Ist die aktuelle Generation der Wagniskapitalgeber gewappnet für die Pandemie?

Der Konjunktureinbruch im März hat viele Startups unvorbereitet getroffen. Gründer, die heute unter 30 Jahre alt sind, erleben infolge der Corona-Pandemie die erste Wirtschaftskrise ihrer Karriere. Auch für einige Investoren, die den Startups nun mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen, ist die Rolle als Krisenmanager neu.

Laut einem Bericht der Silicon Valley Bank (SVB) haben 61 Prozent der internationalen Wagniskapitalfirmen, kurz VCs, noch nie eine Rezession erlebt. Bei Firmen mit einer durchschnittlichen Fondsgröße unter 100 Millionen US-Dollar ist der Anteil mit 66 Prozent sogar noch höher, weil kleinere Fonds häufig auch jünger sind.

Die fehlende Erfahrung der „Generation Wachstum“ kann durchaus ein Wettbewerbsnachteil sein, wie historische SVB-Zahlen nahelegen, die einen Zusammenhang zwischen Alter und Performance herstellen. Investmentfirmen, die schon bei der Dotcom-Pleite im Jahr 2000 dabei waren, seien demnach besser durch die globale Finanzkrise 2008 gekommen. Die Experten deuten das als Hinweis, dass die älteren VCs sich besser an das Risiko angepasst haben, etwa durch gut entwickelte Anlagestrategien auf Unternehmensebene oder einen etablierten Zugang zu Deals.

Eine gewisse Berufserfahrung hilft, bestätigt auch Oscar Jazdowski (66), Co-Chef der Silicon Valley Bank in Deutschland. „Wer schon mal einen Abschwung miterlebt hat, weiß genau, wie die Spieltaktik jetzt aussehen muss. Wir beobachten genau die gleichen Dominoeffekte und Folgen wie bei der globalen Finanzkrise und der Dotcom-Pleite. Corona ist jedoch viel allgegenwärtiger.“

Jazdowski betont im Gespräch mit Business Insider auch, dass das Alter nicht alles sei. „Die VC-Fonds, die gut aus der Krise kommen werden, sind diejenigen, die hinsichtlich ihres Portfolios schnell handeln und gerade frisches Kapital aufgenommen haben.“
„Viele dieser Neueinsteiger sehen die letzten Jahre als die Norm an“

Deutlich pessimistischer blickt Shmuel Chafets, Partner beim 2012 gegründeten Wagniskapitalgeber Target Global, auf die Generation Wachstum. „Viele dieser Neueinsteiger sehen die letzten Jahre in der VC-Branche als die Norm an und haben nun Schwierigkeiten, die neue Situation zu verstehen und sich anzupassen“, schreibt Chafets im Magazin „Capital“. Das gelte für viele Investmentprofis bis hin zur Ebene der Partner. In der Branche wimmele es nur von 20-Jährigen, die den Börsen-Crash von 2008 nur aus dem Film „The Big Short“ kennen, so Chafets.

„Nur, weil einigen 30 Jahre Erfahrung fehlen, sind ihre Entscheidungen nicht schlechter“

In Deutschland hat der Zweifel an der Erfahrung der VCs noch eine zweite Ebene. Sie verwalten nicht nur privates Kapital, sondern dürfen demnächst auch über Steuergelder entscheiden. Nach den Plänen der Bundesregierung sind sie es, die ab Mai die staatliche Finanzierung aus dem zwei Milliarden Euro schweren Corona-Hilfspaket verteilen. Antragsberechtigt für die Gelder der KfW sind nämlich nur die Wagniskapital-Fonds, nicht die Startups selbst.
Junges Alter kann auch Vorteil sein

Allerdings stehe die junge Generation bei der Startup-Rettung auch nicht allein da, sagt Judith Dada (28), Partnerin beim 2016 gegründeten Frühphasen-Investor La Famiglia, zu Business Insider: „Krisen machen sicher weiser. Aber nur, weil einigen VCs 30 Jahre Industrieerfahrung fehlen, sind ihre Entscheidungen nicht schlechter. Das beginnt schon damit, dass wir Strategien nicht allein entwickeln, sondern uns mit Branchenexperten und Partnern austauschen.“

Aus ihrer Sicht könne das Alter auch ein Vorteil sein. Die Corona-Krise sei nicht eins zu eins mit vergangenen Krisen vergleichbar, daher würden auch alte Muster nicht helfen. „Jetzt kommt es auf Anpassungsfähigkeit an — und darin sind jüngere Manager vielleicht sogar besser. Wer Scheuklappen hat, verpasst neue Opportunities“, sagt Dada.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Business Insider Deutschland.
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