Nicht nur Brillenmodels, sondern auch Geschäftsführer von Viu: Johannes Heinrich (v.l.), Kilian Wagner, Fabrice Aeberhard und Peter Käser

Brillen bleiben ein kompliziertes Geschäft. Daran ändert auch der Onlinehandel nichts. Denn Kunden möchten Brillen – egal ob Sonnen- oder Korrekturbrillen – gerne der Reihe nach durchprobieren, bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen testen, den ehrlichsten Freunden vorführen und erst nach einer Denkpause kaufen. 

Das Brillen-Startup Viu mit Zentralen in Zürich und München nimmt sich diesem komplexen Markt an – bisher mit Erfolg, wie die Zahlen verraten. 2013 gestartet, arbeiten mittlerweile 300 Mitarbeiter für Viu in den Zentralen sowie den eigenen Geschäften. Mehr als 100.000 Brillen wird Viu 2018 verkaufen, wie Mitgründer Kilian Wagner im Gespräch mit Gründerszene angibt. Zum Umsatz möchte sich Wagner nicht äußern, aber nimmt man die beliebtesten Modelle namens „Lolita“ und „The Sharp“ für 165 Euro pro Stück als Grundlage, ergibt das einen Jahresumsatz von mindestens 16,5 Millionen Euro.

Millionen vom Alibaba-Investor 

Und Viu will künftig schneller wachsen. Wie jetzt bekannt wurde, hat der internationale Investor Eight Roads, der auch zu den frühen Investoren von Alibaba zählt, dafür einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. „Eight Roads investiert typischerweise zwischen 10 bis 50 Millionen US-Dollar, und da liegen wir gut drin“, sagt Wagner, der vor Viu jahrelang für die Unternehmensberatung McKinsey tätig war. 

Mit dem Geld will Viu vor allem sein 3D-Geschäft ausbauen. Bisher können Kunden bei fünf verschiedenen Brillenmodellen die Größe, die Farbe und die Form anpassen und im 3D-Drucker herstellen lassen – allerdings nur mit einem Auftrag in den Stores von Viu. In ein bis zwei Jahren soll das auch online möglich sein, sagt Wagner. Ein Team für das Thema sei seit rund einem Jahr im Aufbau. Auch die 3D-Technologie in den Geschäften soll verbessert werden. Zudem möchte Viu weiter ins Ausland expandieren, laut Wagner eine „sehr kapitalintensive“ Angelegenheit. 

Viel Geld benötigt Viu vor allem für seine Stores. 2013 zunächst als Onlineshop gestartet, setzt Viu mittlerweile stark auf Flagship-Stores in etlichen Städten. 39 Geschäfte hat Viu eröffnet, um den Kunden offline vom Brillenkauf zu überzeugen; 20 davon alleine in Deutschland, 14 in der Schweiz. Ein enormes Investment für ein Startup, aber ein lohnenswertes, wie Gründer Wagner gegenüber Gründerszene betont: „Der Brillenmarkt ist nur zu fünf Prozent online und den Kunden in der Hinsicht zu verändern, ist eine lange Reise.“ Ihre Stores seien Verkaufspunkte, „bieten aber auch ein emotionales Markenerlebnis“. 

Preis + Marke = Erfolg?

Die Hälfte der Kunden würden den ersten Kontakt zu Viu online bekommen, über die eigene Seite, Instagram oder die Google-Suche beispielsweise. „Online ist ein super wichtiger Kontaktpunkt, aber deutlich mehr als die Hälfte kauft am Ende offline in unseren Läden“, sagt Wagner. Doch das eigentliche Erfolgsgeheimnis von Viu sei die „Top-Qualität“ der Brillen bei einem „radikalen Preis“, wie der Mitgründer erklärt. Mit einem Preis von 145 bis maximal 250 Euro pro Brille will Viu im Vergleich zu anderen hochwertigen Brillenherstellern niedrig einsteigen.

Möglich ist dieser Preis durch den sogenannten „Direct-to-Consumer“-Ansatz“, den immer mehr junge Marken fahren. Teure Vertriebsstrukturen oder Zwischenhändler werden dabei ausgespart und die Produkte vor allem direkt an den Kunden über den eigenen Onlineshop oder selbst eröffnete Geschäfte vertrieben. „Wir können den Kunden so extreme Einsparungen weitergeben“, wirbt Wagner. 

Für diese Strategie sei allerdings eine starke und transparente Marke entscheidend. „Wir glauben, dass es viele designorientierte Kunden gibt, die ein bestimmtes Label kaufen und wissen wollen, woher die Produkte kommen und wofür die Marke steht“, fasst Wagner zusammen. Nur so bekäme eine Marke „die nötige Kredibilität in den richtigen Kreisen“. Auf seiner Internetseite schreibt Viu beispielsweise, dass alle Brillengestelle aus Acetat in 80 Schritten per Hand in einer „familienbetriebenen Traditionsmanufaktur in den italienischen Dolomiten“ gefertigt würden. Zuständig für die Marke ist Mitgründer und Creative Director Fabrice Aeberhard, er designt auch alle Stores von Viu. Für ihn sind regelmäßige Kooperationen mit angesagten Designern oder Marken ein Mittel, um die Marke Viu zu positionieren. Bisher hat sich dieser Weg als sinnvoll erwiesen. 

„Wir sind eine Fliege“

„Das hat keiner von uns erwartet“, sagt Kilian Wagner, auf den Erfolg von Viu angesprochen. „Aber wir sind noch lange nicht auf dem Plateau oben angekommen, es geht immer weiter.“ Tatsächlich darf sich Viu nicht zu lange auf dem Erreichten ausruhen. Konkurrierende Marken wie Ace & Tate aus den Niederlanden oder Warby Parker aus den USA arbeiten mit einem ähnlichen Konzept. In Berlin sind die Stores von Ace & Tate und Viu sogar nur wenige Schritte voneinander entfernt. Doch Wagner gibt sich locker: „Wenn man uns alle zusammennimmt, sind wir nichts, eine Fliege im Vergleich zu den großen Labels. Da ist noch viel zu holen.“

Bild: Viu / Sandra Kennel