Verena Pausder gilt in der Startup-Szene als Vorbild-Unternehmerin. Sie hat mehrere Startups geleitet, der von ihr gegründete App-Entwickler Fox & Sheep wurde von dem Spielzeughersteller Haba gekauft.

Heute geht es Pausder nicht mehr nur darum, Geld zu verdienen oder Karriere zu machen, sie möchte auch etwas von ihrem Wissen und Vermögen zurückgeben. Dafür hat sie Non-Profit-Organisation Startup-Teens mitgegründet, die Schüler bei ihrer ersten Gründung unterstützt und diese mitfinanziert. 

Sie fordert, dass mehr erfolgreiche Gründer sich für einen guten Zweck engagieren und nicht nur über den nächsten Exit nachdenken. Im Interview erzählt sie, warum. 

Verena, haben Gründer, die ein hohes Gehalt verdienen oder einen erfolgreichen Exit gemacht haben, die Pflicht, etwas zurückzugeben?

Absolut! Das muss selbstverständlich für jeden Gründer sein – für einen, der einen Exit macht, sowieso. Aber auch Gründer, die noch nicht verkauft haben und nur gut verdienen, sollten sich engagieren.

Wie kann dieses Engagement aussehen?

Ich finde nicht, dass man nur spenden sollte. Viel besser ist Social Entrepreneurship. Wie bringe ich meinen Euro wieder ins Spiel, dass der sich langfristig trägt? Wie wird daraus ein Unternehmen mit einem sozialen Zweck? Denn nur so setzen wir als Gründer unsere Stärken ein. Dafür kann sich auch jeder seinen Bereich aussuchen, den er verbessern möchte – Energie, Bildung oder Ernährung beispielsweise.

Woran liegt es, dass sich dennoch so wenig erfolgreiche Gründer aus Deutschland engagieren?

Weil unsere deutsche Kultur und Gesellschaft es nicht erwartet. Du gerätst gesellschaftlich nicht unter Druck, wenn du viel Geld verdienst, aber nichts Gutes damit tust. 

In den USA, dem Vorbildland der Startup-Szene, ist das etwas anders…

Definitiv. In den USA musst du in einer Wohltätigkeitsorganisation gearbeitet haben oder eine karitative Tätigkeit nachweisen, um überhaupt an den guten Universitäten angenommen zu werden und in deiner späteren Karriere voranzukommen. Das heißt: Auch wenn es viele US-Amerikaner nicht aus intrinsischer Motivation tun, tun sie es wenigstens – und so entdeckt man ja häufig auch eine Leidenschaft. Aber in Deutschland muss man das eben nicht.

Das amerikanische System unterscheidet sich stark vom deutschen. Wir zahlen hierzulande höhere Steuern, deswegen argumentieren die Deutschen häufig, dass sie doch eh schon so viel abgeben und deswegen der Staat sich um gesellschaftliche Probleme kümmern soll.

Dieser Argumentation könnte ich folgen, wenn wir dann nicht so viel jammern würden. Ständig beschweren wir uns darüber, wie schlecht beispielsweise unsere Schulen ausgestattet sind oder was man alles verbessern müsste. Wenn du also viel Geld verdient hast, nimm bitte dein Geld und sorge dafür, dass es besser wird! Sonst zahlen wir alle Steuern, aber jammern den ganzen Tag weiter. Und auch das machen die US-Amerikaner besser: Die gucken sich an, was sie ändern wollen und ändern es. Ohne viel zu jammern. Diese Kultur müssen wir auch bei uns etablieren.

Ist also unsere Mentalität schuld?

Mein Eindruck ist, dass sich viele engagieren wollen. Es gibt den Founders Pledge, es gibt den Entrepreneur’s Pledge und es gibt Organisationen wie beispielsweise unsere, Startup Teens, wo uns auch schon sehr viele Menschen unterstützen. Aber bisher ist es einfach immer noch cooler, beim Abendessen mit Gründerfreunden über sein neuestes Investment zu reden als über das nächste soziale Unternehmen, das man gegründet hat oder für das man sich engagiert.

Kann man Investments in andere Startups nicht auch als Engagement sehen?

Doch, absolut! Da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Wann immer ich gerade die Liste der Investoren von frühen Finanzierungsrunden sehe, sind da ehemalige oder aktuelle Gründer beteiligt. Das macht einen riesigen Unterschied für die nächste Gründer-Generation, denn sie bekommen das Know-how, Geld und Netzwerk.

Investieren ist also cool geworden…

Wenn du als erfolgreicher Gründer nicht an mindestens zehn Startups beteiligt bist, bist du raus. Es gehört quasi zum guten Ton.

Wieso ist soziales Engagement nicht cool?

Hier fehlt der Startup-Szene das Vorbild. Wir haben in Deutschland sehr viel altes Geld, also beispielsweise von Familienunternehmen oder Firmen, die es schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten gibt. Diese Unternehmen tragen an ihren Standorten schon sehr viel Verantwortung, sie schaffen in der Umgebung häufig die Infrastruktur, bauen Kitas und Schulen. Aber diese Unternehmen agieren häufig nicht nur dezentral – sondern vor allem sehr leise! Denn man redet nicht über das Engagement, man macht einfach. So können sich junge Unternehmen und Gründer da wenig abgucken und werden gar nicht erst auf den Plan gerufen.

Woher hast du denn diese Mentalität, wenn sie deutschen Gründern doch eigentlich fehlt?

Ich komme aus einem Familienunternehmen. Es ist daher schon in meiner DNA drin, Verantwortung zu übernehmen. Ich habe immer vermittelt bekommen, dass ich auch etwas zurückgeben muss. ‚Verdien es, um es zu besitzen!’, hat mein Großvater immer gesagt. 

Eine klare Ansage.

Ja, so habe ich früh gelernt, dass unsere Gesellschaft nicht funktioniert, wenn jeder nur versucht sein persönliches Umfeld zu verbessern. Aber natürlich musste ich auch erst einmal selbst erfolgreich sein und Geld verdienen, um etwas zurückzugeben.

Die Non-Profit-Organisation Startup Teens hast du 2015 parallel zu deinem App-Startup Fox & Sheep mitgegründet. Startup Teens unterstützt Jugendliche mit Hilfe von Mentoren dabei, ein Unternehmen zu gründen. Was fehlt den Jugendlichen? Wissen, Kontakte, Ideen?

In der Generation Z, also unter den heutigen Teenagern, sind wirklich sehr viele talentiert! Die haben eine tolle Arbeitsethik, eine soziale Verantwortung und sehr gutes Technik-Verständnis, einige können richtig gut programmieren. Aber: Wenn sie nicht aus dem richtigen Elternhaus kommen, das einem das Praktikum bei Zalando organisiert und danach bei der Bewerbung für die WHU hilft, dann bleiben die auf der Strecke.
Wir haben zwar viele Talente in Deutschland, aber wir fördern sie nicht. Denn wenn jemand aus einer Kleinstadt kommt und die Mutter ist Lehrerin und der Vater Ingenieur, dann wissen die häufig nicht einmal im Ansatz, wie sie ihrem Kind helfen können, wenn es gründen will – außer es zu der TV-Show „Der Höhle der Löwen“ zu schicken.

Mit dem Gründerball, der Mitte November stattfand, habt ihr mit den Eintrittsgeldern und einer Versteigerung mehr als 50.000 Euro für Startup Teens gesammelt. Wie kamt ihr auf die Idee für den Ball?

Paul Schwarzenholz, Gründer von Flaconi und Zenloop, hatte letztes Jahr die Idee und wollte, dass die Szene für einen wohltätigen Zweck zusammenkommt, einfach Spaß hat und nicht nur über die nächste Finanzierungsrunde redet. Damit ist er zu meinem Mann Philipp und mir gekommen und hat uns gefragt, ob wir Co-Gastgeber werden, um den Gründergeistball unter den Stern von StartupTeens zu stellen. Die Gäste haben einen Teil ihrer Ticketpreise gespendet und konnten bei einer Auktion mitmachen. Wir haben es der Szene leicht gemacht, sich für einen sozialen Zweck zu engagieren, das war das Ziel – und es hat funktioniert!

Bild: Kim Keibel