Aus der Startup-Szene erhält der Vorschlag einer VE-GmbH viel Unterstützung.
Aus der Startup-Szene erhält der Vorschlag einer VE-GmbH viel Unterstützung.

Mit seinem Unternehmen hat Fabian Eckert vor allem eines im Sinn, wie er sagt. Er wolle die Umwelt schützen. Der 30-Jährige ist Gründer von Recup, einem Pfandsystem für Mehrwegkaffeebecher. Doch Eckert und seine Mitstreiter fühlen sich manchmal blockiert, erklärt der Gründer. Investoren brächten neue Ansprechpartner mit, da fehlten dann vertrauensvolle Jahre der Zusammenarbeit. „Wir wollen sagen, wo es langgeht“, sagt Eckert.

Die Lösung sieht er in einer neuen Rechtsform für sein Jungunternehmen – einer sogenannten Verantwortungseigentumsgesellschaft, kurz VE-GmbH. Eigentümer sind hierbei nur Treuhänder, die sich kein Unternehmensvermögen mehr auszahlen können. Stattdessen verbleiben die Gewinne verpflichtend im Unternehmen. Wer Anteile hält, darf sich nur noch eine angemessene Vergütung ausbezahlen.

Ein schnelles Abkassieren von Gewinnen ist also nicht möglich. Die Hoffnung: Hier macht nur mit, wer sich den Werten des Unternehmens verbunden fühlt. Damit könnten Gründer sicherstellen, dass Werte und Ziele der Firma über Jahrzehnte gewahrt werden.

Leidenschaft statt Geld

Das Problem: Es gibt diese Rechtsform noch nicht. Am Dienstag übergaben neben Eckert knapp 600 andere Unterzeichner einen Brief samt Vorschlägen für Gesetzesänderungen an Vertreter der Politik, darunter an die Nochvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, sowie an SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und den Grünen-Chef Robert Habeck. Initiiert hat das die Stiftung Verantwortungseigentum und dessen Vorstandsmitglied Armin Steuernagel.

Er ist überzeugt, dass die Rechtsform auf viele Betriebe passen würde. „Identifikation für das Unternehmen kommt nicht vom Geld allein“, sagt Steuernagel. Gründer und Geschäftsführer hätten eine intrinsische Motivation, würden von ihrer Leidenschaft für die Sache angetrieben.

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Aus Sicht der Initiative geht es bei der Reform um die Zukunftsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft. So radikal das Motto des Vorschlags ist, so überraschend groß ist auch der Widerhall für die Idee aus den verschiedensten Lagern. Zu den prominenten Unterstützern gehören zahlreiche Ökonomen und Juristen.

„Die Reduzierung des Menschen auf Gewinnmaximierung ist lebensfremd und inhuman“, kommentiert etwa der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof. „Das Konzept Verantwortungseigentum ist ein Konzept für unsere Zeit“, lobt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch die Multi-Aufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner und der Wirtschaftsweise Lars Feld gehören zu den Unterstützern.

Das große Vorbild: Bosch

Neben all dem Idealismus erhoffen sich Unternehmen auch einen praktischen Nutzen: mehr Vertrauen von Partnern und Kunden. Sie hätten es oft schwer, ihre Werte glaubwürdig zu verkaufen. Recup-Gründer Eckert spürte das zuletzt bei Verhandlungen mit potenziellen Kooperationspartnern. Diese lehnten eine Zusammenarbeit ab, weil sie Sorge vor einer zu großen Marktmacht des Jungunternehmens hatten – und vor entsprechend hohen Gebühren für die eintauschbaren Mehrwegbecher.

„Unser Geschäftsmodell funktioniert aber nur, wenn wir weitverbreitet sind“, sagt Eckert. Das Signal, das von einer VE-GmbH ausgehen soll: Der Preis wird nicht in die Höhe getrieben, schließlich hätten die Eigentümer davon keinen privaten Vorteil.

Die Grundidee, ein solches Verantwortungseigentum zu schaffen, ist dabei nicht neu. Laut Stiftung Verantwortungseigentum setzen hierzulande rund 200 Unternehmen auf ein solches Konzept – allerdings mithilfe anderer Rechtsformen. Das große Vorbild: Bosch. Der schwäbische Automobilzulieferer nutzt ein Stiftungskonstrukt. Rund 92 Prozent der GmbH gehören der Robert-Bosch-Stiftung. Und die ist nicht der Gewinnmaximierung unterworfen, sondern orientiert sich an gesellschaftlichen Werten.

Das Problem aus Sicht der Jungunternehmer: Startups oder Mittelständler mit 50 Mitarbeitern könnten sich keine eigene Stiftung leisten. Denn allein der Betrieb koste oft mehrere Zehntausend Euro im Jahr, das Aufsetzen häufig mehr als 200.000 Euro. Und Stiftungen sind für die Ewigkeit geschaffen, in die auch Kapital fließen muss.

Was also passiert, wenn ein Startup in den ersten Jahren defizitär ist oder gar den ursprünglichen Stiftungszweck nicht überlebt? „Letztlich wollen wir nichts anderes, was Familienunternehmen versprechen“, sagt Steuernagel. Nur, dass die Unternehmensanteile nicht innerhalb der Verwandtschaft vererbt, sondern an Gleichgesinnte weitergegeben werden.

Familienunternehmen ziehen nicht mit

Aus Sicht von Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), könnte die Reform sogar die Antwort auf das unternehmerische Buddenbrook-Syndrom sein. Vereinfacht gesagt: Die dritte Generation der Familienunternehmer verscherbelt in der Regel das, was die Großvätergeneration erarbeitet hat. „Wenn diese Form dauerhaft institutionalisiert ist, das Vermögen nicht entnommen werden kann, brauche ich keine besonderen Vorkehrungen in den Erbschaftsverträgen oder sonstigen familienrechtlichen Bindungen“, sagt Hüther.

Doch die Familienunternehmer, die zum Vorbild der Initiatoren geworden sind, sehen keinerlei Sinn in einer Reform. Die habe es schließlich in den vergangenen 100 Jahren schon nicht gebraucht. „Viele Gesellschafter haben ihr Vermögen an gemeinnützige Stiftungen übertragen, um unabhängig von der im Generationenverlauf konkreten Nachfolgesituation die Unabhängigkeit des Familienunternehmens zu fördern“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.

Es sei zwar förderlich, wenn Gesellschafts- und Stiftungsrecht entbürokratisiert werden. „Das derzeit diskutierte Modell einer GmbH im Verantwortungseigentum ist allerdings nicht zu Ende gedacht“, kritisiert Kirchdörfer. Der Vorschlag schaffe mehr Probleme, als er löse, etwa fehlende marktwirtschaftliche Anreize.

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„Die vorgeschlagene neue Rechtsform des Verantwortungseigentums wirft eine Vielzahl ungelöster Fragen auf“, sagt auch Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Etwa die Frage nach der Finanzierung, Behandlung und Kontrolle von verdeckten Gewinnausschüttungen und gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen. Aber auch die Frage nach einer mit dem Stiftungsrecht vergleichbaren Erbersatzsteuer sowie die Frage einer ausreichenden Aufsicht.

Das stimmt offenbar auch das Bundesjustizministerium skeptisch. Es prüfe den von der Stiftung Verantwortungseigentum vorgelegten Gesetzentwurf derzeit im Einzelnen, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Schließlich seien auch beachtliche Gegenstimmen laut geworden. „Soweit der Entwurf für eine Gesellschaft in Verantwortungseigentum darauf hinausläuft, eine Kapitalbindung in den Unternehmen dauerhaft und über Generationen hinweg sicherzustellen, würde dadurch das bestehende Gesellschafts- und Steuerrecht grundlegend verändert“, erklärt die Sprecherin. Der Vorschlag habe ganz grundsätzliche Auswirkungen, die in das Zivil- und möglicherweise auch das Verfassungsrecht hineinwirken.

Außerdem wirft das Haus von Christine Lambrecht (SPD) die Frage auf, ob eine Anpassung überhaupt notwendig sei. „Das bestehende Gesellschaftsrecht enthält vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten“, erklärt die Sprecherin. Diese hätten Gründer mit entsprechenden Ideen bislang nicht daran gehindert, diese Rechtsformen zu wählen.

Initiatoren hoffen auf schnellen Erfolg

Für die Kritik haben die Initiatoren wenig Verständnis. Die vorgelegten Ideen seien nur eine Möglichkeit. Auch sie hätten kein Interesse an einer missbräuchlichen Nutzung der neuen Rechtsform. „Wir wollen überhaupt erst mal ein Rechtskleid“, sagt Steuernagel. Die konkrete Ausgestaltung müsste der Gesetzgeber übernehmen.

Die Unterzeichner des Vorschlags hoffen indes, dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Doch das erscheint bei der Skepsis des Justizministeriums unwahrscheinlich. Recup-Gründer Fabian Eckert will mit seinen Investoren trotzdem schon einmal in den Dialog treten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images / Nick David