In den USA sind die E-Tretroller von Lime bereits Alltag auf den Straßen.

Sie sind kompakt, wendig und schnell – und passen zu einem Zeitgeist, der das Auto gerade in Metropolregionen zunehmend kritisch beäugt. So haben sich zusammenklappbare Elektrotretroller vor allem im städtischen Raum in kurzer Zeit eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut. Aus Sicht ihrer Nutzer könnte die Erfolgsgeschichte gern so zügig weitergehen – etwa mit Blick auf die berühmte „letzte Meile“, den Weg von der letzten Bus- oder Bahnstation bis nach Hause und umgekehrt.

Doch die noch jungen Fortbewegungsmittel in die vorhandene Infrastruktur einzubetten könnte schwieriger werden als erwartet. Denn die Zweiräder, die laut Bundesverkehrsministerium im Frühjahr die Straßenzulassung erhalten sollen, dürfen wohl in einigen Bussen und Bahnen nicht mitgenommen werden. Die Beförderungsbedingungen einiger Verkehrsunternehmen schließen nämlich die Mitnahme von versicherungspflichtigen Fahrzeugen aus. „Wenn die Elektroroller, wie Mofas, ein Kennzeichen bekommen, dann dürfen sie in unseren Fahrzeugen nicht mitgenommen werden“, erläutert Steffen Högemann von NordWestBahn. Auch in Bahnen von Meridian dürfen die Roller wohl aufgrund der Versicherungspflicht nicht mit an Bord, ebensowenig wie in den Fernbussen und Bahnen von Flixbus.

Denn ein Versicherungskennzeichen ist, wenn auch in Form eines Aufklebers, laut eines Ende Februar veröffentlichten Entwurfs des Bundesverkehrsministeriums fest eingeplant. Das Mitnahmeverbot stellt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor einige Probleme. Denn im Entwurf ist festgehalten, dass die E-Roller eigentlich geradezu dafür geschaffen sind, „verschiedene Transportmittel zu verknüpfen und kurze Distanzen zu überbrücken“.

Heißt: Besonders Pendler sollen ihr Auto zu Hause lassen, um mit dem E-Roller zur Bahn zu fahren und von dort weiter zum Arbeitsplatz. So sollen die E-Roller ihren Teil zur verkehrspolitischen Zukunft Deutschlands beitragen. Eigentlich soll aus dieser Zukunft möglichst schnell Gegenwart werden. Aktuell liegt der Entwurf zur Prüfung bei der EU-Kommission. Schon am 17. Mai könnte dann der Bundesrat dem Entwurf zustimmen. Wenn die sogenannten Elektrokleinstfahrzeuge aber in manchen Bussen und Bahnen nicht mitgenommen werden dürfen, wird die Zielidee hinfällig.

Diese 8 Startups wollen mit ihren E-Tretrollern in Deutschland starten

Tier-Gründer Julian Blessin, Lawrence Leuschner und Matthias Laug (v.l.)
Tier Mobility
Lukasz Gadowski
PR

Ein Teil der Verkehrsunternehmen will die elektrisch betriebenen Roller hingegen wie Fahrräder behandeln. Damit dürften sie wiederum in manchen Bussen und Bahnen mitgenommen werden. Teilweise allerdings nur in Mehrzweckabteilen. Auch hier gibt es aktuell unterschiedliche Regelungen, die bald für ziemliche Verwirrung bei Fahrgästen sorgen könnten. So bestätigte ein Sprecher des niedersächsischen Verkehrsunternehmens Metronom mit Verweis auf dessen Beförderungsbedingungen, dass reguläre Tretroller wie Fahrräder behandelt werden sollen. Elektroroller werden dort nicht extra erwähnt. Allerdings ist im nächsten Absatz festgehalten, dass versicherungspflichtige E-Fahrräder von der Mitnahme ausgeschlossen sind.

Vielzahl unterschiedlicher Regelungen nicht akzeptabel

Hingegen dürfen Elektroroller in den Bussen und Bahnen im Rhein-Main-Verkehrsverbund, der besonders im Großraum Frankfurt am Main aktiv ist, bald ohne Einschränkungen mitgenommen werden. Solange sie zusammenklappbar sind, gelten sie dort als Sachen und ähneln damit Klappfahrrädern oder Koffern.

Für Karl-Peter Naumann, Sprecher vom Fahrgastverband Pro Bahn, ist die Vielzahl unterschiedlicher Regelungen nicht akzeptabel: „Allgemein begrüßen wir natürlich alles, was die Mobilität der Fahrgäste verbessert. Aber es kann nicht sein, dass man in Berlin mit seinem Roller einsteigt und in Brandenburg wieder aussteigen muss, weil dort die Mitnahme nicht geregelt ist.“ Naumann fordert die Verkehrsunternehmen auf, möglichst schnell ihre Beförderungsbedingungen zu ändern und Elektroroller für die Mitnahme freizugeben. „Die Versicherungspflicht ist durchaus sinnvoll, weil man mit schnellen Rollern ja auch Unfälle bauen kann. Andererseits sind die ja nicht gefährlicher als Fahrräder“, betont er.

Bei den Verkehrsunternehmen besteht größtenteils Konsens, dass einheitliche Regelungen zur Mitnahme von Elektrorollern gefunden werden müssen. Zunächst auf Ebene der Verkehrsverbünde, aber am liebsten auf Bundesebene. Ob verkehrsverbundübergreifende oder gar bundesweite Regelungen bis Sommer gefunden werden, ist allerdings fraglich. Ein Sprecher der Ostdeutschen Eisenbahn Gesellschaft erklärte, dass das Unternehmen die Tarif- und Beförderungsbedingungen zum 1. Januar 2020 ändern will.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen prüft den Entwurf des Verkehrsministeriums aktuell intern. Er will aber erst nach Inkrafttreten des Entwurfs Empfehlungen an die Mitgliedsunternehmen aussprechen und wollte sich nicht zu inhaltlichen Fragen äußern. Auch die Deutsche Bahn erklärte, ihre Beförderungsbedingungen erst nach Veröffentlichung des genauen Gesetzestextes anpassen zu wollen. Ein Sprecher teilte mit, dass es Ziel der DB sei, „gemeinsam mit Verbünden und kommunalen Verkehrsunternehmen klare und einheitliche Regelungen zu schaffen“.

Doch das kann wohl dauern. Selbst wenn der Entwurf zur Straßenzulassung von Elektrorollern in den nächsten Wochen umgesetzt wird, müssen Fahrgäste noch einige Monate warten, bis sie rechtliche Gewissheit über die Mitnahme in Bussen und Bahnen haben.

„20 Pendler mit Rollern im Mehrzweckabteil“

Zudem ist offen, ob in Zukunft überhaupt eine Mitnahme von E-Rollern ohne Einschränkungen möglich sein wird. „In erster Linie soll die Person und nicht das Gepäck transportiert werden“, betont Steffen Högemann. „Wenn bald 20 Pendler mit ihren Rollern im Mehrzweckabteil stehen, müssen wir über andere Regelungen nachdenken. Wir müssen eben schauen, ob das eine große Geschichte wird oder nicht.“ Im Gespräch sind beispielsweise teurere Zusatztickets für Elektroroller oder Mitnahmeverbote zu Stoßzeiten.

In solch einem Fall würde allerdings der vom Bundesverkehrsministerium gewünschte Effekt, dass mehr Leute weg vom Auto hin zum öffentlichen Nahverkehr und zu alternativen Verkehrsmitteln wechseln, abgeschwächt werden. Das Ministerium selbst wollte sich trotz mehrfacher Nachfrage dazu nicht äußern.

Auch ist aus Kreisen einiger Verkehrsunternehmen zu hören, dass Sicherheitsbedenken wegen der Lithium-Ionen-Akkus der Elektroroller bestehen. Dr. Jochen Mähliß vom Technologieverband VDE Renewables bestätigte, dass die Akkus in Ausnahmefällen explodieren können: „Ursächlich dafür ist meistens eine Vorbeschädigung, beispielsweise durch Umfallen des Tretrollers oder hartes Überfahren einer Bordsteinkante.“ Das sei allerdings laut dem Experten kein Grund, die Roller nicht in Bussen und Bahnen mitzunehmen. „Solche Akkus sind in Deutschland täglich millionenfach im Einsatz. Sonst dürfte man auch keine Smartphones, Tablets und Laptops mitnehmen“, so der Batterie-Experte.

Elektroroller-Verleih-Dienste dürften hingegen weniger vom Mitnahmeproblem betroffen sein. In Paris und anderen Großstädten weltweit haben Unternehmen wie Lime, Bird oder auch das Berliner Start-up Tier jeweils Hunderte bis Tausende solcher Roller in Innenstädten oder an Universitäten bereitgestellt.

Lest auch

Sie können gegen eine Pauschale von einem Euro plus 15 Cent pro Minute gemietet werden. Die Verleihdienste könnten am Anfang durchaus davon profitieren, dass die Roller in einigen Bussen und Bahnen nicht mitgenommen werden dürfen. So dürften viele Konsumenten zunächst auf Verleihroller zurückgreifen, statt sich einen eigenen E-Roller zu kaufen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images /Mario Tama