„Wir haben eine umfassende Konsolidierung durchlaufen”, sagt Groupon-Deutschlandchef Dominik Dreyer.

Es war einer der bedeutendsten Exits der deutschen Startup-Szene – und eine der turbulentesten Startup-Geschichten hierzulande: Im Mai 2010 kaufte die US-Gutscheinplattform Groupon ihren deutschen Klon MyCityDeal, den die Samwer-Brüder in nicht einmal eineinhalb Jahren aus dem Boden gestampft hatten. Weil sich der deutsche Klon besser entwickelte als die meisten der vielen anderen Nachahmer und auch in vielen Ländern international aktiv war, schlug der US-amerikanische Gutschein-Vorreiter zu, machte die deutsche Tochter zum Zentrum der eigenen Expansion.

Für ihr Unternehmen bekamen die MyCityDeal-Investoren – neben den umtriebigen Brüdern auch der VC Holtzbrinck Ventures – etwa zehn Prozent der Anteile an der neuen Konzernmutter. Und dem Vernehmen nach eine Menge Mitspracherecht, das sie nutzten, um das Unternehmen an die Börse zu bringen und Kasse zu machen. In Berlin wird Groupon zum Sprungbrett für Gründer, die nach ihren Erfahrungen beim Gutscheinportal etwas eigenes auf den Weg bringen wollen. MyCityDeal-Alumni gründen Firmen wie den Erotikshop Amorelie, die Talente-Plattform Careerfoundry, das Medizintest-Startup Lykon, die Reservierungsplattform Quandoo oder das Umzugsunternehmen Move24.

„Seit dem IPO von Groupon im Jahr 2011 haben sich die Prozesse von Groupon Deutschland grundlegend geändert“, erinnert sich Dominik Dreyer. Er leitet als deutscher Geschäftsführer seit zwei Jahren die Geschäfte hierzulande. Die Zeiten und Strategien der Samwer-Brüder im Unternehmen seien vorbei, allerdings erinnere er sich noch daran – Dreyer ist bereits seit sieben Jahren im Unternehmen, war COO für die DACH-Region, später für Zentral- und Osteuropa. „Nach einer anfänglichen ,Sturm und Drang´-Zeit und schnellem Wachstum muss ein Unternehmen sich in Strukturen, Prozessen und Denkweisen erst einmal selbst finden. Wie bei jedem Startup funktionierte bei uns damals alles von der Hand in den Mund“, sagt Dreyer, „Da blieb nicht immer genug Zeit, um das Erfahrene zu reflektieren“. Das sei eine notwendige Erkenntnis gewesen. 

In den letzten Jahren habe das deutsche Team unter Führung der US-Mutter vieles hinterfragt, viele Einheiten wurden im Konzern zentralisiert, in Deutschland sei das Geschäft nun hauptsächlich exekutiv geprägt. „Wir mussten ein nachhaltiges Fundament für das weitere Wachstum des Geschäfts aufbauen“, sagt Dreyer. Bei einer international aktiven Firma sei das kein kurzfristiges Unterfangen. Dass es in den vergangenen Jahren vergleichsweise ruhig geworden ist um das einstige Startup-Highlight, stört den Deutschland-Chef nicht. „Das hat uns geholfen, uns mehr auf uns selbst und weniger auf die Außenwirkung zu konzentrieren.“

Hat die Weiterentwicklung von Groupon nun ein Ende gefunden? Ganz im Gegenteil, beteuert Dreyer. Noch gebe es unheimlich viele Geschäfte, deren Angebote noch nicht im Internet zu finden sind. Seit einer Weile schon stehen nämlich nicht mehr kurzfristige Abverkäufe mit Gutscheinen („Deals“) im Fokus, sondern die Angebote kleiner, lokaler Unternehmen, die Groupon ins Netz und vor allem in die eigene Smartphone-App holen will. „70 Prozent der Nutzer kommen schon heute über die App. Wenn ich dann in die App schaue, weil ich Hunger habe, aber in meiner Nähe ausschließlich Friseure finde, dann wäre es für den Kunden enttäuschend.“ WEITERLESEN…

„Wir haben eine umfassende Konsolidierung durchlaufen”, sagt Groupon-Deutschlandchef Dominik Dreyer.

Umgekehrt müsse es Groupon aber auch schaffen, die richtige Assoziation hinzubekommen. „Wir wollen für jedes Bedürfnis ein gutes Angebot auf unserer Platform haben. Wenn jemand zum Beispiel zum Friseur möchte, dann soll er als erstes an Groupon denken.“ Gleiches gelte fürs Reisen und andere Bereiche. Wenn jemand eine Reise nach Paris über Groupon gebucht hat, dann solle er vor Ort auch in der App nach Angeboten suchen, das wünscht sich jedenfalls Dreyer.

„Der Faktor ,Stöbern´ ist für uns unheimlich wichtig“, erklärt der Groupon-Deutschlandchef. Das Angebot auszuweiten sei deshalb auch das überragende Ziel für die nächsten Monate. Dabei gehe es nicht mehr nur um Lockangebote. Stattdessen solle die App allerlei Angebote für den täglichen Bedarf abdecken.

Eine der Kernzielgruppen, die auch immer wieder in TV-Spots angesprochen wurden, seien „Supermoms“, wie sie intern genannt würden: Frauen von Ende 20 bis 45 mit Familie und Kindern. Veranstaltungen für alle am Wochenende, Beauty, Wellness, Relaxen für sich selbst oder Angebote für die Zeit zu zweit – all das soll das Groupon-Angebot umfassen.

Gegenüber Anbietern wie Google, die sich mit der Übernahme des Groupon-Wettbewerbers DailyDeal einmal aktiv in dem Segment versucht hatten, sieht Dreyer seine Firma im Vorteil: Google ist bekannt als Anbieter technischer Lösungen, die einfach skalieren. „Wir entwickeln mit allen Partnern individuelle Kampagnen, die geeignet sind, ihre jeweiligen Unternehmensziele zu erreichen.” Der Vorsprung verschaffe Sicherheit, auch wenn Google und Facebook derzeit in Dublin Teams aufbauen, die verstärkt kleine Unternehmen direkt ansprechen sollen.

In Deutschland sei für Groupon das Geschäft mit Ticket-Verkäufen größer als in vielen anderen Ländern – ein Bereich, in dem sich zuvor viele kleinere Startups ohne Erfolg versucht hatten. Zudem habe Groupon Deutschland sich anders als in Spanien oder Italien, wo Sterne-Gastronomie gut funktioniere, auch bereits bei größeren Anbietern etablieren können. 

Abseits von Marktunterschieden habe die Berliner Groupon-Tochter immer noch eine gewisse Sonderrolle im Konzern, sagt Dreyer, auch wenn das nichts mehr mit den Strukturen der Vergangenheit zu tun hat: Wie andere Ländergesellschaften liege zwar ein Fokus auf dem Vertrieb, stolz ist er sichtlich aber auf das eigene Entwicklerteam, das Teil des globalen Tech-Herzens von Groupon sei. 55 Programmierer sitzen in der Deutschlandzentrale am Berliner Hausvogteiplatz – nur um die Ecke vom ehemals prunkvoll eröffneten Headquarter.

Wie viele Mitarbeiter Groupon in Deutschland beschäftigt, will Dreyer nicht verraten. Rund 200 oder etwas mehr sollen es dem Vernehmen nach sein – im Jahr 2014 hatte Groupon noch zu den größten Arbeitgebern in Berlin gehört. Auch zu den Geschäftszahlen für Deutschland hält sich Dreyer bedeckt. Nur so viel sagt er: Im Konzern sei die hiesige Einheit als einer der wichtigsten Wachstumsmotoren. „Wir haben eine umfassende Konsolidierung durchlaufen. Ich würde das als erfolgreichen Turnaround bezeichnen.“

Bild: Groupon