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Geldgeber aus den USA investieren verstärkt in europäische Firmen.

Das Silicon Valley ist Vorbild für Startup-Szenen weltweit, auch für die in Berlin. Doch wie läuft es gerade für deutsche Gründer an der Westküste? Warum interessieren sich US-Geldgeber nun mehr für deutsche Startups? Hat das Silicon Valley möglicherweise seinen Glanz verloren? Auf Gründerszene berichten wir eine Woche lang, was in der Bay Area von San Francisco aktuell passiert.

Seit ihrer letzten Finanzierungsrunde haben das Software-Startup N8n und die Fintech-Firma Trade Republic eine Sache gemeinsam – einen bekannten US-Investor im Gesellschafterkreis. Damit gehören die beiden deutschen Firmen längst nicht mehr zur Ausnahme.

Bevor der renommierte Silicon-Valley-VC Sequoia in der Seedrunde von N8n zu schlug, hatte der Fonds bereits mehrfach in europäische Startups wie etwa Tourlane investiert. Auch an Christian Rebers 6Wunderkinder war Sequoia beteiligt, ehe der Gründer seine To-Do-App 2015 an Microsoft verkaufte.

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Bei dem Deal mit N8n ging die Initiative anscheinend von dem US-VC selbst aus. Das gute Feedback der N8n-Software auf Plattformen wie Product Hunt oder Github hätten den Investor auf das Startup aufmerksam gemacht. So berichtet es der Gründer der Berliner Firma Jan Oberhauser gegenüber Gründerszene.

„US-VCs leider immer noch nicht die Regel“

Die 62-Millionen-Runde von Trade Republic führte Peter Thiels Founders Fund gemeinsam mit Accel Partners an. Den Austausch mit seinen neuen Investoren beschreibt Christian Hecker, CEO von Trade Republic als „extrem bereichernd“. „Amerikanische VCs mit an Bord zu haben, ist hierzulande immer noch nicht die Regel“, bedauert er. Denn US-Investoren könnten ihre eigene Erfahrungen und ihre Silicon-Valley-Perspektive mit an den Tisch bringen.

Doch aktuelle Zahlen zeigen: Neben Investoren wie Sequoia und dem Founders Fund interessieren sich auch andere VC-Fonds aus den USA verstärkt für europäische Firmen. Investments von amerikanischen Geldgebern in Europa nahmen in den letzten Jahren deutlich zu. Das bestätigt auch eine Auswertung des Investors Atomico: Im Jahr 2019 war bei 19 Prozent aller Finanzierungsrunden europäischer Startups mindestens ein US-Investor beteiligt, 2015 betrug dieser Anteil lediglich neun Prozent. Gleichzeitig stieg auch das investierte Kapital auf insgesamt 9,8 Milliarden US-Dollar – dreimal mehr als noch vier Jahre zuvor.

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Für Peter Specht, Principal bei der schwedischen Investmentfirma Creandum mit Sitz in Berlin, ist das eine gute Entwicklung: „Wir bewerten es als positiv für das europäische und deutsche Startup-Ökosystem, wenn mehr Kapital verfügbar ist“, sagt er zu Gründerszene. Insbesondere im Growth-Bereich bestehe weiterhin ein Bedarf nach mehr Fonds, die große Series-B- oder C-Runden anführten.

Denn für die großen Schecks sind hierzulande nach wie vor vor allem internationale Geldgeber verantwortlich: Laut Atomico-Report war an 90 Prozent aller Deals über 100 Millionen US-Dollar 2019 mindestens ein Investor aus den USA oder Asien beteiligt.

Dennoch hätten lokale Fonds vor allem bei frühphasigen Startups weiterhin einen Heimvorteil, glaubt Peter Specht. Gerade bei lokalen Themen wie Recruiting oder Sales sei es hilfreich, einen Partner zu haben, „der den eigenen Markt gut kennt und ein starkes Netzwerk mitbringt“, sagt der Creandum-Investor.

Sequoia plant eigenes Europa-Büro 

Einen Heimvorteil will sich anscheinend auch Sequoia sichern: Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass der VC ein eigenes Büro in London eröffnen will. Die Leitung der europäischen Dependance wird Luciana Lixandru übernehmen, die als bisherige Partnerin bei Accel bestens in der europäischen VC-Szene vernetzt ist.

Börsengänge von Firmen wie Spotify oder Adyen haben zuletzt gezeigt, dass die europäische Startupszene erwachsener geworden ist. Für Hiro Tamura hängt das Interesse von US-Fonds wie Sequoia auch mit dieser zunehmenden Reife des Ökosystems zusammen. Tamura ist Partner bei Atomico und sitzt für den Investor im Aufsichtsgremium von Portfoliofirmen wie Infarm und Scoutbee. „Immer mehr europäische Firmen versprechen die Art überdimensionaler Ergebnisse, nach denen die hochrangigen US-Fonds suchen“, sagt er zu Gründerszene.

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Trade-Republic-CEO Christian Hecker vermutet, dass sich die Geldgeber hierzulande unverbrauchtes Terrain erhoffen: „In Europa gibt es noch viele Wachstumsmärkte, die in den USA bereits erobert worden sind“, sagt er.

Hinzu kommt, dass europäische Deals lange Zeit im Vergleich zum amerikanischen Startup-Markt verhältnismäßig günstig waren. Insbesondere in Berlin sind die Lebenshaltungskosten und Gehälter um ein Vielfaches geringer als in den USA. Das spiegelt sich auch in den Finanzierungsrunden der dort ansässigen Startups wider. Hierzulande haben die Bewertungen in den letzten Jahren jedoch ebenfalls ordentlich angezogen, einige Investoren bezeichneten sie als zu hoch. So mancher Geldgeber erhofft sich jetzt durch Corona eine Normalisierung des Startup-Marktes.

Ein Problem: Die fehlende Reisefreiheit

Corona könnte auch dafür sorgen, dass der Trend der letzten Jahre hin zu mehr transatlantischen Investments stoppt. In Zeiten der Krise scheinen sich die US-Investoren wieder verstärkt auf heimische Firmen zu konzentrieren. Ein Indiz dafür sind aktuelle Zahlen des Branchendienstes Crunchbase: Erstmals seit drei Jahren sammelten amerikanische Startups im ersten Quartal 2020 wieder mehr Geld ein als alle anderen Firmen im Rest der Welt. 54 Prozent des investierten Geldes weltweit gingen in den ersten drei Monaten dieses Jahres an Unternehmen mit Sitz in den USA oder Kanada. Im Quartal zuvor waren es nur 41 Prozent gewesen.

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Peter Specht von Creandum vermutet, dass sich amerikanische Investoren auf kurze Sicht in Europa zurückhalten werden. Das führt er vor allem auf die gestiegene Unsicherheit und die aktuellen Reisebeschränkungen zurück. Mittelfristig rechnet er jedoch wieder mit einem steigenden Interesse an europäischen Firmen: „Investmententscheidungen remote zu treffen wird immer normaler, auch das wird diesen Trend weiter begünstigen.“

Atomico-Partner Hiro Tamura glaubt ebenfalls nicht an eine nachhaltige Veränderung: „Die Pandemie wird nichts an der Tatsache ändern, dass US-Investoren weiter überall auf der ganzen Welt nach den überzeugendsten Deals suchen werden.“

Sequoia jedenfalls hält weiterhin an der Eröffnung seines Londoner Büros im Herbst 2020 fest.

 
Bild: Getty Images/ Vectorios2016 

 

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