitgeber empört das. »Schließlich haben wir uns früher auch nach der Decke strecken müssen!« Als seien eigene harte Erfahrungen in Ausbildung, Lehre, Nachkriegszeit ein Argument dafür, dass es der Jugend heute nicht besser gehen darf. Da werden eigene Verletzungen an andere weitergereicht. Heute sollte man jedem Mitarbeiter den Schuh schustern, der ihm passt. Und solange der Nachwuchs auch sagt, er wünscht sich »spannende Aufgaben« und »Eigenverantwortung«, ist mir um das Unternehmen nicht bange.

Wer lieber vor seinen Problemen wegrennt, sollte kein Unternehmen gründen, rät der Autor.
Wer lieber vor seinen Problemen wegrennt, sollte kein Unternehmen gründen, rät der Autor.

Sich selbst hinterfragen

Vor einiger Zeit beriet ich einen mittelständischen Unternehmer aus Frankfurt, der vor allem von unseren Verkaufsmethoden lernen wollte. Er war überzeugt, mit neuem und wertigerem Präsentationsmaterial würden seine Verkäufer mehr Umsatz machen. Nachdem ich ihn einen halben Tag begleitet hatte, musste ich ihm leider sagen: »Bei Ihnen würde ich als Mitarbeiter gar nicht erst anfangen!« Er war konsterniert. Doch ein schroffer Umgangston und viele Rückfragen, die auf mangelnde Delegation sowie planlose Abläufe schließen ließen, waren mit ein paar Hochglanzbroschüren nicht auszubügeln. Sein eigenes Fazit am Ende des Tages: »Ich brauche keine neuen Verkaufsunterlagen, sondern ein anderes Führungsverhalten!«

Ich habe große Hochachtung vor dieser Einsicht. Dort anzukommen, hat mich selbst einige Jahre gekostet. Von den knorrigen Handwerksmeistern und autoritären Chefs, unter denen ich bis zu meinem 30. Lebensjahr arbeitete, wäre keiner so schnell auf diese Idee gekommen. In Elternhaus, Schule, Lehre und auf der Baustelle herrschte das Recht des Stärkeren. Wer so groß wird, muss sich anstrengen, um nicht irgendwann autoritär zu werden und die anderen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Dabei fängt man als Unternehmer am besten bei sich an, wenn es nicht rundläuft: Was tun wir selbst dafür, dass Menschen sich am Arbeitsplatz wohlfühlen und ihr Bestes geben? Kleine und mittelständische Unternehmen sind der Spiegel ihres Inhabers, der Unternehmerpersönlichkeit an der Spitze.

Es liegt am Chef, ob es Sie fröstelt, sobald Sie ein Unternehmen betreten, oder ob Sie sich dort herzlich willkommen fühlen. Selbst für die Krankenrate eines Unternehmens ist der Chef verantwortlich! Wo Anerkennung Mangelware ist und eine Misstrauenskultur herrscht, werden die Menschen häufiger krank. Die Wirtschaftspsychologin Dr. Anne Katrin Matyssek hat dazu eine Reihe von Studien zusammengetragen. Die bekannteste stammt aus dem VW-Konzern und ergab, dass Führungskräfte ihren Krankenstand mitnehmen, wenn sie die Abteilung wechseln. Das sagt schon alles.

Die Frage lohnt sich also immer: Was sagt es über mich aus, wie die Firmenfahrzeuge, die Büros, der Empfangsbereich aussehen und mit welchem Gesichtsausdruck und welchem Outfit meine Mitarbeiter durch die Gegend laufen? Je klarer und »aufgeräumter« Sie selbst sind, desto aufgeräumter wird Ihr Unternehmen sein. Sie wirken dabei durch Ihr eigenes Vorbild weit stärker als durch eine ganze Batterie von Hausmitteilungen. Sie müssen nicht permanent Kundenorientierung predigen, wenn man Sie Tag für Tag live dabei beobachten kann, wie Sie Kundenservice leben. Und es braucht keine Lippenbekenntnisse zur Mitarbeiterorientierung, wenn Sie offen sind für Sorgen und Nöte wie auch für Anregungen und Verbesserungsvorschläge Ihrer Mitarbeiter.

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Wer sich hinterfragt, erkennt zudem auch, was andere besser können als er selbst. Bei Licht besehen sind die eierlegenden Wollmilchsäue doch eher selten. Bernward Jopen, seinerzeit Dozent am Zentrum für Innovation und Gründung der TU München, unterschied einmal folgende Unternehmerpersönlichkeiten:

  • den »leistungsmotivierten Unternehmer«, der sich ambitionierte Ziele setzt und diese energisch anstrebt,
  • den »Experten für neue Ideen«, der Innovationen vorantreiben will,
  • den »empathischen Superverkäufer«, der es mit großem Einfühlungsvermögen versteht, Kunden zu überzeugen, und
  • den »komplexen Unternehmer«, der zwei dieser Talente in sich vereint (Jopen 2008).

Mir würden spontan weitere »Typen« oder Stärken einfallen, etwa der »begnadete Organisator« und der »visionäre Begeisterer«. Fakt ist: Mit etwas Distanz zu sich selbst gelingt es einem eher, ein Führungsteam um sich zu scharen, dessen Stärken sich optimal ergänzen. Viele Unternehmer scheitern daran und umgeben sich lieber mit Gleichgesinnten, die dann alle in dieselbe (auch mal falsche) Richtung denken. Bei Coplaning haben wir uns zudem schon ziemlich früh von der Illusion verabschiedet, Menschen in einem kurzen Vorstellungsgespräch durchschauen zu können, und wissenschaftlich abgesicherte Persönlichkeitstests hinzugezogen. Auch dahinter steckt die Einsicht in die eigene Fehlbarkeit.

Sich als Gestalter verstehen, nicht als Opfer der Umstände

Die vielleicht wichtigste Eigenschaft eines Unternehmers steckt schon in der Berufsbezeichnung: Unternehmer »unternehmen« etwas, sie packen an, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, statt die Verantwortung für ihr Wohlergehen anderswo zu suchen. Ich habe noch niemanden getroffen, der durch Jammern im Leben weitergekommen ist. Schuldige sind immer schnell gefunden, der Staat, die Banken, schlecht ausgebildete Mitarbeiter oder rabattsüchtige Kunden. Das sind aber gesellschaftliche Trends und Entwicklungen, die man als Unternehmer nicht beeinflussen kann. Was heißt das? Ganz einfach: Diese Dinge als gegeben hinnehmen und sein Unternehmen an diesen unbeeinflussbaren Faktoren vorbeisteuern. Ähnlich wie beim Autofahren: Wenn eine Straße gesperrt ist, weicht man ja auch über andere Straßen aus und kommt trotzdem zum Ziel.

Auch hier steht manchen Kollegen die eigene Rechthaberei im Weg: Sie reagieren blind oder zumindest beleidigt, wenn Kunden sich neuen Angeboten zuwenden, und halten starr weiter Kurs bis zum bitteren Ende. Auf diese Weise fiel einst die deutsche Hi-Fi-Industrie der japanischen Konkurrenz zum Opfer oder ein Drogeriekönig wie Alfred Schlecker moderneren Wettbewerbern, deren Läden weniger beengt und deren Unternehmenskultur menschenfreundlicher war. Echte Unternehmer schieben ihren Misserfolg nicht auf andere, die Konkurrenz oder die wirtschaftliche Lage. Denn das Gute an einer schlechten Lage ist: In der Regel stehen Mitbewerber vor den gleichen Herausforderungen und Problemen. Dann geht es darum, wer der Schnellere ist und wer die richtigen und besseren Ideen hat. Schwierige Zeiten sind gute Zeiten für gute Unternehmer!

„Unternehmertum ist nichts für Feiglinge“ von Günter Schmitz ist 2018 beim Gabal Verlag erschienen. 199 Seiten, 29,99 Euro. 

Bild: Getty Images / Andy Ryan